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Love is a burning thing

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Anskar war entspannt, fast sogar glücklich.

Ein Teil von ihm machte sich deswegen Sorgen. Er wusste sehr wohl, dass sich sein Herz in dieser verstörenden Situation anfühlen sollte wie ein außer Kontrolle geratener Presslufthammer. Doch da war keine Sorge. Nur eine wohlige Wärme, die sein Innerstes erfüllte. Ein Gefühl, das sich intensivierte, als seine Augen über Leonora streichelten. Ein verträumtes Lächeln machte sich auf seinen Zügen breit und er riss sich widerwillig von ihrem Anblick los. Er konzentrierte sich – wenn auch mit Schwierigkeiten – auf seine Umgebung.

Die Gänge, durch die Leonora ihn führte, glichen ovalen Röhren aus grauem Stahl und Beton mit einem Gitterboden, unter dem dicke Kabel und Rohrleitungen verliefen. In regelmäßigen Abständen angebrachte Neonlichter tauchten alles in ein kaltes, klinisches Weiß, unter dem Anskar sich entblößt vorkam. Am schlimmsten waren jedoch die in den Decken angebrachten Kameras, auf die Leonora ihn verstohlen hinwies. Er sehnte sich nach Schatten, doch es gab keine.

Was ihm jedoch dank der Helligkeit ins Auge fiel war, wie alt alles schien: Rostflecken auf dem Metall, Wasserflecken an den Wänden, eine flackernde Neonröhre hier und da. Walhalla 23 war betagt – wenn auch gut gewartet – daran gab es keine Zweifel. Ungewollt kamen ihm Leonoras Worte wieder ins Gedächtnis: „Ich weiß nicht, wann sie dich eingefroren haben, aber der Große Krieg ist seit gut einhundert Jahren vorbei."

Hundert Jahre.

Immer wieder kamen sie an Stahlschotts oder Wegweisern vorbei, mit kryptischen Projektnamen in großen, schwarzen Lettern: Projekt Titan, Projekt Janus, Projekt Zerberus. So viele Projekte. So viele Fragen.

Anskar räusperte sich: „Leonora?"

„Nora."

„Nora. Was hat es mit Projekt Archetype auf sich?"

Die Schönheit versteifte sich unmerklich, drehte sich ihm halb zu und meinte: „Woher kennst du diesen Namen?"

„Er stand auf der Tür zu dem Labor, aus dem du mich ..."

„Natürlich. Ich ..." Sie unterbrach sich, als sich ein Schott weiter den Gang herunter öffnete und ein Trio Wissenschaftler in blauen Overalls und weißen Kitteln ausspie. Sie spülten in den Gang und gackerten dabei wie aufgescheuchte Hennen. Anskar versteifte sich, doch die Männer waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie den beiden vermeintlichen Wartungstechnikern keiner zwei Blicke würdigten. Sie waren kaum um die nächste Ecke verschwunden, als Anskar und Leonora erleichtert ausatmeten.

„Hör zu, Archetype ist", begann Leonora, hielt jedoch inne, als ihr eine weitere Kamera ins Auge fiel. „Lass uns später darüber reden, okay?"

„Kein Prob—"

Ein Schott, fünfzehn Meter den Gang runter, öffnete sich zischend und ein gut aussehender Mann in der Standardaufmachung von Walhallas Wissenschaftlern – blauer Overall und weißer Kittel – trat in den Gang. Der Kittel war makellos weiß und der Mann wirkte vom Scheitel seiner graumelierten Haare bis zu seinen Mokassins tadellos. Er blickte auf, als er ihre Schritte hörte, und ein wölfisches Grinsen legte sich auf seine Züge.

„Herrje", stöhnte Leonora, „nicht auch noch der." Sie lächelte und winkte zurück. „Ich kümmere mich um ihn", nuschelte sie durch ihr Lächeln. „Geh einfach weiter und warte um die nächste Ecke auf mich."

Anskar nickte unmerklich.

„Liebste Nora", säuselte der Mann, als er ihnen entgegen kam und perfekte, strahlend weiße Zähne offenbarte. Anskar hatte das seltsame Verlangen, sie ihm einzuschlagen. „Du wirst mit jedem Tag hübscher", setzte er fort. „Ein wahrer Sonnenschein für die Sonnenlosen."

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