11

5 1 0
                                    

Als sie die Küche durch eine kleine, schwarze Tür verlassen hatten, fanden sie sich in einem engen, langen Flur. Adam packte sie wieder am Arm, als hätte er Angst Liv zu verlieren. Aber Liv hätte sich niemals getraut weg zu laufen. Der dunkle Flur, Adams verschlossene Art und die Tatsache, dass sie ihn gar nicht kannte, beängstigte sie so sehr, dass sie wie verstarrt war. Immer wieder fragte sie sich was sie hier machte. Die Gänge schienen nicht enden zu wollen und Liv hatte schon längst die Orientierung verloren. Sie würde hier nie wieder alleine herausfinden. Sie war auf Adam angewiesen. So eine verdammte scheiße.

Plötzlich hielten sie an. Der Kellner stand vor einer großen Holztür , die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

"Die Herrschaften.", sagte der Kellner, verneigte sich kurz und öffnete die Tür. Adam nickte ihm zu: "Danke, Dean."

Dann ließ er ihren Arm abrupt los, richtete seine Haare und warf ihr einen letzten, warnenden Blick zu. Dann betraten sie den Saal. Livs Nervosität war mit einem Mal verschwunden. Sie war beeindruckt. Langsam trat sie hinter Adam in den Raum. Riesige Kronleuchter hingen von der hohen Decke hinab und das Licht der Kerzen reflektierte sich im Gold der Wände und den prächtigen Spiegeln, die an den Wänden hingen. Liv konnte sich nicht satt sehen.In ihren Händen kribbelte es. Wie gerne würde sie das alles festhalten. Für immer in ihrem Zeichenblock. Durch ein Räuspern wurde sie in die Realität zurückgeholt.

An einem langen Tisch saßen eine handvoll Menschen in schwarzen Anzügen und blickten sie ernst an. Der Dreadlock-Mann saß am Ende des Tisches und sah sie mit verschränkten Armen an. Selbst er hatte sich einen Anzug angezogen und seine Dreadlocks zu einem Zopf nach hinten gebunden. Liv errötete. Alle starrte sie an und sie wusste nicht was sie tun sollte. Außerdem wurden ihr ihre Klamotten bewusst: auf ihrer Hose waren Kaffeeflecken und ihr brauner Pulli hatte auch schon bessere Tage gesehen. Dann hatte sie auch noch ihre ranzigen schwarzen Chucks an. Und ihre Haare mussten ihr nach dem Spaziergang durch die Kälte auch zu Bergen stehen. Unauffällig versuchte sie ihre Haare glatt zu streichen und ihren Pulli zurecht zurücken. Der Dreadlocks-Mann beobachtete sie hämisch dabei, was Liv dazu brachte es aufzugeben.

"Das ist sie.", sagte Adam an die Männer gewandt, "Liv Baker. Die Letzte."

Ein älterer Herr erhob sich.

"Guten Abend, Miss. Willkommen in unserer Runde. Ich denke Sie wurden bereits aufgeklärt?" Seine Stimme war tief und rau und seine Augen hatten etwas ähnlich kaltes wie Adams.

"Ähm, Nein Sir. Ich weiß nicht warum ich hier bin."

Wo um Himmelswillen war sie hier nur? Immerhin sahen die Männer nicht aus wie Banditen, sondern eher wie... reiche Bankiers? So schnell würde ihr bestimmt nichts passieren. Hoffte sie zumindest. Was machte sie hier nur. Wie war sie hier hinein geraten, um Himmels willen. Kurz dachte sie an ihr kleines Dachzimmer und ihr kuscheliges Bett, dort würde sie jetzt viel lieber sein. Abrupt wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.

Der Mann starrte Adam wütend an.

"Ich habe dir gesagt du sollst alles klären. Wir verlieren hier nur unsere Zeit. Alles muss man selber machen.." Er setzte sich wieder und versuchte Liv dann freundlich zuzulächeln. Es gelang ihm nicht.

"Kommen Sie, setzten Sie sich doch." Er deutete auf einen der Stühle am Kopfende. Adam schob ihr den Stuhl zurück und setzte sich dann neben sie. Liv war erstaunt von dieser plötzlichen Freundlichkeit, doch als sie ihm dankend ins Gesicht blickte, sah sie nichts als Härte.

