Kapitel 4

1K 109 43
                                    

♤NATH♤ 

Ich legte meine Flügel an, wich mit einer schnellen Drehung der gewaltigen Klinge aus und fügte dem Werwolf zwei tiefe Schnitte an der Wade zu, ehe ich hart landete und herumwirbelte.
Lykaon knickte bei der Landung weg, war aber sofort wieder auf den Beinen und knurrte mich an.
"Du bist schnell, Bastard."
Anstatt zu antworten, sprang ich vor, schneller als er seine Waffe heben konnte und rammte dem Wolf meine Schulter gegen die Brust, was ihn ein gutes Stück nach hinten warf. Lykaon rollte sich ab und fletschte die Zähne, ehe er sich auf mich stürzte.
Ich wich aus, lenkte seine Schwerthiebe ab, doch die schwere Klinge abzuwehren erforderte viel Kraft und Konzentration, was mich unachtsam werden ließ.
Gerade als ich das Schwert des Wolfes mit meinen beiden Waffen nach unten drückte, schnellte der gewaltige Kopf der Kreatur vor und die rasiermesserscharfen Zähne bohrten sich tief in den Panzer meines linken Armes, als bestünde er aus Wackelpudding.
Überrascht weiteten sich die Augen des Werwolfs, als seine Zähne meine Haut nicht durchstießen und ich grinste schief, als ich dem Urahn der Lykanthropen die Klinge meines Schwertes quer übers Gesicht zog.
"Mit einem deiner Art fing alles an", sagte ich, als Lykaon mit einem unterdrückten Winseln zurück wich und sich das Blut von der Nase leckte.
Ich setzte ihm nach, zielte mit dem Schwert auf seine Kehle, doch Lykaon riss den Arm hoch und schleuderte mich beiseite, wobei eine seiner Krallen mein Gesicht streifte und eine brennende Wunde in mein Fleisch riss.
Ich rutschte fast zehn Meter über den Boden, wodurch ich eine Aschewolke hochwirbelte, ehe ich zum Stehen kam und mich langsam aufrappelte.
"Ich habe es mir anders überlegt", erklang die Stimme des Werwolfs hinter der aufgewirbelten Asche. "So gerne ich dich auch verschlingen würde, mein Meister wird mich für Informationen über dich reich entlohnen. Deswegen werde ich dich für den Moment verschonen."
So überheblich Lykaon auch klang, dank meiner Engelssinne spürte ich, dass der Werwolf verunsichert war.
Mit dem Handrücken wischte ich mir das Blut aus den Augen, aber in dem Moment als ich lossprinten wollte, hörte ich ein leichtes Zischen, als etwas auf mich zuflog. Ich runzelte die Stirn, doch ehe ich ausweichen konnte, zerfetzte die gewaltige Klinge Lykaons meine Hüfte und bohrte sich tief in den Boden, ehe sich das Schwert wieder in Nebel auflöste.
Mir wurde für einen kurzen Moment schwarz vor Augen und ich fiel auf meine Knie. Dieser verdammte Köter hatte sein Schwert geworfen und rannte davon, schloss ich aus den schweren, aber schnellen Schritten, die ich hörte.
Es dauerte nur wenige Sekunden, da war die Wunde so weit verheilt, dass ich wieder aufstehen konnte. Ich fluchte leise, ließ meine ramponierte Rüstung verschwinden und steckte den Dolch weg, ehe ich meine Seelenwaffe wieder zu einem Speer verlängerte und die Aschewolke mit einem Windstoß beiseitefegte.
Lykaon war schon einige hundert Meter entfernt, auf allen Vieren rannte er in Richtung Osten, wobei er leicht humpelte.
Ich ließ meine Schultern rollen um die Muskultur zu entspannen, hob meinen Speer und visierte den Werwolf an.
Langsam atmete ich ein und ließ den Atem ebenso langsam wieder aus meiner Lunge strömen, ehe ich den Speer mit aller Kraft schleuderte.
Die goldene Waffe zog einen kometengleichen Schweif aus Flammen hinter sich her, bevor sich die Speerspitze in den Rücken der Bestie bohrte und sie am Boden festnagelte.
Ich breitete meine Flügel aus, erhob mich schwerfällig in die Lüfte und landete direkt neben Lykaon, der mich aus seinen gelben Augen anfunkelte.
Der Speer hatte sein Rückgrat durchtrennt und die Klinge in seinem Fleisch verhinderte, dass Lykaon sich heilte. Ich zog Gladys, setzte dem Werwolf die Mündung zwischen die Augen und fragte leise: "Wo ist Ares?"
Der Wolf knurrte wütend und erwiderte: "Du wirst ihn noch früh genug kennen lernen, aber von mir erfährst du nichts!"
"Wie du meinst, Köter", antwortete ich kalt und drückte ab. Die Kugel aus geweihtem Silber hinterließ ein hässliches Loch und der Körper Lykaons sackte leblos zusammen.
Ich hätte ihn foltern können, in der Hölle hatte ich das oft genug getan, aber es erschien mir falsch das hier zu tun, an diesem Ort.
Lykaon verwandelte sich langsam in Staub, der sich mit der grauen Asche vermischte, zurück blieb nur ein einzelner Zahn, den ich mit dem Fuß tiefer in die Asche rammte.
Langsam wandte ich mich nochmal in Richtung des Hibiskus, während ich meine Pistole zurück ins Holster schob und in einem kleinen Flammenstoß verschwand mein Speer.
In Gedanken erneuerte ich meinen Schwur, die Götter zu vernichten und Emilias Tod zu rächen. Und wenn es das Letzte war, was ich tat, die Götter würden für all das büßen.
Die Wunde an meiner Hüfte war inzwischen vollständig verheilt, es war an der Zeit zurückzukehren und Pläne zu schmieden.
Mein Blick fiel auf die Leichen, die ich hinterlassen hatte und ich stampfte einige Meter durch die Asche, bis ich nah genug war.
Ohne weiter darüber nachzudenken, richtete ich meine Handfläche nacheinander auf die Leichen und verbrannte sie restlos zu Asche, die sich mit der meiner gefallenen Freunde vermischte. Das musste reichen.
Ich zurrte die Gurte meines Halfters fest und lief los, während ich mir leicht hustend eine Zigarette anzündete, zurück zu dem Motorrad, das ich vorhin liegen gelassen hatte.
Was ich jetzt aber wirklich dringend brauchte, waren ein Drink und eine Dusche.

