1| Blaue Augen

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Das ist also mein letztes Jahr an der High School. Für die meisten ja ein Grund zum feiern, für mich allerdings ein Grund mich zu erschießen. Ich habe nämlich weder einen Plan noch einen Hauch einer Idee, was ich nach diesem Jahr anstellen soll. Ganz im Gegenteil zu meiner besten Freundin Phoebe, die gerade auf mich zu gerannt kommt. Ihre schwarzen, langen Haare wippen hin und her und selbst aus dieser Entfernung kann ich ihre braunen Augen strahlen sehen. Jeder Junge der Oberstufe und darunter steht auf sie. Bei ihrer Art ist das auch kein Wunder. Sie trägt immer ein Lächeln auf den Lippen, hat aber dennoch schlagfertige Sprüche auf Lager und sie weiß genau wann sie was davon einsetzen muss. Ich hingegen bin nicht ganz so beliebt wie Phoebe und das ist auch gut so. Im Mittelpunkt zu stehen war noch nie meine Absicht. Ich bin eher die beste Freundin von dem Mädchen, das immer auf Partys eingeladen wird und sich vor Dates kaum retten kann. Und ich gönne ihr diese ganze Aufmerksamkeit von Herzen, weil sie ein so liebevoller Mensch ist.
"Da bist du ja, Maisie. Was stehst du hier eigentlich so rum?", aufgedreht wie eh und je zerrt mich Phoebe über den Schulhof.
"Ich war bloß in Gedanken versunken.", antworte ich und laufe meiner besten Freundin hinterher in das Schulgebäude. Wir laufen durch die Flure und machen Halt an unseren Schließfächern, die in einem tristen grau unsere Schule aufheitern.
"Und warum machst du dann so ein Gesicht. Das ist der erste Schultag in unserem letzten Jahr. Genieße es und habe Spaß.", nebenbei wirft sie ein paar Bücher in ihr Schließfach und betrachtet mich mit einem strahlenden Lächeln.
"Wahrscheinlich könnte ich es genießen, wenn ich wüsste was ich danach machen werde.", antworte ich monoton und werfe die Tür meines Schließfaches zu.
"Warum studierst du nicht Kunst. Ist ja nicht so als wärst du talentiert darin." Phoebe deutet mit ihren Finger auf ein Portrait, dass ich mal von ihr gemalt habe.
"Mit dem Zeichnen könnte ich aber nicht meinen Lebensunterhalt bezahlen. Vielleicht werde ich einfach Erzieherin wie meine Mutter und Polizist wie mein Dad.", schlage ich vor und verschränke die Arme vor meiner Brust. Phoebe schaut mich ernst an, knallt ebenfalls ihr Schließfach zu und setzt sich dann mit mir in Bewegung.
"Du kannst kleine Kinder doch gar nicht ausstehen und den ganzen Tag irgendwelche Verbrecher verhaften wäre dir auf Dauer zu langweilig. Du musst etwas kreatives machen. Bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass du mehr als nur Talent hast. Du besitzt eine einzigartige Art die Dinge auf Papier oder Leinwand zu bringen.", versucht sie mir weiß zu machen, doch ich bin der Meinung, dass meine Zeichnungen nicht mehr als durchschnittlich sind.
"Danke Phoebe für deine Unterstützung, aber können wir das Thema nicht einfach abhaken?", fragend schaue ich meine beste Freundin an, während wir unseren Klassenraum betreten.
"Fürs erste.", antwortet sie und setzt sich auf den Platz neben mir.
Zum Glück sind die Lehrer gnädig und lassen uns heute bereits nach der sechsten Stunde gehen. Ich hätte nämlich keine Lust bis vier Uhr meinen ersten Tag nach den Ferien in der Schule zu verbringen. Zum Unterricht hat es schon vor einigen Minuten geklingelt, doch die Gespräche der Schüler verstummen erst als Mr. Robinson in die Hände klatscht. Sofort schauen alle nach vorn in das etwas rundliche Gesicht des alten Mannes.
"Wie ich sehe habt ihr alle gesund und munter die Ferien überstanden. Ich wünsche euch viel Glück in eurem letzten Schuljahr und fröhliches Schaffen. Aber bevor wir mit dem Unterricht beginnen möchte ich euch Ethan James vorstellen.", er zeigt auf einen jungen, schwarzhaarigen Mann mit funkelnden, blauen Augen, die mir erstaunlicherweise bekannt vorkommen. "Mr. James wird uns das nächste halbe Jahr in Englisch und Literatur begleiten. Er ist Referendar und wird die meiste Zeit eigentlich nur hospitieren. Falls jemand aber Fragen zum Stoff hat kann er sich auch an Mr. James wenden."
Die restlichen Worte von Mr. Robinson bekomme ich nur verschwommen mit. Meine volle Konzentration liegt auf diesen blauen Augen, die mich ebenfalls anschauen. Woher kenne ich bloß diese Augen? Aber wenn ich diese Augen kenne, dann muss ich logischerweise auch Mr. James kennen. Es nervt mich, dass ich mich nicht an ihn erinnern kann. Anscheinend möchte Mr. Robinson mit dem Unterricht beginnen, denn er bittet unseren Referendar sich einen freien Platz zu suchen und da nur noch im hinteren Teil Plätze frei sind, muss Mr. James dort Platz nehmen. Dabei nimmt er den Gang zwischen den Bänken an dem ich sitze. Als er an mir vorbei läuft schenkt er mir einen kurzen Blick, den ich nicht deuten kann. Das Brennen seiner Blicke auf meinem Rücken wird ganz unangenehm, doch ich kann es einfach nicht ignorieren. Viele Fragen schwirren mir im Moment durch den Kopf, doch die Antworten dazu fehlen.

*

Ich werde jetzt jeden Tag ein kleines Kapitel updaten. :)

A Short Lovestory Where stories live. Discover now