Der letzte Ritt des schwarzen Herzogs

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16te Juni 1815, auf der Straße von Brüssel

Es war heiß an diesem Tag im Juni. Staub wurde von tausenden Stiefeln aufgewirbelt, deren Besitzer mit müden Gesichtern gen Süden marschierten. Seit Stunden waren sie auf den Beinen, seit sie in Brüssel die Nachricht zum Aufbruch erhalten hatten. Es hatte Zeit gebraucht, bis sich das Braunschweigische Leibbataillon seiner Hoheit, dem Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels, in den überfüllten Straßen der niederländischen Stadt hatte sammeln können. Soldaten hatten versucht ihre Einheiten zu finden, Diener waren ihren Herren hinterhergehetzt und Familien hatten sich von ihren davonziehenden Männern verabschiedet.

Doch all dies war nun Vergangenheit, sie marschierten und bereiteten sich darauf vor, eine Schlacht zu schlagen. Für einige würde es die Erste sein und sie versuchten ihr Zittern und ihre Angst vor denen zu verbergen, die schon früher gekämpft hatten, als sie noch zur Schwarzen Schar gehört und unter Wellington auf der iberischen Halbinsel gedient hatten.

Ab und zu sahen sie nur auf ihren Befehlshaber, denn solange dieser ruhig auf seinem Pferd saß, hatten sie nichts zu befürchten.

Doch der Herzog von Braunschweig war nicht ganz so gelassen, wie er sich gab. Zwar war dies nicht die erste Schlacht, die er schlug, doch wusste er, wie entscheidend diese war. Wenn es den vereinigten britischen Truppen gelingen würde, den General Ney hier zu schlagen, würden sie Napoleons Truppen, die in der Nähe gegen die Preußen kämpften, in der Flanke angreifen können und die Franzosen endgültig besiegen. Nichts schmeckte süßer als ein Sieg gegen die verhassten Froschfresser und ihren Kaiser, der ihm alles genommen hatte. Seinen Vater, der vor Jahren in der Schlacht von Jena und Auerstedt tödlich verwundet worden war, sein Herzogtum war Napoleons Bruder zugeschoben worden und seine geliebte, wunderschöne Marie hatte im Exil ihr Grab gefunden. Es war ihm nicht möglich, ohne Wehmut und Zorn an den Moment zu denken, als er von ihrem Tode erfahren hatte. Welch geringer Trost war es, dass sie immerhin in den Ländern ihrer Kindheit ihren letzten Ruheort erhalten hatte! Und seine beiden Söhne, die er jetzt, mehr denn je vermisste, wuchsen fern der Heimat in London auf. Erst vor kurzem, am 22ten Dezember 1814, waren sie zurückgekehrt in das Herzogtum, dessen Freiheit mit dem Blut vieler Männer erkauft worden war und dass sein Ältester, so Gott wollte, erben würde.

Nun galt es zu verhindern, dass der französische Kaiser, der nach seiner Flucht aus der Verbannung von den Franzosen mit offenen Armen empfangen worden war, sich erneut Braunschweig zuwandte.

Er hob sein Fernrohr und blickte nach Süden.

Zu ihrer rechten lag ein dichter Wald, der die linke Flanke ihrer Armee ohne Zweifel hervorragend schützen würde. Dichte Getreidefelder breiteten sich vor ihnen aus, zwischen ihnen waren einzelne Bauernhäuser aus massivem Stein zu erkennen und der Herzog, den man den Schwarzen nannte, hoffte sehr, dass es ihre Seite war, die diese Häuser hielt. Dichter Geschützqualm hing über dem Schlachtfeld und machte weitere Entdeckungen unmöglich.

In diesem Moment trieb ein Reiter sein Pferd an der Straße vorbei, entdeckte Friedrich Wilhelm und hielt neben ihm an.

„Gut, dass ihr kommt, Herzog Friedrich Wilhelm", erklärte der Rotrock, den der Braunschweiger als Alexander Gordon erkannte, den Adjutanten des Duke „Der Duke of Wellington dankt Euch für das Vorausschicken eines Eurer Infanterie-Bataillone. Er bittet Euch, mit Euren Männern vorerst Pictons Stellungen bei Quatre-Bras anzuschließen. Bezieht möglichst vor Quatre-Bras Stellung und versucht den Wald zur linken Flanke der Franzosen zu halten"

Der Herzog nickte knapp. Er war froh von Picton zu hören, dem reizbaren Waliser, der seine Männer so zuverlässig führte.

„Wie ist die Lage?", fragte er, als Gordon sein müdes Pferd schon weitertreiben wollte.

Mythen aus Silber und LichtWhere stories live. Discover now