- Kapitel 73 -

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Lukes Sicht

Das Abendessen war beendet und ich hatte mich auf mein Zimmer zurückgezogen.
Der Tag war anstrengend und die Müdigkeit begann langsam aber sicher Besitz von mir zu ergreifen. Allerdings war es noch zu früh zum Schlafen, weshalb ich noch so lange wie möglich versuchte mich wach zu halten.

Gegen 22 Uhr war dann Schluss mit erzwungenem Wachbleiben. Zumindest war das die Uhrzeit, an die ich mich zuletzt erinnern konnte.

Am nächsten Tag konnte ich ausschlafen, was ich auch voll ausnutzte. Deshalb war es bereits Viertel nach elf, als ich mich dazu motivieren konnte den Kreislauf zwischen, aufwachen, mich fragen, ob ich aufstehen sollte und letztendlich wieder einschlafen, zu unterbrechen.

Gähnend setzte ich mich auf und überdachte meine Entscheidung noch einmal.
Damit ich nicht wieder auf die Idee kam, doch weiterzuschlafen, stand ich auf und ging ins Bad, so sollte mein Körper und mein Hirn merken, dass es an der Zeit war richtig wach zu werden.

Wieder in meinem Zimmer, machte ich mein Bett ordentlich, nahm mein Handy vom Ladekabel und ging nach unten in die Küche.

Es war still im Haus. Kein Dad, der in der Küche saß und auch keine Fernsehergeräusche aus dem Wohnzimmer.
Waren beide arbeiten?

»Ob es sich noch lohnt zu frühstücken? Wobei … Wenn beide arbeiten sind, gibt es kein pünktliches Mittagessen«, überlegte ich und kam zu dem Schluss, dass ich frühstücken sollte.

Schließlich war Dienstag, was bedeutete, dass ich an diesem Tag noch meinen Termin mit Damien hatte. Dort sollte ich nicht mit einem Hungergefühl bis zum Mond auftauchen.
Deswegen machte ich mir mein übliches Frühstück und setzte mich an den Tisch, wo ich anfing zu essen. Nebenbei spielte ich was auf meinem Handy.

Fertig gegessen, räumte ich ab und ging wieder nach oben. An Akiras Tür machte ich einen kurzen Halt. Zu hören war nichts. Was zu bedeuten hatte das nicht. Sicherlich war sie auch schon wach und war am Lesen oder sowas.
Ohne bei ihr ins Zimmer zu schauen, ging ich in meins zurück und setzte mich an den Schreibtisch.
Zum Zeit überbrücken schaute ich Videos auf meinem Handy.

Gegen 13 kam eine Nachricht von Mom:
»Denkst du heute an deinen Termin? Leider kann dich niemand fahren. Schaffst du es mit dem Bus zur Klinik?«

Das bestätigte meine Vermutung, die ich vor dem Frühstücken hatte.

»Ja. An den Termin denke ich. Und ja, ich sollte es schaffen mit dem Bus dorthin zu fahren«, schrieb ich als Antwort und sendete diese Nachricht auch ab.

»Jetzt ist es eins. Der Bus fährt um Viertel vor vier. Mir bleibt also noch etwas Zeit, bevor ich mich fertig machen muss.«

Besagte Zeit nutzte ich auch und machte mich später zeitig fertig, damit ich nicht in Zeitnot geriet.

Gegen fünf nach halb vier ging ich nach unten. Dieses Mal hörte ich aus Richtung des Wohnzimmers den Fernseher. Nur Akira kam infrage, die es sich im Wohnzimmer bequem gemacht hatte und es ausnutzte, dass wir sturmfreie Bude hatten.

Damit ich sie vor Abfahrt wenigstens ein Mal gesehen hatte, stellte ich mich in den Türrahmen.
»Ich bin gleich weg. Du weißt ja. Termin bei Damien«, gab ich ihr Bescheid. Sie schaute zu mir rüber. »Ah. Stimmt ja. Ist ja Dienstag. Mir kommt es irgendwie vor wie Montag oder so«
Darauf nickte ich.
»Ich muss jetzt auch los. Bis später«, verabschiedete ich mich.
»Bis später und Pass auf dich auf«, erwiderte meine Zwillingsschwester das, dann müsste ich meine Schuhe anziehen, meinen Schlüssel einpacken und mich auf den Weg zum Bus machen.

Kaum hatte ich einen Schritt vor die Tür gesetzt, war ich froh darüber, dass ich mich dafür entschieden habe eine Jacke anzuziehen. Der Wind war trotz der einigermaßen milden Temperaturen nicht angenehm. Außerdem war der Himmel Wolken vergangen und es war nicht ausgeschlossen, dass es noch anfing zu regnen.

An der Haltestelle, wartete ich auf den Bus, der auch pünktlich kam. Mit diesem ging es weiter Richtung Norden.

Kaum eine Viertelstunde später stieg ich an meiner Zielhaltestelle aus und betrat das Klinikgelände.

Einzig und alleine die Nervosität begleitete mich. Ein Vorbote der Angst, die sich in Hintergrund hielt, für den Fall der Fälle.

