- Kapitel 3 -

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Lukes Sicht

Klimpernd landete der Haustürschlüssel in Akiras kleiner Umhängetasche.
»Geld für den Bus hast du eingepackt?«, fragte ich sie. »Jap. Wir haben alles, was wir brauchen. Mom und Dad wissen Bescheid. Wir können los«. Mit diesen Worten verließ sie auch schon das Haus. Ich folgte ihr und schloss die Tür hinter mir.

Zur Orientierung hatte Ich mein Handy rausgeholt und schaute, wo lang es zur Bushaltestelle ging.

»Wir gehen den Weg hier lang und dann nach rechts. Wir müssen aber später auf die andere Seite. In die Stadt geht es nämlich die Straße nach links«, erklärte ich Akira. »Dann los«, meinte sie und wir machten uns auf den Weg.

Fünf Minuten brauchten wir, um an der Haltestelle anzukommen. Laut Plan dauerte es auch nicht mehr lange, bis der nächste Bus in die Stadt kam.

»Und du bist dir sicher, dass die beim weiteren Aufbauen keine Hilfe brauchen?«, wollte ich von meiner Zwillingsschwester wissen. »Wenn sie wirklich unsere Hilfe benötigen, hätten sie uns das gesagt. Außerdem ist Jules da und wir wissen beide, dass du ungerne mit ihm Zusammenarbeitest«, war ihre Antwort darauf. »Stimmt. Du hast recht«, stimmte ich zu.

Der Bus hielt an und wir stiegen ein. Akira holte ein vierer Ticket und wir gingen durch. Noch schnell das Ticket zwei Mal entwertet und wir konnten uns in eine leere zweier Reihe setzen.

Die Fahrt bis in die Stadt dauerte ungefähr zwanzig Minuten. Am Hauptbahnhof stiegen wir aus.

»Lass uns mal schauen, was wir machen«, sagte Akira und griff nach ihrem Handy. Auf der Map machten wir uns einen Überblick darüber, was wir uns ansehen konnten. »Die Altstadt ist nicht weit von hier«, merkte ich an und zeigte auf den entsprechenden Stadtteil. »Und von dort können wir direkt zum See«, ergänzte sie. »Aasee«. »Da könnte viel los sein. Die Sonne scheint und warm ist es auch«, meinte sie. »Ferien sind auch«. »Jap«.

Langsam und gemütlich entfernten wir uns von Hauptbahnhof und ließen uns mithilfe der Map Richtung Altstadt führen.

Beim Warten an der Ampel fiel mir auf, dass die Ampelfiguren eine Besonderheit hatten. Auf einer waren zwei weibliche Figuren abgebildet mit einem Herz dazwischen. Auf einer anderen zwei männliche, ebenso mit einem Herz zwischen ihnen.

Ich stupste meine extrovertiertere Hälfte an. »Hast du die Ampelfiguren gesehen?«. Sie schaute in Richtung Ampel und musste schmunzeln. »Das gibt es nicht überall. Finde ich gut«, sagte sie mit einem leichten Lächeln.

Wir gingen weiter und landeten irgendwann in einer Schlucht zwischen zwei Häuserreihen. Die Häuser waren Wand an Wand gebaut und die Fassaden aus roten Backsteinen.

An einer Kreuzung wollten wir rechts weiter die Straße entlang. Stattdessen blieb Akira plötzlich stehen und ich lief in sie rein. »Ey. Bleib doch nicht einfach aus dem Nichts stehen«, beschwerte ich mich. »Ich will dir nur einen Gefallen tun, indem wir spontan doch links abbiegen«, begründete sie ihre Aktion. Mit einem unsichtbaren Fragezeichen über meinem Kopf schaute ich rechts in die Straße.

Das Erste, was mein Gehirn registrierte, war, das blinkende Blaulicht, dann erkannte ich das Problem. Rettungsdienst.

»Die angeblichen „Helfer"«, ertönte es in meinen Gedanken. Sofort schüttelte ich leicht den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben.

Ehe ich weiter auf die beiden Fahrzeuge starren und meine Gedanken an Fahrt aufnehmen konnten, wurde ich an der Hand gepackt und in die Fußgängerzone mitgezogen. Meine Beine liefen von selbst, bis ich wieder aus meiner Starre rauskam.

»Das hier muss ein Einkaufszentrum sein«. Akira deutete auf das große Gebäude vor uns. »Sieht danach aus«. »Das schauen wir ein andern Mal genauer an«.

Wir gingen weiter. Immer weiter Richtung Wasser.

Irgendwann waren wir dort. Vor uns erstreckte sich der See. Links rechts und am Horizont ragten die grünen Bäume hervor.

Ich ging näher ans Wasser und schaute auf die Wasseroberfläche. Akira stellte sich neben mich. Zwei Augenpaare schauten uns entgegen.

»Ich kann mich an die Stadt gewöhnen. Es ist schön hier«, äußerte Akira und setzte sich. Ich tat es ihr gleich und war ihrer Meinung: »Ja. Da kann ich nichts gegen einwenden.«

Für ein paar Minuten saßen wir still nebeneinander und schauten auf den See. Beobachteten kleine Segelboote, die sich über die Wasseroberfläche bewegten.

»Ich weiß ... es ist ein blödes Thema, aber ... wie willst du mit Mom umgehen, sobald sie die Ausbildung angefangen hat?«. Etwas perplex wegen der Frage schaute ich zu ihr. Überlegte, was ich antworten sollte.

Doch es fiel mir keine Antwort ein.

»Du kannst sie ja schlecht meiden«. Damit hatte sie recht.

»Ich ... habe keine Ahnung«, sprach ich die Wahrheit aus. »Hm«, kam es von ihr und sie schaute weiter aufs Wasser.

»Sie liegt richtig. Ich kann Mom nicht meiden, auch wenn ich Angst habe. Das funktioniert nicht. Außerdem können wir uns darauf einstellen, dass Jules öfter vorbeikommt. Bei den Umständen hocke ich mehr auf meinem Zimmer als mir lieb ist«, ging es mir durch den Kopf.

Eine leichte Windböe kam aus Richtung des Sees und strich mir durch die Haare. Man hörte die Blätter der Bäume rascheln.

»Wie lange komme ich noch mit meiner Vermeidungsstrategie weiter? Hoffentlich noch eine Weile. Das Letzte, was ich will, ist mich mit meiner Angst auseinanderzusetzen.«

Bei dem Gedanken zog mein Magen sich schmerzhaft zusammen und mir wurde schlecht. Eine Hand krallte sich in meine Hose.

Jemand nahm mich in den Arm. »Keine Sorgen. Wir schaffen das, egal was kommt. Ich bin für dich da«, redete Akira auf mich ein.

Mein Kopf lehnte ich an ihre Schulter. Sie war für mich da. Schon immer.
»Doch wie lange kann sie mich noch beschützen? Vor allem kann sie mich nicht schützen und wenn es hart auf hart kommt Zweifel ich daran, dass sie was ausrichten kann. Auch wenn ich ihr vertraue«, dachte ich weiter nach und starrte über das Wasser hinweg.

Noch einige Zeit verbrachten wir am See. Genossen das schöne Wetter und die stressfreie Zeit, die wir hatten, denn der Stress kommt schneller zurück als einem lieb ist. Leider.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now