Etwa eine Stunde später saß ich einer der Ecknischen der Bar, mit einer großen Schüssel Eintopf und einer Scheibe Brot vor mir.
Meine Haare waren noch etwas feucht vom Duschen, lange hatte ich heißes Wasser über mich strömen lassen, hatte gegen die Tränen angekämpft und mich in Erinnerungen an Emilia und meine Freunde verloren.
In Gedanken versunken schaufelte ich mir einen weiteren Löffel Eintopf in den Mund und betrachtete anschließend mein Gesicht in der Oberfläche des Löffels.
Die Narbe, die ich durch Lykaons Kralle davongetragen hatte, war deutlich größer als anfangs vermutet, sie begann knapp über der rechten Augenbraue und zog sich dann fast bis zu meinem Kiefernkochen hinunter, knapp an meinem Mundwinkel vorbei.
Und im Gegensatz zu meinen restlichen Narben war diese nicht silbrig, sondern hatte einen dunklen Rotton, der einen starken Kontrast zu meinen blauen Augen bildete. Doch die Narbe schien auch einen gewissen Eindruck auf die anderen zu machen, Perrys Leute hatten mich zwar schon vorhin immer wieder angestarrt, doch nun hatten ihre Blicke schon fast etwas Ehrfürchtiges und sie mieden jeglichen Blickkontakt.
Jack rutschte zu mir in die Ecknische und schob Nero beiseite, um sich Platz zu machen.
"Nath?", fragte er leise. "Ist alles… in Ordnung?"
"Nein", antwortete ich. "Sie sind tot, Jack. Die meisten, die mir etwas bedeutet haben, wurden von den Göttern ermordet."
"Du sinnst auf Rache, nicht wahr?"
Langsam legte ich den Löffel neben die halbleere Schüssel und nickte stumm, ehe ich die, ebenfalls halbleere, Flasche billigen Scotch ergriff.
Neben uns erklang ein leises Räuspern und als ich den Kopf drehte, erblickte ich Perry in Begleitung einer jungen Vampirin.
"Kleiner, ich möchte dir jemanden vorstellen", setzte der Magier an und deutete auf die Vampirin.
"Das ist Veronica. Leider kann ich dir nicht wirklich weiter helfen, aber Nicky hier vielleicht schon."
Ich nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche und musterte die Vampirin. Ihrem Aussehen nach war sie kaum älter als ich und der Hunger in ihren Augen war noch nicht so ausgeprägt wie bei älteren Vertretern ihrer Art, vermutlich war ihre Verwandlung noch keine drei Jahre her.
Ich bedeutete ihr sich zu setzen und mit einem nervösen Lächeln zog sich Veronica eine Stuhl heran.
"Womit denkst du, kannst du uns helfen?"
"Es gibt da einen Typen", begann sie mit stockender Stimme. "Er ist ziemlich verrückt, aber auch irgendwie genial, jedenfalls denke ich, dass er dir helfen kann."
"Womit helfen?", fragte ich, ein klein wenig lauter als zuvor.
Die Vampirin wurde noch ein wenig bleicher, als sie es ohnehin schon war und fuhr hastig fort:
"Der Kerl ist ein Verschwörungsfanatiker, hat sich schon seit Jahren auf die Apokalypse vorbereitet, aber immer gedacht, dass Aliens sie verursachen würden. Und jetzt sammelt er alles an Informationen über die Götter in Amerika, was er nur finden kann. Wenn jemand weiß, wo Ares steckt, dann ist er es."
Nun hatte sie mein Interesse endgültig geweckt.
"Wo finde ich diesen Mann und wie heißt er?", hakte ich nach, während ich mir eine Zigarette anzündete.
"Er ist in L.A., er und seine Gruppe haben ihr Lager in einer verlassenen Highschool aufgeschlagen, in der Nähe des Flughafens."
Sie kramte in der Tasche ihrer Hose und zog eine zerknitterte Karte hervor, einen Stadtplan von Los Angeles, auf den sie mit zittrigen Fingern einen Kreis einzeichnete.
"Hier sollte das Lager sein. Wenn du da bist, frag nach Frank. Frank O'Brien."

GötterdämmerungWhere stories live. Discover now