Mit den Händen in den Jackentaschen, weil diese wieder eiskalt waren, ging es in den Klinikpark. Kaum hatte ich mich auf einer Bank niedergelassen, traf mich der erste Regentropfen.

»Bitte lass es nur nieseln. Ich hab mich heute nicht mental darauf vorbereitet in irgendein Gebäude zu müssen. Zumal Mom Dienst auf der wache hat und ich ihr ungern begegnen möchte.«

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, traff mich auch schon der nächste Regentropfen, und nach diesem der nächste und so weiter.

Mit einem Seufzen ließ ich Luft aus meinen Lungen entweichen.

»Das Wetter scheint heute nicht ganz auf unserer Seite zu sein, hm?«, sagte jemand, der von rechts kam und ich schaute in diese Richtung. Von dort kam die Person, die ich erwartete. Damien.
»Ich hab gehofft, das es trocken bleibt«, meinte ich.
»Wenn das so bleibt, dann können wir hier bleiben, wird es noch mehr, sollten wir reingehen. Ungern möchte ich riskieren, dass du krank wirst.«

Typisch Arzt, aber daraus machte ich ihm keinen Vorwurf.

»Wie geht’s dir denn?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
»Soweit ganz gut«, beantwortete ich ihm die Frage. »Ihr habt jetzt Ferien? Hab ich recht?« Nickend bestätigte ich ihn das.
»Hast du schon was unternommen?«
»Wir, also Akira ich und zwei Freunde von uns, sind nach Essen gefahren. Die Stadt, in der wir noch bis vor knapp drei Monaten gelebt haben«, erzählte ich ihm von unserem Ausflug.
»Das klingt spannend. Wie wars?«, wollte er näher darauf eingehen.
»Es war cool. Hat Spaß gemacht. Nur die Rückfahrt nicht. Verspätung und voller Zug. Das war nicht so cool«, erzählte ich weiter.
»So lange der Ausflug an sich Spaß gemacht hat, war es das doch wert.«
Da konnte ich ihm nur zustimmen.

Während dieses Gesprächs wurde der Regen immer mehr.

»Wir sollten reingehen. Sonst sind wir später nass«, meinte Damien.
Ich runzelte die Stirn.
»Wohin?«, wollte ich wissen.
»In die Rettungswache können wir heute leider nicht. Dort ist heute eine Person, die sich das ganze anschaut. Soweit ich weiß der neue Ärztliche Leiter Rettungsdienst.«

Scheiße! Das bedeutete entweder Hauptgebäude oder Psychiatrie Gebäude.
Mir wurde eiskalt.

»Was wäre für dich einfacher? Hauptgebäude oder Psych?«, stellte er mir dieselbe Frage, die ich mir vor wenigen Sekunden selbst noch gestellt hatte. Ein Schulterzucken sollte ihm zeigen, dass ich keine Ahnung hatte.

Mein Blick klebte am Boden. Innerlich versuchte ich abzuwägen, was einfacher war. Jedoch war es kaum möglich einen klaren Gedanken zu fassen, wenn die Angst mir fast schon ins Ohr schrie, dass ich mich am besten für gar nichts entschied und im Regen sitzen bleiben sollte.
Dass das eventuell dazu führte, das ich krank wurde, soweit dachte dieser innere Dämon von mir nicht. Er sah nur das eine, die vermeintliche Gefahr, vor der ich mich um jeden Preis fernhalten sollte.

»Luke?«, hörte ich Damien meinen Namen sagen und ich hob meinen Blick leicht an, ins Gesicht schauen tat ich ihm nicht. Stattdessen schaute ich in Richtung des Hauptgebäudes.

Augenblicklich kam mir erst die Erinnerung an das Ereignis wieder hoch, wodurch der scheiß mit der Angst überhaupt erst angefangen hat.
Übelkeit machte sich in mir breit.

»Wieso ist dieses Ereignis an diesem Ort so präsent, obwohl es ein anderes Krankenhaus ist? Liegt es einfach daran, dass es ein Krankenhaus ist? Sieht meine Angst da keinen Unterschied?«

»Schau mich mal an«, forderte Damien mich auf. Kurz zögerte ich, wandte, aber letztlich den Blick von dem Gebäude ab und schaute stattdessen zu Damien rüber.
»Bei der Rettungsdienst Einfahrt ist ein Dach. Da können wir uns erstmal unterstellen. So musst du kein Gebäude betreten und wir stehen trotzdem im Trockenen. Ist das ein Kompromiss?«, unterbreitete er mir den Vorschlag.

Dem stimmte ich zu, da das für meine Angst eine Art Grauzone war. Konfrontation, aber einen klaren Fluchtweg für den Fall der Fälle. Deswegen konnte ich dazu eher ja sagen statt der beiden Gebäude.

»Gut. Dann lass uns gehen«, meinte er. Darauf nickte ich, stand auf und wir liefen auf das Hauptgebäude zu.

WKM - Angst vor ihnen Where stories live. Discover now