Kapitel 53

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„Du bist ja richtig braun geworden unter deinem Sonnenschirm.", meinte Jamal leicht spöttisch, als er zu mir kam, um mich mit einem Kuss zu begrüßen.
„Ha ha ha.", ich boxte ihn leicht in die Brust.
„Wie war die Stadt?"
„Schön, bis Paparazzi aufgetaucht sind.", meinte er genervt.
„Oh.", ich verzog mein Gesicht.
„Die dachten wir hätten sie nicht bemerkt und sind uns für ein paar Minuten gefolgt, bis ich mich genervt umgedreht habe."
Ich schnaubte.
„Naja was solls. Wie war deine Zeit hier? Musstest du dich wieder übergeben?"
„Ne, tatsächlich nicht.", ich lächelte leicht, er zog überrascht die Augenbraue hoch.
„Das sind ja gute Nachrichten.", er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Und Neo?"
„Hat fleißig trainiert. Ich will ja nichts sagen Jamal, aber in dem Alter warst du nicht ganz so ambitioniert."
„Ich war einfach besser und hab die Ambition nicht gebraucht."
„Das würde ich jetzt auch sagen.", meinte ich bezeichnend.
„Apropos, wir haben dir was mitgebracht."
Ich hob meine Augenbraue.
„Zum einen Meeresfrüchte, nachdem du auf die ja scheinbar seit neustem absolut abfährst.", Jamal schüttelte sich angewidert, „Und dann Oliven, Datteln und Unmengen an Früchten, gabs auf dem Markt."
Ich lächelte: „Das ist lieb, Jamal."
Obwohl ich eigentlich seit meiner Jungend Vegetarierin war, hatte ich seit wir hier waren unfassbaren Appetit auf die kleinen Meerestiere. Und auch wenn Jamal diese eher ekelerregend fand, kaufte er sie in Massen, da es eine der wenigen Sachen war, die ich trotz Übelkeit essen wollte.
Ebenso wie Oliven und Datteln, die ich tatsächlich recht gerne verputzte, auch wenn sie meist wieder rauskamen.

„Gibst du mir die Nudeln?", meine Lilli zu Jamal, der ihr den Topf sofort rüberreichte.
Wir waren am Abendessen und saßen alle zusammen an dem großen Tisch auf unserer Terrasse.
Es war nur das Geräusch des Geschirrs und im Hintergrund das Rauschen des Meeres zu vernehmen und es fühlte sich so, so toll an.
Da räusperte sich Neo, weshalb wir alle unseren Blick auf den Teenager richteten.
„Ich ähm, weiß nicht, ob das gerade der richtige Zeitpunkt ist, aber ich wüsste auch nicht, wann sonst, daher...", unsicher sah er mich an, ich nickte ihm zur Bestätigung leicht zu.
Das gab ihn scheinbar den Mut, weiterzusprechen.
„Also ich ähm- Müller wechselt ja die kommende Saison zu AC Mailand als Trainer. Und er- er würde mich gerne mitnehmen. Ich weiß, das klingt vielleicht erstmal völlig absurd, aber mir würde da relativ viel Spielpraxis zugesichert werden, ich darf durchgehend bei den Profis dabei sein und mein Debüt in der Saison ist mir sicher.", er verstummte und sah hilfesuchend zu uns.
Jamal gelangte als erstes die Fassung wieder: „Wow", er räusperte sich, „Mailand..."
„...ist ganz schön weit weg.", vervollständigte Lilli den Satz und starrte Neo an.
Ich sah auf Carolin, die ihre Augenbrauen zusammengezogen hatte.
„Neo, das ist ein großer Schritt.", meinte Jamal mit einem negativen Unterton und einem wenig begeisterten Gesichtsausdruck, ich verzog meine Stirn.
„Wieso dieser Unterton? Das klingt nach einer extrem guten Chance."
„Juli, das ist Italien. Eine andere Sprache, die du", er sah zu Neo, „nicht einmal sprichst nebenbei bemerkt. Ein anderer Club, ein anderes Leben."
„Du bist damals auch nach Deutschland gegangen.", wandte Lilli ein.
„Ja aber, das ist doch was komplett an-"
„Naja, eigentlich nicht.", unterbrach ihn Lilli.
„Ist auch egal, ob es anders ist oder nicht, es geht doch um Neos Karriere. Bei Mailand stehen ihm scheinbar mehr Möglichkeiten öffen und", ich drückte Jamals Hand, „Er steht nicht mehr im Schatten des großen Bruders Jamal Musiala.", dieser sah mich aus einer Mischung von Verwunderung und Verärgerung an, während Neo derweil verwirrt die Augen zusammenkniff. Er hatte nichts von dem Argument gesagt, aber mir war klar, dass es ihm auch darum ging.
Niemand wollte eine Karriere als der kleine Bruder von ... beginnen. Natürlich konnte er dem nie ganz entkommen, aber definitiv eher in einer Liga, in der Jamal nicht gespielt hatte, als bei den Bayern.
Das Argument schien auch Jamal halbwegs einzuleuchten, der nun zu Carolin sah und auf ihre Positionierung wartete.
Diese zuckte mit ihren Schultern: „Jamal, ich bin auch für dich damals in ein anderes Land gezogen."
„Ja, aber das Land war das, aus dem wir eigentlich kommen und wessen Sprache du beherrschst."
Ich stieß ihm verärgert in die Seite. Realismus in allen Ehren, aber das hier war nicht in Ordnung.
„Genug Fußballer können die Sprache nicht, wenn sie irgendwo hin ziehen. Du konntest auch nur halbwegs Deutsch und Spanisch bei deinen jeweiligen Wechseln."
„Und wenn Müller ihn unbedingt mitnehmen will...", murmelte Lilli.
„Ja und für mich war das trotz halbherzigen Sprachkenntnissen nicht leicht. Wie glaubst du, ist das für jemanden, der keinen Ton spricht?? Ich will nic-", ich unterbrach Jamal.
„Die Frage ist nicht, ob du willst, dass Neo das durchmachen muss, sondern ob Neo es durchmachen möchte. Und es wäre nett, wenn du hier als großer Bruder etwas unterstützender wärst. Es ist nicht deine Entscheidung, ob er bei Bayern bleibt oder nicht.", wies ich ihn etwas forsch zurück.
Ich verstand null, was Jamals Problem war.
Lilli sah zu Neo: „Was möchtest du denn?"
Er zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Ich will Fußball spielen. Und ich...", er sah vorsichtig zu Jamal, „... will eigentlich nicht länger ständig mit dir verglichen werden. Ich weiß, das wird sich auch durch den Wechsel nicht komplett verlieren und das ist auch okay, aber wenigstens ist das nicht dein alter Club, bei dem du Kapitän und davor jahrelang der goldene Starboy warst."
Jamal schüttelte bloß leicht seinen Kopf, Carolin hingegen legte ihre Hand besänftigend auf Neos.
„Wir besprechen das einmal in Ruhe, wenn sich alle", sie sah bezeichnend auf Jamal, „beruhigt haben, okay? Du musst das doch nicht morgen entscheiden, oder?"
Neo schüttelte seinen Kopf.

