Kapitel 7

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♤NATH♤ 

"Du heißt also wirklich Ajax?", fragte ich den Wirt.
"Es ist mehr ein… Künstlername. Eine Tarnung", kam wenige Sekunden später die mürrische Antwort.
"Du hast dich nach einem Scheuermittel benannt?", fragte Jack stirnrunzelnd.
"Nach dem griechischen Helden", erwiderte Ajax trocken und deutete auf eine Nebengasse. "Da durch, dann sind wir da."
Er rückte den großen Seesack auf seiner Schulter zurecht und ging voraus.
"Wurde ja auch langsam Zeit", murmelte Nero und in Gedanken gab ich ihm Recht. Seit knapp einer Stunde liefen wir durch L.A., zwei mal waren wir sogar Infizierten begegnet, die wir jedoch problemlos hatten ausschalten können.
Vorsichtig folgten wir dem Wirt. Ich spürte zwar, dass er uns nicht Böse gesinnt war, aber in der Hölle hatte ich gelernt auf Nummer sicher zu gehen.
Ajax war schon am Ende der Gasse angelangt und winkte uns ungeduldig zu, während er jemandem mit der anderen Hand ein Zeichen zu geben schien.
Wir traten aus der Gasse und überrascht stieß ich einen leisen Pfiff aus.
"Nicht übel", merkte ich an und betrachtete den über zehn Meter hohen Maschendrahtzaun, der mit Eisenstangen verstärkt war. Dicker Stacheldraht verhinderte, dass jemand darüber kletterte und auf den meisten Gebäuden dahinter standen provisorische Wachtürme mit Scharfschützen darin.
Vor uns lag ein großes, schmiedeeisernes Tor, dass soeben von einem Mann mit schütterem, braunen Haar einen Spalt breit geöffnet wurde.
"Beeilt euch!", rief er.
"Sally wartet schon eine Ewigkeit auf dich, wo hast du gesteckt?"
"Ich hab neue Freunde gefunden", entgegnete der Wirt mit einem herzhaften Lachen.
"Ein Kind, ein Typ mit Sonnenbrand und ein Kätzchen? Du suchst dir echt seltsame Freunde aus, Ajax."
Neros Schnurrhaare zuckten, doch ich warf ihm einen scharfen Blick zu und der Kater schwieg. Mehr Aufmerksamkeit konnten wir nicht gebrauchen, bis ich mit Frank gesprochen hatte.
"Kommt mit", sagte Ajax, während das Tor hinter uns geschlossen wurde und ging auf den Haupteingang der Schule zu.
Es war ein recht schöner Gebäudekomplex, zweistöckig, in einem angenehmen Rotton gestrichen und es sah aus, als könnte jeden Moment eine Schulklingel ertönen, gefolgt von hunderten Schülern, die sich auf zuhause freuten.
Diese Illusion wurde allerdings gestört von den Gitterstäben vor den Fenstern und den Glastüren, die durch massive Stahltüren ersetzt worden waren, die langsam, aber lautlos aufschwangen, als wir uns näherten.
Wir traten ins Foyer und wurden von einer älteren Dame von etwa fünfzig Jahren in Empfang genommen.
Sie lächelte herzlich, und strich sich eine ergraute Strähne aus dem Haar. Ihre Kleidung war schlicht, aber praktisch und ihre Augen funkelten freundlich, aber forschend.
"Da bist du ja", rügte sie Ajax. "Hast du, worum ich dich gebeten habe?"
Der Wirt nickte und reichte ihr seinen Seesack.
"Verbandszeug, Gewürze und auch ein paar von den Sachen, die Frank wollte."
"Gut. Und wer sind diese Leute?"
Ihr Blick wanderte zu mir, zuckte kurz zu dem Dolchgriff über meiner Schulter und der Pistole an meinem Oberschenkel, ehe er auf Jack und Nero fiel.
"Sally, die drei hier wollen zu Frank. Es ist wichtig."
Sally schmunzelte leicht und sagte: "Die 'drei'. Was will denn die Katze von Frank?"
"Die Katze will Antworten", erwiderte Nero trocken und Sally stieß einen kurzen, spitzen Schrei der Überraschung aus, ehe sie sich fing und zu lachen begann.
"Oh, das wird Frankie gefallen. Ajax, sei so lieb und bring sie zu ihm, er ist im Labor. Ich werde nur eben die Vorräte ins Lager bringen."
Die ältere Dame machte sich davon und erneut bedeutete Ajax uns, ihm zu folgen.
"Sally ist so was wie die Mutter dieser Gruppe", erklärte er, während wir eine Treppe hinauf stiegen und durch einen breiten Gang liefen.
"Ich meine, offiziell hat Frank das Sagen, aber jeder weiß, wer den Laden hier schmeißt. Frank macht die Pläne, baut Waffen und erfindet praktische Sachen, aber Sally hält uns zusammen."
Unwillkürlich lächelte ich ein wenig, aber es fühlte sich schmerzhaft an. Wie eine große Familie.
