Kapitel 10

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Julian Pov.

Inzwischen war es Frühjahr geworden. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Mit jeder Woche die verging würde Kai aufgeregter und lass mir jeden Wunsch von den Augen ab. In den letzten Wochen hatte er zusammen mit Timo das Kinderzimmer gestrichen und aufgebaut. Die beiden waren mit Feuereifer dabei gewesen und gar nicht mehr zu bremsen. Ich konnte öfters nur den Kopf darüber schütteln, was die beiden so alles verzapften. Doch meine Hilfe wollten die beiden ja nicht, ganz im Gegenteil, sie verdonnerten mich geradezu zum nichts tun. Obwohl ich doch eh nicht viel machen konnte mit meiner riesigen Kugel. Kai hatte heute ein Spiel und ich blieb allein zu Hause. Mittlerweile fielen mir selbst die einfachsten Dinge unheimlich schwer. Schwerfällig setzte ich mich auf die Choach, mein Babybauch hatte inzwischen wirklich  beachtliche Maße angenommen und eigentlich könnte es jetzt jederzeit los gehen. Den ganzen Tag schon spürte ich so ein Ziehen und leichte Schmerzen im Bauch, doch ich gab nicht viel darauf. In der letzten Zeit war das öfters vorgekommen und mein Arzt hatte mir erklärt, dass es sich dabei nur um Übungswegen handelte. Ich sah mir also das Spiel an, währenddessen wurden die Schmerzen immer stärker. Schmerzvoll keuchte ich auf. In der Halbzeitpause stand auf, um mir in der Küche etwas zu trinken zu holen, als ich plötzlich etwas nasses meine Beine runter laufen spürte. ,,Scheiße!" entfuhr es mir. Eilig griff ich nach meinem Handy und wählte Kais Nummer, doch dieser nahm nicht ab. Immer wieder versuchte ich es. Doch es blieb erfolglos. Als die zweite Halbzeit begann und Kai wieder auf den Platz trat, ergriff mich die Panik. Gleichzeitig wurden auch die Schmerzen langsam immer stärker. Verzweifelt wählte ich erneut die Nummer. Selbstverständlich ging niemand dran. Um die letzte Möglichkeit zu ergreifen, wählte ich eine halbe Stunde später, nachdem die Wehen immer stärker wurden, Timos Nummer. Es klingelte eine gefühlte Ewigkeit, dann meldete sich eine Stimme. ,,Werner." ,,Timo!" ,,Julian?!" ,,Timo du musst...Kai." Ich stöhnte schmerzerfüllt auf. ,,Was ist los?" fragte er alarmiert. ,,Das Baby! Es geht los!" ,,Jetzt?!" kam es panisch. ,,Ja." ,,Verdammte Scheiße! Ich hol Kai! Mach dir keine Sorgen. Bleib ruhig, Jule!" Dann legte er auf. ,,Na, der hat gut reden." Langsam ging ich zum Sofa zurück und ließ mich darauf sinken. ,,Lass dir noch ein bisschen Zeit, Prinzessin. Papa braucht noch ein bisschen." Im Fernseher ertönte gerade die Stimme des Stadionsprechers aus dem Lautsprecher. ,,Was ist denn da auf einmal bei unseren Blues los? Timo Werner steht wild winkend an der Seitenlinie. Was macht er den jetzt?!" Auf dem Bildschirm konnte ich sehen, wie Timo aufs Spielfeld rannte. Er blieb direkt vor Kai stehen und sagte etwas zu ihm. Im nächsten Moment stürmte dieser vom Feld in die Katakomben. ,,Was ist das denn?! Kai Havertz hat einfach das Spielfeld verlassen!" Mehr bekam ich nicht mehr mit. Ich konzentrierte mich einzig und allein auf die Schmerzen, die jetzt in immer kürzeren Abständen kamen und immer mehr an Intensität gewannen. Ich schlang meine Arme um den Bauch und krümmte mich zusammen, blendete alles andere aus. Es fühlte sich an wie Stunden, dabei waren es nur knappe zwanzig Minuten, bis die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. ,,JULE?!" Schritte ertönten im Flur, dann erschien Kai außer Atem, noch in seinem Trikot, nur eine Trainingsjacke übergezogen und die Schuhe gewechselt, im Türrahmen. ,,Kai." Erleichtert streckte ich meine Hand nach ihm aus. Sofort kam er zu mir. ,,Ahhh." Krampfhaft umklammerte seine Hand, als ich die nächste Wehe spürte. ,,Tief ein- und ausatmen, mein Schatz." Beruhigend streichelte er über den Babybauch. ,,Es tut so weh." brachte ich schmerzerfüllt hervor.  ,,Ich weiß, mein Engel." Langsam ebte der Schmerz wieder ab. ,,Wie oft kommen die Wehen?" ,,Weiß nicht. Alle fünf Minuten ungefähr." ,,Okay. Kannst du aufstehen?" Ich nickte und ließ mir von Kai auf die Beine helfen. Etappenweise gingen wir die Treppen runter zum Auto, mussten zwischendrin kurz anhalten, als mich die nächste Wehe überrollte.

