4. Kapitel - Die Schöne und das Biest

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 „Caligo, komm!" Vidar schnappte sich die Morph-Axt und rannte los. Mehrmals stolperte er beinahe über die Knochen und fiel fast hin. Er erreichte dennoch wohlbehalten den Ausgang und quetschte sich durch die zweigähnlichen Gebilde. Er wusste nicht, ob Caligo ihm überhaupt folgte, aber das war ihm egal. Wenn jemand seine Hilfe brauchte, dann würde er alles tun, was in seiner Macht stand. Mit oder ohne Grimalkyne. 

Die Säureseen und -pfützen tauchten alles in ein unheimliches hellblaues Licht. Noch sah Vidar nicht, wer den Schrei ausgestoßen hatte, aber dann hörte er ein weiteres Geräusch. Es kam wieder von einem Mensch, klang dieses Mal jedoch mehr wie Lachen. Er schlich in die Richtung des Lachens. 

Sein Herzschlag setzte aus. Ein Monster war hier. Es war nicht irgendein Monster. Es war das Monster, die rote Bestie. Allerdings schien es nicht die zu sein, der Vidar bereits zweimal begegnet war, denn dieses Exemplar hier war kleiner. Caligo hatte jetzt ebenfalls den Ort erreicht. Seine Schultern spannten sich an und er stieß ein tiefes Knurren aus. Die Bestie drehte sich zu ihnen und Vidar blieb nichts anderes übrig, als seine Waffe zu zücken. Dort, wo das Biest eben noch gestanden hatte, kam jetzt eine junge Frau mit dunkler Haut und einer seltsamer Rüstung, wie er sie noch nie gesehen hatte, zum Vorschein. Sie musste es gewesen sein, die geschrien hatte. Die rote Bestie setzte zum Sprung an. Vidar holte zum Schlag aus. Er musste die Frau retten. „Nicht!" Die Morph-Axt krachte auf den Boden. „Tu ihm nicht weh!" Die Frau stellte sich schützend vor das Monster.

„Bist du verrückt?!", entfuhr es Vidar, „Das ist ein Monster! Es wird dich zerfleischen!" Er hievte seine Morph-Axt wieder hoch, bereit sie dem Monster ins Gesicht zu schlagen. Das schien jedoch gar nicht nötig, denn das rote Monster versteckte sich hinter der Frau.

„Er ist ein Monster, ja. Aber er ist mein Monstie!", rief die Frau. Das rote Monster steckte seinen Kopf neben ihr hervor. Die blauen Augen musterten Vidar feindselig.

„Dein... Monstie?" Verwirrt ließ er die Morph-Axt sinken.

„Ja. Ich bin eine Riderin und das ist mein Monstie, Kito der Odogaron", erklärte die Frau. Rider... Von denen hatte Vidar vor langer Zeit einmal etwas gehört. Das war noch in der Alten Welt gewesen, als er selbst noch ein Kind gewesen war. Sie waren ein seltsames Volk und lebten abgeschieden von anderen Menschen, insbesondere Jägern. Es hieß, dass sie Monster nicht jagten, sondern zähmten und sie als Haustiere oder Freunde betrachteten. Bis zu diesem Moment hatte Vidar immer gedacht, sie seien nichts weiter als Ammenmärchen. Menschen, die mit großen Monstern im Einklang lebten... Das klang viel zu gut um wahr zu sein. 

„Ach ja? Warum sollte sich dein ‚Monstie' nicht in einem Moment des Hungers dazu entscheiden, dich zu fressen?", entgegnete Vidar, "Was wenn es auf einen Artgenossen trifft? Das sind wilde gefühlskalte Wesen! Niemand kann sie zähmen!" Er verachtete die Frau keineswegs. Im Gegenteil, er fand sie sogar ziemlich mutig, aber er wollte sie vor einem grausamen Tod bewahren.

„Ich habe Kito nicht gezähmt." Diese Aussage verwirrte ihn nur noch mehr. „Ich habe ihn ausgebrütet und großgezogen. Er kennt nicht das wilde Leben." Wie zum Beweis schmiegte sich der Odogaron dichter an die Frau. Vidar wusste nicht, was er noch sagen sollte. Vielleicht hatte die Frau recht. „Antara", sagte sie plötzlich.

„Was?", fragte er. War Antara möglicherweise ein weiteres Monster?

„Antara. Das ist mein Name", erklärte sie und hielt ihm eine Hand hin.

„Vidar", erwiderte er knapp. Noch immer ruhten die blauen Augen des Odogaron auf ihm. Sie wirkten nicht mehr so feindselig wie eben, sondern eher interessiert.

„Also... Was macht ein Jäger wie du hier unten?", wollte Antara wissen.

„Ich... Äh... Ich soll einen Odogaron erjagen", log er, aber in diesem Moment zog ihm sein Bein einen Strich durch die Rechnung. Es gab plötzlich einfach nach und Schmerz bahnte sich seinen Weg vom Knöchel bis zum Knie. Zischend hielt er das Bein fest und stützte sich wieder auf die Morph-Axt. Antara kniete sich neben ihn und untersuchte es. Selbst bei der leichtesten Berührung schmerzte es. „Wie lange bist du schon hier unten?", fragte sie.

Monster Hunter - In den Tiefen des TalsWhere stories live. Discover now