Der alte Mann räusperte sich.

"Nun gut, beginnen wir." Einer der Männer am Tisch nickte und drückte ein paar Knöpfe einer Fernbedienung. Eine weiße Leinwand kam von der Decke und schob sich vor einen der Spiegel.

"Wir sind sehr froh Sie hier zu haben Miss.", sagte der Mann und lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück. Der alte Mann übernahm wieder das Wort.

"Wie wir hörten sind Sie eine begabte Zeichnerin. Und genau deswegen sind Sie nun hier." Auf der Leinwand erschien das Bild eines alten, mächtigen Gebäude. "Das ist unser Akademiegebäude. Hier werden unter anderem Künste wie Tanzen, Komponieren und natürlich auch Zeichnen gelehrt. Äußerst wichtige Künste." Der Dreadlocks-Mann schnaubte kaum merklich.

" Wir möchten Ihnen die Chance geben einen Platz an unserer renommierten Akademie zu bekommen."

Liv schnappte auf. Woher wussten sie das bloß alles? Sie hatte keinen der Männer jemals gesehen und auch mit Adam kein Wort übers Malen verloren. Und nun bekam sie einen Platz an dieser... ja, was war das überhaupt für eine Akademie?

"Ich sehe schon Ihre ersten Zweifel. Für Sie mag das alles ein wenig merkwürdig sein, aber Ihre Zeichenlehrerin an Ihrer Schule hat nur so von Ihnen geschwärmt..."

Aha, daher wussten sie es also.

"Nun gut, wir zeigen Ihnen nun ein paar Räumlichkeiten der Akademie."

Auf der Leinwand folgten nun unzählige Bilder von hellen Ateliers, Schülern beim Zeichnen einer antiken Skulptur und riesige Hallen voller Malutensilien. Liv war begeistert und staunte um so mehr.

"Sie erhalten natürlich Unterricht von den renommiertesten Künstlern des Landes. Und ein Stipendium. Wenn Sie gut genug sind."

"Ich...ich weiß nicht was ich sagen soll... ich bin..." Liv errötete doch wurde sofort von Adam unterbrochen.

"Lasst sie Zeichnen. Sie ist gut genug."

"Nun denn." Mit einem Handwink bedeutete er dem Mann zu seiner Seite aufzustehen, der aufsprang und einen Zeichenblock und mehrere Bleistifte vor Liv auf den Tisch legte. Der alte Mann nickte ihr zu.

"Was soll ich den Zeichnen?", fragte sie verunsichert. Sie wusste gar nicht was die Männer von ihr verlangten oder erwarteten.

"Malen Sie doch einfach ein Portrait von...", der alte Mann sah sich suchen zwischen den Männern um doch Adam nahm ihm die Entscheidung ab.

"...Mir." Daraufhin setzte er sich etwas auf uns sah Liv mit einem starren Blick geradewegs ins Gesicht. Gott, machte er sie nervös. Doch er ließ sich nicht beirren und starrte sie immer weiter an.

Liv nickte und begann. Sie war mit einem Mal so in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht merkte wie die Zeit verging und Adams Blick kaum merklich etwas weicher wurde. Nach einer Weile hatte sie die Skizze vollendet und legte sie etwas weiter weg von ihr auf den Tisch um sie aus der Ferne betrachten zu können. Adams eiserner Blick starrte sie von dem schneeweißen Blatt an.

Arthur, der Dreadlocks-Mensch, sah sie verblüfft an. Auch die anderen Männer sahen sie erstaunt an. Diese Blicke ehrten sie, doch eigentlich interessierte sie mehr was Adam dachte. Sie drehte sich etwas zu ihm und sah aus dem Augenwinkel wie er entgeistert erst das Bild und dann Sie anstarrte. Nervös wartete sie bis jemand ihre Arbeit bewertete. Als nach einer halben Ewigkeit immer noch niemand etwas gesagt hatte, gab sie die Hoffnung schon auf. Doch dann erhob sich der alte Herr, kam auf sie zu und schüttelte ihre Hand.

"Sie haben den Platz."

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Aug 03, 2019 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Ultramarinblau #yellowaward2019Where stories live. Discover now