Im Krankenhaus angekommen wurde ich zu allererst an ein CTG angeschlossen, um die Herztöne des Kindes und die Wehentätigkeit aufzuzeichnen. ,,Es sieht soweit alles sehr gut aus. Ich würde Sie dann vorbereiten und dann können Sie Ihre Kleine bald in den Armen halten." sprach sie Hebamme, Gott sei Dank auf Deutsch. Ich hätte jetzt echt nicht mehr die Nerven gehabt, das Englisch dauernd zu übersetzen. ,,Wollen Sie mit in den OP kommen?" wandte sie sich schließlich an Kai. ,,Ich warne dich, Kai! Sag jetzt bloß nichts falsches!" ,,Sie hören es ja. Natürlich komme ich mit." erwiederte er und strich mir sanft durch die verschwitzten Haare. ,,Du machst das großartig." flüsterte er. ,,Ich hab Angst, Kai!" meinte ich kurze Zeit, als ich auf dem OP - Tisch lag. ,,Es wird alles gut, mein Schatz." ,,Do you feel that?" fragte mich der Arzt. ,,No." ,,Okay. We beginning now." Angstvoll klammerte ich mich an Kais Hand fest, der mir beruhigend über die Haare und die Wange strich. Ich spürte das Ruckeln an meinem Bauch und kurz darauf ertönte ein Schrei. Augenblicklich schossen mir die Tränen in die Augen. ,,There we have the little girl. " Kurz darauf erschien die Hebamme mit einem kleinen Bündel neben mir. ,,Da ist die kleine Maus. Sie hat auch schon ganz schön mit uns geschimpft." Mit großen Augen sah ich das kleine Bündel Leben an, dass mir auf die Brust gelegt wurde. Vergessen waren die Schmerzen, die Freude überdeckte alles. Das Gefühl, welches ich empfand, als ich mein Kind, das erste Mal in den Armen hielt, war nicht in Worte zu fassen. Etwas schöneres hatte ich noch nie zuvor gespürt. ,,Hallo, mein Schatz!" murmelte ich leise und strich vorsichtig über das kleine Köpfchen. Freudentränen liefen über meine Wangen, die mir liebevoll weggewischt wurden. Freudestrahlend blickte ich Kai an, der meinen Blick nicht minder glücklich erwiederte. ,,Willkommen auf der Welt, meine kleine Prinzessin!" Behutsam fuhr er über ihre winzigen Fingerchen. ,,Ich nehm die Kleine nochmal kurz mit für die Erstuntersuchung, aber dann bring ich sie sofort zurück. Will der frischgebackene Vater mit?" Vorsicht nahm die Hebamme meine Kleine wieder an sich und sah Kai fragend an. ,,Geh schon." meinte ich, als ich seinen innerlichen Disput bemerkte. ,,Sicher?" Zustimmend nickte ich. Er beäugte mich noch einmal überprüfend, doch als ich ihn beruhigend anlächelte, stand er auf und folgte der Hebamme in einen angrenzenden Raum. Einige Minuten später, erschienen die beiden wieder und die Hebamme legte mir mein Baby wieder in die Arme. ,,Die kleine Maus kam um 23:36 Uhr auf die Welt, ist 47cm groß und wiegt 2763 Gramm." berichtete die Hebamme. ,,Jetzt bräuchte ich nur noch den Namen." Kai, der sich inzwischen wieder neben mich gesetzt hatte, blickte mich fragend an. Für einen Zweitnamen und den Nachnamen hatten wir uns bereits entschieden. Über den ersten Namen konnten wir uns bis jetzt nicht einigen. Aber Kai deutete mir nun ganz eindeutig an, dass ich es entscheiden sollte und mir war, als ich die Kleine das erste Mal sah, sofort einer in den Sinn gekommen. Einer meiner absoluten Favoriten, der jetzt meiner Meinung nach ziemlich gut passte. ,,Kiara." Bestätigend nickte er. ,,Kiara - Josephine Havertz." erklärte er. Selig lächelte ich und hielt Kiara an mich gedrückt, während ich langsam in den Schlaf abdriftete.