Etwas, das ich nicht hatte. Zumindest nicht mehr.
Bevor diese Gedanken mich weiter zerfressen konnten, erklang irgendwo vor uns ein schrilles Fauchen und eine Art Explosion.
Alarmiert griff ich nach meinem Dolch, da flog eine Tür auf und ein Mann in einem fleckigen Laborkittel stolperte auf den Flur, dicht gefolgt von einem kleinen Dämon, der auf den Unbekannten zuflog.
Ich reagierte im Bruchteil einer Sekunde, schoss an Ajax vorbei, sprang über den Mann im Kittel, packte den Dämon am Hals ehe ich ihn gegen die Wand presste und meinen Dolch zückte.
"Wer bist du?", knurrte ich und presste ihm die mitternachtsschwarze Klinge an die blassgraue Haut.
"Das ist Craig", sagte der Typ am Boden und rappelte sich hustend auf. "Er ist ein Freund und ich fände es sehr freundlich, wenn du ihm nicht die Kehle durchschneidest."
Ich ließ den Dämon los, welcher zu Boden fiel und sich schüttelte.
Er war sehr klein, reichte mir gerade mal bis zur Hüfte, hatte einen leichten Unterbiss, stechende, gelbe Augen und Fledermausohren. Zwischen seinen Handgelenken und den Knöcheln seiner dünnen Beine spannte sich eine Flughaut, was den Eindruck einer dürren Fledermaus noch verstärkte.
"Frank O'Brien. Wissenschaftler, Erfinder und seit kurzem Magier", stellte sich der Mann vor und nun musterte ich ihn ein wenig genauer.
Er schien etwa Mitte vierzig zu sein, doch sein zerfurchtes Gesicht und seine grauen, wild abstehenden Haare ließen ihn deutlich älter wirken. Unter dem Kittel trug er einen rosa Strickpulli und seine Jeans waren voller Brandlöcher, ebenso wie seine hellgelben Turnschuhe.
"Nathaniel Black", erwiderte ich und steckte meinen Dolch wieder weg.
"Ha!", entfuhr es Frank.
"Das ist wirklich… bemerkenswert. Ich habe bereits von dir gehört, aber ich dachte du seist… größer. Oder auch älter. Aber das macht alles nur noch interessanter."
Ajax runzelte die Stirn, aber Frank hob die Hand.
"Nicht jetzt. Bitte hilf Sally, ich denke, Nathaniel und ich haben einiges zu besprechen."
Widerwillig nickte der Wirt, verabschiedete sich knapp von uns und kehrte um.
Ein Soldat durch und durch.
"Kommt rein, kommt rein", meinte Frank, zog eine kleine Fernbedienung aus der Tasche und drückte mehrere Knöpfe, woraufhin ein halbes Dutzend Dunstabzugshauben erklangen und den Raum von dem dichten Qualm befreiten.
"Darf ich euch etwas anbieten?", fragte der Wissenschaftler und ging in den Raum, den ich nun als das Labor der Schule erkannte, voller Bunsenbrenner, Glaskolben und allerhand anderem Zeug.
"Kaffee? Alkohol? Irgendwo sollte ich auch noch Meth oder so liegen haben."
Craig, der Dämon, flatterte ihm hinterher und ließ sich auf einem Tisch nieder.
"Komm schon, Frankie. Du hast es versprochen", meinte er in einem fast schon flehenden Tonfall.
Ich folgte dem Duo, dicht hinter mir waren Nero und Jack.
Frank warf Craig ein kleines Päckchen aus Alufolie zu und wenige Sekunden später erklang ein Geräusch, dass genauso gut von einem Industriestaubsauger mit Schnupfen hätte kommen können.
"Kaffee und einen Scotch, falls du welchen hast", sagte ich und ließ mich auf ein durchgesessenes Sofa fallen vor dem ein schmutziger Glastisch stand, während Jack anfing zu fluchen.
Sein Ilussionszauber verblasste und enthüllte seine wahre Gestalt, seine Haut wurde immer röter und die gewaltigen Hörner sprossen aus seiner Stirn.
Craig drehte seinen Kopf langsam in unsere Richtung und ich sah weißes Pulver unter seiner Nase, während sich Frank in der Ecke des Labors an einer Kaffeemaschine zu schaffen machte.
Toll, ein drogensüchtiger Dämon. Als wäre dieser Tag nicht schon merkwürdig genug.
Craig fluchte nun ebenfalls derbe und sagte: "Leck mich am Arsch, bist du es Jack, du verfickter Hurenbock?"
Seine von Drogen befeuerte Stimme wurde dabei immer schneller, wobei sie sich fast überschlug.
"Hast du eine Ahnung wie viel Kohle du mir schuldest?"
Jack hob abwehrend die Hände und grinste unschuldig.
"Hey, warst du im vergangenen Jahr nicht in der Hölle? Luzifer hat alle meine Schulden bezahlt."
