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Labor 13

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Labor 13  

Walhalla 23 

28.10.2158, 02:38 Uhr, Ehemaliges Deutschland


„Hey! Wach auf."

Die Worte drangen nur langsam in das Bewusstsein des Schläfers vor, klangen blechern und dumpf, so als befände er sich unter Wasser. Er war müde. So müde. Wollte sich zusammenrollen und schlafen, träumen von ...

„Wach auf!"

Etwas stach ihn. Ein unbedeutender Schmerz, gleich dem Biss einer Mücke, doch ihm folgte eine Welle Energie, die wie Feuer durch seine Adern brandete. Sein Herz begann zu hämmern und die Müdigkeit glitt von ihm wie eine Decke. Innerhalb von Sekunden fühlte er sich nicht mehr warm und geborgen, sondern schleimig und nass.

Seine Augen öffneten sich einen Spalt, schlossen sich jedoch angesichts des grellen Neonlichts sofort wieder. Er stöhnte, fluchte leise und hob die rechte Hand um seine Augen abzuschotten. Dabei floss ihm etwas ins Gesicht und er blinzelte. Es war rosa Schleim. Seine Hand, ja sein ganzer Arm troff davon. Er blickte an sich herunter und seine Augen weiteten sich, als er sah, dass er vollkommen nackt war und dass das widerliche Zeug seinen ganzen Körper bedeckte.

„Was zum...?", stammelte er und richtete sich in eine sitzende Position auf. 

Angeekelt wischte er sich ganze Hände voll Schleim ab und schleuderte ihn zu Boden. Die Substanz war warm und klebrig, wie Rotz, und verströmte einen beißenden, chemischen Geruch. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die grelle Umgebung und er sah, dass er in einer großen Pfütze der Substanz saß. Ihr Ursprung war ein aufrecht stehender gläserner Sarkophag. Dieses Ungetüm stand nur zwei Schritte von ihm entfernt – ein bedrohlicher Monolith, von dem sich armdicke Röhren zu Wänden und Decke zogen. Er war leer, abgesehen von einer pinken Schleimschicht sowie Schläuchen und Drähten, die von seinen Innenwänden herab hingen wie tote Schlangen. Es dämmerte ihm, dass er sich bis vor kurzem in diesem Ding befunden haben musste. Ein verstörender Gedanke.

In einem überwältigenden Drang, von dem Ding wegzukommen, begann er nach hinten zu rutschen. Er zuckte erschrocken, als sein Rücken nach nur zwei Schritten gegen eine kalte Wand stieß.

Wo zur Hölle bin ich?

Er sah sich gehetzt um. Der Raum war nur knapp viermal vier Meter groß, mit hoher Decke und silbergrauen Stahlwänden. Er zitterte; sein Atem materialisierte sich als weiße Wolke vor seinem Gesicht. Dampf hob sich von dem Schleim und vernebelte die Luft.

„Langsam, langsam", erklang eine blecherne Stimme, deren Ursprung er zu einem Lautsprecher an der Decke zurückverfolgte. „Du hast sehr lange geschlafen."

„Verdammte Axt! Was zur Hölle ist hier los?", knurrte der Schläfer und stemmte sich mühsam hoch. Jeder Muskel, jeder Knochen schmerzte und seine Kehle fühlte sich an, als hätte er versucht, Stahlwolle zu schlucken. Und genauso klang er auch.

Die Anstrengung erwies sich als zu stark und die Welt verdunkelte sich. Fluchend stützte er sich gegen die Wand. Als sich sein Blick klärte, sah er einen großen, aschfahlen und stark vernarbten Mann, der ihn durch ein Sichtfenster anstarrte. Der Fremde hatte die Art funktionale, kompakte Muskulatur, die man durch konstante, harte Nutzung und Erprobung erlangt, anstatt durch Training. Das Gesicht war grimmig: lang, breit und kantig, fast schon brutal und gezeichnet von Wundmalen, die uneben verheilt waren. Der Mund war eine starre Linie, die tief in den Höhlen ruhenden Augen kalt und unnachgiebig. Nicht die Art Kerl, mit der man sich anlegen wollte. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass er sein eigenes Spiegelbild anstarrte.

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