Kapitel 6

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♤NATH♤ 

"Wie wäre es damit?", fragte Jack und setzte sich eine neongrüne Bommelmütze auf.
"Etwas auffällig.", erwiderte ich und packte ein paar Klamotten in meine Tasche. Unterwäsche, T-Shirts und ein paar Pullover.
Das war zwar mehr als diplomatisch ausgedrückt, aber der Dämon trug schließlich auch eine Pyjamahose mit Entchenmuster.
"Gut", meinte Jack grinsend und schlüpfte in eine schlichte, graue Kapuzenjacke.
In diesem Moment kam Nero durch die zerbrochene Glastür und maunzte: "Ich hab da einen Laden gefunden, wo noch einige Konserven rumstehen."
Ich nickte dem Kater zu und folgte ihm zurück auf die Gänge der Mall.
Nachdem wir sie vor knapp einer halben Stunde erreicht hatten, hatten wir feststellen müssen, dass die meisten Läden bereits geplündert worden waren.
Vermutlich durch Überlebende von… was auch immer hier los war.
Es roch ziemlich übel, die Quelle war ziemlich leicht festzustellen gewesen, der Geruch stammte sowohl von verdorbenen Lebensmitteln, als auch aus einem Raum im Keller, in dem jemand dutzende Leichen aufgeschichtet und anschließend die Türen mit einer massiven Kette verschlossen hatte.
Sicherheitshalber hatten wir die Türen wieder verschlossen, zu deutlich waren mir Richards Worte über Infizierte im Kopf geblieben.
Und nun waren wir auf die Suche nach brauchbarem Zeug gegangen.
Alkohol, Klamotten, Nahrung.
Was auch immer man zum Überleben während einer Apokalypse brauchte.