Wieder fluchte Craig und Frank näherte sich uns, ein kleines Tablett mit zwei Tassen, ein paar Gläsern und einer Flasche Scotch darauf. Er stellte das Tablett hin, nahm sich eine der Tassen und reichte mir die zweite, während er die Gläser vor Nero und Jack stellte und dessen Natur mit keinem Wort kommentierte.
"Nun gut", begann er und ließ sich in einen zerschlissenen Sessel sinken, während ich reichlich Zucker in meinen Kaffee schaufelte und mit einem fragenden Blick meine Zigaretten auf den Tisch legte.
Frank beantwortete die stumme Frage mit einem Nicken, ehe er fortfuhr: "Ich habe einige Fragen an dich, die meisten arkaner Natur, aber ich kann mir vorstellen, dass du auch einige Fragen hast."
Ich zündete mir eine Zigarette an, trank einen Schluck Kaffee und schwieg einen Moment.
Dann fragte ich: "Woher weißt du, wer ich bin?"
"Eine sehr gute Frage. Simpel, aber nachvollziehbar. Ich kenne dich, weil jeder Magier und jedes magische Wesen auf diesem Planeten von Nathaniel Black spricht, oder vielmehr flüstert. Der schwarze Engel. Das Monster, das Monster tötet. Erbe des beinernen Thrones. So viele Namen, so viele Geschichten. Angeblich hast du mit dem Tod selbst einen Pakt geschlossen."
"Das stimmt sogar", schmunzelte ich.
"Nächste Frage. Die Infizierten. Was genau sind sie? Ich sah einen Mann, der sich umbrachte, nur weil er gebissen wurde."
Franks Miene wurde ernst und er stellte die Tasse ab. Langsam zog er einen kleine Holzpfeife aus der Tasche und zündete sie mit einem Streichholz an.
"Es ist… kompliziert", sagte er leise. "Aber ich versuche es einfach zu halten. Was sind sie? Bis vor wenigen Monaten waren sie Menschen, bis zum Ende dieser Welt. Die gefallene Götter, sie erschufen Soldaten, die mächtiger sein sollten als alle zuvor, und das gelang. Zumindest bei einigen. Viele starben bei den Versuchen, das Dämonenblut verbrannte ihre Seelen und tötete sie einfach, andere hatten weniger Glück. Sie veränderten sich, das Blut verwandelte sie. Der daraus resultierende Schmerz ließ sie wahnsinnig werden, sie griffen jedes menschliche Wesen gnadenlos an und die Götter… die scherte es nicht. Sie saßen in ihren eroberten Städten und schickten die Verwandelten gen Osten, zu uns, zu den Überlebenden."
"Und ihr Biss?", hakte ich nach.
"Wer gebissen wird, der verwandelt sich", antwortete Frank nüchtern. "Es tut wohl scheiße weh und man verliert den Verstand. Die ersten Veränderungen setzen nach etwa einer Stunde ein, nach drei weiteren ist die Verwandlung abgeschlossen.
Ich untersuchen diese Wesen seit ich das erste Mal auf sie gestoßen bin. Wir haben sie 'Informi' getauft."
"Wie passend", sagte ich trocken. "Abgeleitet vom lateinischen Wort für 'hässlich'?"
Der Wissenschaftler nickte erneut und ich nahm eine tiefen Zug von meiner Zigarette, ehe ich meine nächste Frage stellte.
"Frank, was ist passiert, während ich weg war? Was ist in den letzten Monaten geschehen? Und wie konnten die Götter so mächtig werden?"
Nun seufzte der Mann in dem schmuddeligen Kittel und schenkte sich ein Glas Scotch ein, ehe er mir die Flasche rüberschob.
"Das wirst du brauchen. Es ist nicht meine Geschichte, aber ich kenne sie dennoch, zum Teil von meiner Nichte, zum Teil von Magiern, die hier und da etwas aufgeschnappt haben.
Im Grunde geht es um ein paar falsche Entscheidungen, die zum Ende der Welt führten und eine junge Frau, die mit all dem nichts zu tun haben wollte."
Neugierig lehnte ich mich vor, nahm mir die Flasche, ließ meine Zigarette in die leere Kaffeetasse fallen und zündete mir eine neue an.
Frank trank sein Glas in einem Zug leer, schüttelte kurz den Kopf und sah mich dann aus seinen blaugrauen Augen an.
"Nathaniel, hast du schon mal von einer Unsterblichen namens Hel Jordan gehört?"

INFO:
Dies ist vorerst das letzte Kapitel, da Ankh erst abgeschlossen sein muss und am Freitag Monster Hunter World rauskommt, was mein gesamtes Sozialleben verschlingen wird.
Wann genau ist weitergeht, ist noch nicht sicher.

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⏰ Last updated: Jan 24, 2018 ⏰

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