12 "Soll ich mich noch ausziehen?"

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Liam wanderte wie ein Tiger im Käfig in dem kleinen Büro auf und ab, „hmmte" hin und wieder vor sich hin und drehte eine weitere Runde auf dem dunklen Teppich, der auf den weißen Fliesen lag, hin und her. Hinter ihm thronte ein riesiger Mahagonischreibtisch, der unter seiner Last an Zettelhaufen beinahe zusammenzubrechen schien, wenn er nicht so massiv gebaut gewesen wäre.

Wie die Hühner auf der Stange saßen Elissa, Andrés und Maila auf einem kleinen Ledersofa, das achtlos an die Wand neben der Tür geschoben stand und als einzige Rettung vor der Flut an Papierstapeln und Pferdebüchern diente. Fachbücher, über einander gestülpt und gestapelt türmten sich auf dem Fußboden, von dem allein der Pfad, den Liam gerade beschritt, sichtbar war.

„Liam, spuck's schon aus", grummelte Andrés jetzt ziemlich genervt. Er hatte vor einigen Runden angefangen, bei jeder neuen Tour Liams theatralisch aufzustöhnen und die Augen zu verdrehen.

„Geduld ist eine Tugend. So wie Pünktlichkeit und Anwesenheit", belehrte Liam jetzt.

„Ordnung zählt da aber nicht dazu, oder?", konnte sich Maila den Kommentar nicht verkneifen. Andrés neben ihr fing das Lachen an.

„Sehr witzig. Verpasst habt ihr eigentlich nur die offizielle Ansage beim Abendessen", fuhr Liam jetzt fort und setzte zur nächsten Runde an.

„Und die besagte?"

„Ich könnte jetzt behaupten, dass du das schon wissen könntest, Andrés, wenn ihr mich nicht dauernd unterbrechen würdet", Liam grinste ihn verschlagen an, „Die besten Zehn dürfen mit auf einen Lehrgang, der nächstes Wochenende stattfinden wird. Zum einen zählt da natürlich das Training mit rein, zu dem man dann auch anwesend sein sollte", vielsagend zog er die Augenbrauen hoch. „Zum anderen wird ein kleiner Parcours auf der Vielseitigkeitsstrecke noch mit rein spielen, denn der Lehrgang wird sich mit allen drei Sparten der Vielseitigkeit beschäftigen"

„Also sind noch neun Plätze zu vergeben?", Andrés stellte diese Frage sehr süffisant.

Liam sah ihn verwundert an, „Nein, zehn?"

„Also neun", schloss Andrés zufrieden und Maila ahnte, worauf er hinauswollte.

„Erklärst du es mir?", fragte Liam jetzt.

„Na, Valerie wird ihren ja schon sicher haben, nicht?"

Liam atmete geräuschvoll aus, „Das liegt nicht an mir, das zu entscheiden"

„Aber hat er Recht?"

Liam rollte jetzt so mit den Augen, wie Andrés es vorhin noch getan hatte, „Vermutlich", gab er dann zu.

„Elissa, du kannst gehen", verkündete er dann grinsend, „du wirst bei Störenfried eins und zwei eh nur mitgezogen worden sein. Du hast mich ja schließlich auch nicht unterbrochen"

„Das kann jetzt nicht dein Ernst sein!", stand Andrés gleichzeitig mit Elissa auf, die sich dann zum Gehen wandte.

„Doch. Deswegen sehen wir drei uns morgen früh um kurz nach sechs im Stall. Pünktlich, Anwesend, und in Reitklamotten. Ich wünsche noch einen schönen Abend!"

Wenn Blicke töten könnten, hätte Liam jetzt vor Andrés auf dem Boden gelegen und keinen Atemzug mehr gemacht. Funktionierte nur nicht, stellte Maila fest, als sie Andrés zur Tür hinaus folgte.

„Maila?", als sie sich umdrehte, grinste sie Liam an, „ich mache dich verantwortlich, dass jetzt nichts zu Bruch geht"

„Vielen Dank auch", verdrehte sie die Augen und hängte sich dann an Andrés Fersen.

Hufspuren im SandWhere stories live. Discover now