„Was sollte das?", ich hob meine Hände in die Luft und starrte meinen Ehemann verständnislos an.
„Bayern war für mich die beste Option, ich meine schau dir an, wo ich heute bin."
„Hier geht es aber nicht im dich, Jamal. Das ist das Leben deines Bruders. Soll er es dir jetzt eins zu eins nachleben?"
„Natürlich nicht, aber ich weiß, dass Bayern ihn großmachen wird."
„Wir wissen beide, dass er groß wird, egal wo er anfängt."
„Gibt genug Spieler, denen ein zu früher Wechsel immens geschadet hat. Darf ich dich an Mario Götze oder wegen mir auch Jadon Sancho erinnern?"
„Das ist doch überhaupt nicht zu vergleichen.", zischte ich, „Der Junge wird dort das neue Supertalent, das wissen wir beide. Und wenn sich Müller da nicht auch sicher wäre, würde er es nicht vorschlagen."
Jamal raufte sich die Haare: „Ich will nicht, dass seine Karriere kaputt geht."
„Nein Jamal, du willst gerade einfach nur, dass dein Bruder die Fußstapfen füllt, die du bei deinem Wechsel hinterlassen hast und das ist nicht fair. Nur weil du ihm diesen Weg geebnet hast, heißt es nicht, dass er ihn nicht verdient, selbstständig zu gehen. Lass ihn die Richtung nehmen, die er nehmen möchte, so wie du auch deine genommen hast. Er will nach Italien und das wird schwer - okay, dann wird es eben schwer. Dieser Junge macht das, das weißt du so gut wie ich. Dass du nicht möchtest, dass er zu ... Barcelona wechselt, okay, aber Mailand? Willst du das deinen Kindern auch mal vorschreiben? Jugend bei Real und dann mit 16 zu den Bayern, weil es dich groß gemacht hat?"
„Nein...", murmelte er.
Ich atmete tief durch: „Jamal, ich weiß, du wünscht dir, dass dein Bruder dort groß wird und all das erfahren kann, was du erfahren hast. Aber das funktioniert so nicht. Nicht jeder Weg ist für jeden richtig. Darf ich dich an die damalige Entscheidung erinnern, auf welcher Position er spielt? Es war Tor oder Innenverteidigung. Er hat sich für das Feld entschieden, ohne dass du irgendetwas gesagt hast. Weil du ihn machen hast lassen. Und das war richtig so. Lass ihn auch jetzt selber entscheiden.", ich nahm seine Hand, er atmete einmal durch.
„Ich schätze, ich hab noch ein Gespräch zu führen...", murmelte er dann und erhob sich von der Bettkante.

Endless love ? - Jamal MusialaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt