10

5 1 0
                                    


Liv wusste nicht was sie antworten sollte. Schweigend saß sie da und versuchte zu verstehen, was sie auf einmal mit den Männern zu tun hatte. Bevor sie doch etwas sagen konnte, streckte der Dreadlockmann ihr eine Hand entgegen.

"Arthur."

Zögernd reichte auch sie ihm die Hand hin und schüttelte sie.

Adam hatte die ganze Zeit abwesend gewirkt, doch jetzt schien wieder Leben in ihn zu kommen. Jetzt lächelte er sie sogar gequält an. "Mich kennst du ja schon." Liv errötete sofort wieder, doch er hielt den Blickkontakt. Nach einer gefühlten Ewigkeit, schüttelte er nur den Kopf und fixierte dann seinen Blick auf einen Punkt an der Wand hinter ihrem Kopf.

"Also, fangen wir an. Aber am besten nicht hier, sondern wo anders." Arthur machte Anstalten aufzustehen, doch Liv hielt ihn schnell auf.

" Ich werde ganz sicher nicht mit zwei fremden Männern irgendwo hingehen. Außerdem arbeite ich doch jetzt noch." Panik stieg in ihr auf, als sie daran dachte, was sie mit ihr anstellen könnten wenn sie einmal alleine waren. Arthur schaute sie grimmig an. "Wir können nicht ewig warten dich einzuweihen. So viel Zeit haben wir nicht." Angespannt trommelte er mit den Fingern auf den Tisch. Liv konnte deutlich James Blick in ihrem Nacken spüren, denn sie redete mit den beiden schon viel zu lange und wie sie bereits festgestellt hatte, arbeitete sie eigentlich gerade.

"Ich bleibe hier. Und wenn du fertig mit arbeiten bist, dann reden wir.", sagte Adam plötzlich bestimmt. Sein Blick war dabei immer noch an die Wand gerichtete.

"Kann man sich auf dich verlassen?"

"Ja."

"Sicher? Du hast bei ihr schon mehrere Male versagt und das ist unsere letzte Chance." Arthur deutete mit dem Finger auf Liv, die sich nicht wohler fühlte mit der Situation. Von Adam die vielen langen Stunden beobachtet zu werden, während sie arbeite war alles andere als angenehm.

"Arthur." Adam hatte sich halb aufgerichtet und starrte kalt in sein Gesicht. "Ich hab das unter Kontrolle."

"Gut. Wir sehen uns dann" Ohne ein weiteres Wort stand Arthur auf und verließ das Café. Liv blieb unschlüssig sitzen. Die Situation kam ihr völlig falsch vor. Aber gleichzeitig war sie auch neugierig, was Arthur und Adam zusagen hatten. Denn irgendwie war sie sich sicher, dass alles Sinn ergeben würde. Das hoffte sie zumindest.

"Hey Liv." In Adams Blick war keine Spur mehr von Ablehnung oder Abscheu. Nur noch aufrechte Besorgnis. "Dir passiert nichts, keine Sorge. Ich... pass auf dich auf." Und Liv glaubte ihm. Jedes Wort. Warum auch immer. "Gott, ich wünschte nur, du würdest mit all dem nichts zu tun haben."

"Womit denn? Könnt ihr bitte aufhören mir so verdammte Angst zu machen? Ich kenne euch gar nicht."

Er legte eine Hand vorsichtig auf ihre und betrachtete sie dann. Liv war überrascht über diese plötzliche körperliche Nähe und war gleichzeitig enttäuscht, als Adam sie blitzartig wieder wegzog.

"Geh arbeiten.", sagte er, ohne auf ihr Gesagtes einzugehen. All die Wärme war schon wieder aus seinem Gesicht gewichen und vor ihr saß ein völlig anderer Mensch. Als sie immer noch nicht aufstand, stand er dann auf und zischte im vorbei gehen: "Ich geh an die frische Luft. Bei Ladenschluss bin ich wieder da. Wenn du weg rennst hast du ein Problem. Wir sind überall."

***

"Wer war der Typ?"

"Keine Ahnung"

"Es sah aber ganz schön vertraut aus."

"Vertraut?"

"Er hat seine Hand auf deine Hand gelegt?!"

"Hm."

"Ich dachte du stehst nicht auf blonde Typen."

"Stimmt."

"Also wer war das?"

"Niemand."

"Liv!"

"Was?"

"Ich dachte wir wären Freunde."

"James, ehrlich. Ich weiß es nicht. Du wirst doch auch die ganze Zeit angesprochen, also lass mich doch einfach damit in Ruhe. Wenn ich mehr weiß, sag ich Bescheid. Sorry."

James nervte sie schon den ganzen Nachmittag. Und das half nicht gerade dabei ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Dass Adam jede Stunde durch die Glasscheibe schaute um zu sehen ob sie noch da war, machte es nicht besser. Jetzt war James beleidigt. Na toll. Aber ein schweigender James war besser, als einer, der ihr Löcher in den Bauch fragte über jemanden, den sie selbst nicht kannte.

Als 18 Uhr und damit endlich ihre Schicht zu Ende war, kam Adam ins Café. Er hatte rote Backen und seine Haare hingen in wilden Locken von seinem Kopf ab. Liv ging hinter die Theke und hing ihre Schürze an den Haken. Dick eingepackt ging sie zu Adam, der ihr ohne ein Wort zu sagen die Tür aufhielt. James stand an der Theke und sah ihr nur kopfschüttelnd nach.

Schweigend gingen sie die Straße entlang. Es wurde immer kälter draußen und sie hatten Glück, dass es nicht regnete. Adam ging schnellen Schrittes voran, so als schien er zu wissen wohin sie gingen.

"Wo gehen wir hin?", fragte Liv verunsichert. Sie hatte zwar beschlossen ihm zu vertrauen, denn irgendwie schien er ein anständiger Junge zu sein - gut, er hatte was mit einem gemeinen Dreadlockmann zu tun, aber abgesehen davon... - und er gefiel ihr, aber ganz unwissend wollte sie auch nicht bleiben.

"Ins Central."

Gut. Liv nickte. Eine große Bar, viele Menschen, ihr würde nichts passieren.

Als sie um die nächste Ecke gingen sah Liv bereits die großen blinkenden Buchstaben des Centrals und das warme Licht, das aus den Fenstern leuchtete. Nervosität machte sich in ihr breit.

Adam hielt ihr die Tür auf und trat nach ihr ins Warme. Leise Gespräche und Geschirrgeklimper umschwebten sie augenblicklich. Liv mochte das Central, auch wenn sie eigentlich nie dort war. Andere Kundschaft. Reiche Menschen mit zwielichtigen Absichten tummelten sich hier herum sagte man. Sie war einige Male dort gewesen und hatte die Dinge, die sie sah abgezeichnet. Die dunklen Wände und die roten Leuchten, die hohen Sessel und die Anzüge der Männer. Es hatte ihr Spaß gemacht und der Geruch nach Rauch hatte ihr das Gefühl gegeben in einer anderen Welt zu sein. Auch jetzt blickte sie sich aufmerksam um. Adam hatte die ganze Zeit neben ihr gestanden und sie von der Seite gemustert. Das wurde ihr erst bewusst, als der Kellner sich räusperte. Adam schüttelte kaum merklich den Kopf und schritt dann an ihr vorbei zum Kellner. Kurz hatte Liv das Gefühl sein Aftershave bei seinem Vorbeigehen riechen zu können, doch das war wahrscheinlich Einbildung. Unsicher folgte sie Adam.

"Natürlich, Mr Cunningham, wie Sie befohlen haben. Es ist alles vorbereitet." , der Kellner nickte Liv kurz zu.

"Sehr gut. Führen Sie uns bitte in die Räumlichkeiten." Adams Worte klangen hart und bestimmt. Kurz wollte Liv umdrehen und die ganze Sache hinter sich lassen, doch Adam packte sie unsanft am Arm und zog sie mit sich.

Liv folgte ihm also durch die Tischreihen. Gerade wollte sie fragen wo sie denn hinliefen, denn sie steuerten geradewegs auf die Küche zu, doch Adam drehte sich plötzlich um und sie wäre beinah gegen ihn gerannt.

"Benimm dich gleich. Sag nichts, überlas das Reden mir." , zischte er und sah sie durchdringend an. Liv nickte verwirrt. Mein Gott, der hat echt einen an der Klatsche, dachte sie, aber sein Aftershave riecht tatsächlich ganz gut.

Adam drehte sich wieder um und zog sie hinter sich in die Küche.

Ultramarinblau #yellowaward2019Where stories live. Discover now