Erschöpft öffnete ich meine Augen und sah mich müde um. Ich befand mich in einem Krankenzimmer und begann im selben Moment zu lächeln. Kai lief mit unserer Tochter auf dem Arm im Zimmer auf und ab und erzählte ihr leise etwas. ,,Hey." sagte ich leise. Prompt drehte er sich zu mir um. ,,Juli! Wie gehts dir?" ,,Müde." Er kam auf mich zu und setzte sich auf die Kante meines Bettes. ,,Das hast du toll gemacht. Ich bin unheimlich stolz auf dich, mein Engel." meinte er und reichte mir Kiara, bevor er sich zu mir runter beugte und unsere Lippen zu einem gefühlvollen Kuss verband. ,,Schau mal, meine kleine Prinzessin. Das ist dein Papi, der wunderbarste Mensch auf der Welt." ,,Kai, was..." ,,Guck, jetzt wiederspricht mir der Papi wieder." sagte er. ,,Du hast uns das fantastischste Geschenk gemacht das es gibt. Absolut nichts wird das jemals übertreffen können." Freudestrahlend hielt ich die Kleine im Arm. ,,Sie ist so klein." ,,Sie ist absolut perfekt!" fügte Kai hinzu. Ich beobachtete ganz genau, wie sie ihr kleines Näschen kreuselte und schließlich mit ihrer Hand nach Kais Finger griff, der über ihre Wange strich und ihn festhielt. ,,Sie kommt nach dir." stellte ich mit Blick auf ihre dunklen Haare und die Gesichtszüge fest, die Kais bereits jetzt schon so ähnelten. ,,Wie spät ist es?" fragte ich nach einer Weile, in der wir einfach nur still da saßen und den Moment genossen. ,,Kurz nach halb drei." Entschlossen rutschte ich ein Stück zur Seite und zischte schmerzvoll auf, als ein Schmerz meinen Bauch durchzuckte. ,,Vorsichtig Sonnenschein, du hast eine frische Narbe." sagte er. ,,Hast du Schmerzen?" wollte er besorgt wissen. ,,Nein. Komm her." Auffordernd klopfte ich neben mich auf das Bett. Kai schlüpfte neben mir unter die Bettdecke und legte seine Arme um mich. Überglücklich kuschelte ich mich an meinen Verlobten und schloss die Augen. ,,Ich liebe dich, Jule." flüsterte er leise und küsste mich sanft auf die Stirn, strich liebevoll durch meine Haare. ,,Ihr beide seit mein Leben!" ,,Ich liebe dich auch, Kai." Behutsam wiegte ich Kiara in meinen Armen. Ich bin wunschlos glücklich. Mein Leben könnte nicht besser sein. Für diesen Augenblick waren alle Unannehmlichkeiten und Schmerzen der letzten Monate unwichtig. Immer wieder würde ich all das in Kauf nehmen, wenn ich dafür dieses wunderbare Geschenk in meinen Armen halten darf und mit Kai, meiner großen Liebe zusammen sein kann. Ich habe die beiden wichtigsten Menschen an meiner Seite. Mit Kai und unserer Tochter kann ein neuer Lebensabschnitt beginnen, der alles vorherige übertreffen wird. Alles ist perfekt!




The End


Sweet Follow Of Separation Where stories live. Discover now