Eine halbe Stunde später saßen wir auf der Dachterasse der Mall, Jack und Nero waren mit zwei Dosen Ravioli beschäftigt, während ich mit Nähen beschäftigt war.
"Scheiß drauf", murmelte ich, und rammte mir kurzerhand die Nadel in jeden Finger meiner rechten Hand, die sofort die schützenden Narben bildeten.
Die Finger links waren allesamt ziemlich zerstochen, aber zum Glück heilte ich ja schnell.
Rasch setzte ich die letzten Stiche, verknotete den Faden und betrachtete mein Werk.
"Ist die Kapuze echt nötig?", fragte Jack und legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Ja.", erwiderte ich schmunzelnd, steckte das Nähzeug weg und stand auf, während ich den Mantel wieder anzog.
"Schützt bei Regen und verhindert, dass ich von jedem erkannt werde. In der Hölle habe ich zumindest für das zweite die Schatten benutzt, aber das ist ja nicht mehr möglich.
"Wir haben ein Problem", mischte sich Nero ein, der bis eben auf der Brüstung der Terasse gehockt hatte,um die Kreuzung vor dem Einkaufszentrum zu beobachten.
Nun war er auf einen der Tische gesprungen und starrte in den Gang, aus dem wir gekommen waren.
Ein gutes Dutzend… Kreaturen torkelte auf uns zu, ungelenk und doch zielstrebig.
"Was zum…?", murmelte ich und tastete nach meinem Dolch, blieb aber trotzdem wie angewurzelt stehen.
Die Haut dieser Kreaturen war rot und fleckig, an einigen Stellen warf sie eitrige Blasen und den Geräuschen nach litten sie unglaubliche Schmerzen.
Aus ihren Mündern ragten spitze Reißzähne, von denen gründlicher Geifer tropfte.
Einige von ihnen hatten hornartige Auswüchse an Kopf und Oberkörper, bei anderen sprossen verkümmerte Flügel aus den Schulterblättern und es vergingen einige, schreckliche Sekunden, bis ich realisierte, dass es sich bei diesen Kreaturen um Menschen handelte.
Oder zumindest waren sie einst Menschen gewesen.
Hier und da erblickte ich Haarsträhnen, einer der Vorderen trug sogar eine Armbanduhr und an zwei weiteren konnte ich die Überreste von Overalls feststellen.
Waren das die Infizierten, von denen Richard gesprochen hatte?
Und wovon waren sie infiziert worden?
Ich spürte zwar eine schwache, dämonische Aura, aber die war momentam überall zu spüren, was nicht zuletzt an Jack lag, der gerade mal zwei Meter neben mir stand.
"Jack", flüsterte ich. "Wir sollten leise sein, wer weiß, ob noch mehr von denen in der Gegend sind. Und lass einen von ihnen am Leben."
Langsam nickte der Dämon, griff nach Lucinda und packte die Waffe mit beiden Händen.
In den letzten Monaten hatte er gelernt meinem Urteil zu vertrauen und meine Anweisungen zu befolgen, ohne Fragen zu stellen.
Doch ehe wir uns einen Plan zurecht legen konnten, griffen die Kreaturen an.
Dann eben so.
Ich stürzte vor, riss meinen Dolch hoch und schlitzte dem ersten Angreifer den Bauch auf, eher ich die Klinge ins Auge einer anderen Kreatur rammte.
Aus den Augenwinkeln sah ich Jack, dessen Axt leicht glühte, während er einen Feind nach dem anderen fällte.
Ich packte die Kreatur, die mir am nächsten stand, warf sie hinter mich, wo Jack bereit stand und ihr mit einem breiten Grinsen beide Arme abhackte.
Nur wenige Sekunden und zwei gezielte Stiche später waren die Kreaturen tot und ihr helles Blut lief in die Fugen des Fliesenbodens.
Ich schüttelte das Blut von meiner Klinge, steckte den Dolch weg und wandte mich zu dem wehrlosen Mutanten um.
"Was bist du bloß?", murmelte ich und ging vor dem Wesen in die Hocke.
"Ist es dämonischen Ursprungs, ein Fluch, oder ein Zauber der nach hinten losgegangen ist?", fragte Nero und schnupperte neugierig.
"Das werde ich jetzt heraus finden.", erwiderte ich und streckte meine Hand aus, um die Stirn des Wesens zu berühren, als ein greller Lichtblitz mich zurück zucken ließ.
Ein Pfeil aus reinen, göttlichen Flammen steckte in der Brust der Kreatur, verzehrte sie von innen und hinterließ kaum mehr als ein Häufchen Asche.
Ich schnellte hoch und in einer einzigen, fließenden Bewegung zog ich Gladys und drehte mich um.
"Wer bist du?", rief ich und richtete meine Waffe auf das Gesicht des Mannes, der auf dem Dach der Mall stand und einen goldenen Bogen in Händen hielt.
"Das war gar nicht mal so übel", erwiderte dieser, ließ seinen Bogen in einem zweiten, deutlich kleineren Lichtblitz verschwinden und sprang elegant vom Dach.
Der Mann trug einen schlichten Wüstentarnanzug und auch seine geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen muteten militärisch an.
Seine schwarzen Haare waren kurz geschoren und seine dunklen Augen blickten ernst drein, passend zu seinem von Sorge zerfurchten Gesicht, was von seinen hohen Wangenknochen untermalt wurde.
"Ein sprechender Kater, ein Dämon und ein Junge mit beeindruckend Reflexen…", sagte der Mann und richtete den Rucksack auf seinem Rücken.
"Wer. Bist. Du?", knurrte ich leise und trat einen Schritt auf den Unbekannten zu.
Ich spürte eine ziemlich starke Aura, die mir irgendwie bekannt vorkam, aber ich war mir nicht sicher woher.
Und bis dahin stellte dieser Kerl eine Bedrohung für mich dar.
"Ich gehöre zum Widerstand", sagte er schließlich nach einigen Sekunden und ein Flimmern umgab seine Fingerspitzen.
"Und ich vermute, dass ihr den neuen Göttern dient. Wer hat euch geschickt? Ares?"
Ich lachte leise, doch es hatte einen bitten Nachgeschmack.
Mit einer Handbewegung bedeutete ich Jack seine Axt zu senken und steckte meine Pistole weg, ehe ich antwortete.
"Nein. Ares schickt uns nicht, im Gegenteil. Es ist vielmehr so, dass ich den Gott des Krieges suche, um eine Rechnung zu begleichen. Mein Name ist Nathaniel Black."
Der Unbekannte schien erleichtert und er entspannte sich merklich.
Er streckte mir die Hand entgegen und ich schüttelte sie kurz, dann nickte er Jack und Nero zu.
"Also gut", sagte Ajax.
"Lasst mich mich vorstellen. Meine Name ist Ajax, Wirt des Ra, des Sonnengottes und König alles Existenz. Aber Ajax reicht vollkommen. Was genau führt euch ins eins wundervolle Los Angeles?"
Nun meldete sich Jack zu Wort.
"Wir suchen jemanden", sagte er und hängte sich seine Axt über die Schulter.
"Frank O'Brien. Eine Vampirin namens Victoria sagte uns, dieser Frank könne uns dabei helfen, Ares zu finden."
Der Wirt des Ra grinste breit, bedeutete uns ihm zu folgen und sagte: "Ich bringe euch zu ihm. Aber ich sollte euch warnen, entweder ist Frank high bis in die Haarspitzen, oder er ist ein richtiges Arschloch. Der Verlust seiner Nichte hat ihn sehr getroffen."
Ich nickte verständnisvoll, schnappte mir meine Sachen und folgte Ajax.
Bald, bald würde ich meine Rache bekommen.
Doch zuerst wollte ich Antworten.

GötterdämmerungWhere stories live. Discover now