Sieben [Deu]

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 Der Abend war schon lange angebrochen und das Dunkel der warmen Sommernacht kroch durch das gekippte Fenster hinein ins Zimmer

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Der Abend war schon lange angebrochen und das Dunkel der warmen Sommernacht kroch durch das gekippte Fenster hinein ins Zimmer. Nur das gedämpfte Licht einer kleinen Lichterkette, die Eric auf der gegenüberliegenden Wand angebracht hatte, spendete den Geschwistern Licht. Während ihre Eltern bereits tief schliefen, lagen die beiden wach im Bett, Erics Beine am Kopfende, Saras am Fußende, ihre Köpfe nebeneinander in der Mitte.

„Als Kinder haben wir immer so gelegen", erinnerte sich Eric und blickte hoch zur Decke.

„Ach ja, ich wünschte, wir könnten wieder Kinder sein", seufzte Sara. „Leider kennt das Leben nur eine Richtung: vorwärts."

Für einen Moment herrschte Stille in dem kleinen Zimmer, bis Eric leise zu sprechen begann.

„W-wenn es so weit ist un-und du gehst," er musste schlucken, bevor er weitersprechen konnte, „werde ich dich dann nie wieder sehen? Werde ich dann nie wieder mit dir lachen, mit dir streiten können? Werde ich dann ganz alleine sein?"

Seine Schwester drehte ihren Kopf zur Seite und blickte ihn aus ihren hellen, blauen Augen an.

„Du wirst nie alleine sein. Ich werde dich nie ganz verlassen," versicherte sie ihm aufrichtig. „Ich werde nur auf eine andere Weise bei dir sein."

„Aber noch gehst du ja nicht, richtig?" seine Stimme klang zweifelnd und er wollte noch mal, dass es Sara wirklich aussprach.

„Nein, noch nicht. Aber irgendwann. Bis dahin werde ich dir dabei helfen, dass es nicht zu schwer für dich wird."

„Versprochen?!"

Sie streckte ihren kleinen Finger aus und lies Eric den seinen einhacken: „Versprochen."

„Das ist schön, du und ich hier. Warum kann das nicht für immer sein."

„Du hörst mir wirklich nicht zu", kritisierte sie ihn geschwisterlich und gab ihm eine Kopfnuss mit der geschlossenen Faust.

Der kleine Schlag auf seine Stirn hallte schwach durch den Raum.

„Au!" rief Eric und rieb sich die Fläche zwischen Augen und Haaransatz.

Kurz nach dem er sich den Schmerz verrieben hatte, ertönte ein zweiter Schlag, dessen Schall durch das Zimmer zu den Ohren drang. Dieses Mal war es nicht aufgrund eines Schlages von seiner Schwester. Die beiden hoben den Kopf und blickten auf, doch sie konnten nichts im Zimmer entdecken, das das Geräusch verursacht haben könnte. Daher legten sie sich wieder auf das Bett. Allerdings nur für ein paar Sekunden, da dann das Geräusch wieder ertönte.

Dieses Mal konnte er Junge die ungefähre Richtung des Geräusches bestimmen. So stand er auf und ging hinüber in Richtung des Fensters, während Sara zurück auf dem Bett blieb. Von dort vermutete er das Geräusch. Erneut hörte er ein kurzes Klackern, als er vor dem Glas stand. Gerade so konnte Eric erkennen, dass ein kleines Steinchen gegen das durchsichtige Glas geflogen war und das Geräusch verursacht hatte. Vorsichtig blickte der Junge hinaus in die Dunkelheit.

Unten im Garten konnte er eine gebeugte Gestalt erkennen, die nach weiteren kleinen Steinen suchte. Durch den Schein der Straßenlampe, der einzigen Lichtquelle in der Nähe, welcher sachte auf die Gestalt fiel, wurde diese als Alice erkennbar. Überrascht über den nächtlichen Besuch blickte Eric zu seiner Schwester hinüber, die sich mittlerweile aufgerichtet hatte.

Ohne gesehen zu haben, wer dort draußen auf ihre Bruder wartete, sagte Sara: „Na los!"

Eric warf noch einen Blick auf seine Schwester, bevor er das Fenster öffnete und sich hinausbeugte.

„Alice, was zum Teufel machst du hier mitten in der Nacht!?"

„Hey, Freund!" sie winkte ihm im Dunkeln entgegen. „Ich will dir was zeigen, aber dazu musst du mitkommen."

„Spinnst du?! Es ist mitten in der Nacht, "Wieder blickte er zu Sara hinüber. „Außerdem habe ich etwas zu tun und keine Zeit!"

„Lügner!" zischte Sara von der Seite.

„Komm schon!" bat Alice und zog eine kindliche Schnute, die Eric im Dunkeln jedoch nicht sehen konnte.

„Ja, komm schon. Geh!" pflichtete auch Sara bei. „Du kannst nicht ewig Nein sagen."

Damit stand es zwei gegen eins und Eric fand sich in einer Zwickmühle wieder. Zwar wollte er den Abend lieber weiterhin mit seiner Schwester verbringen, doch sie selbst drängte darauf, dass er ging. Außerdem war er auch neugierig auf das, was das verrückte Mädchen vorhatte.

„In Ordnung," rief er leise hinunter zu Alice, „ich komme runter! Warte!"

Das junge Mädchen sprang mit beiden Händen nach oben gerissen in die Luft und jubelte still. Eric ging vom Fenster weg und hinüber zur Türe.

„Ich bin bald wieder da. D-du bist doch dann noch da, oder?"

„Ich bin da, wenn du mich brauchst."

Mit einem mulmigen Gefühl ging Eric aus dem Zimmer und hinunter in die Eingangsdiele, um sich seine Schuhe anzuziehen. Keine fünf Minuten später stand er neben Alice im Garten.

„Was ist jetzt los?!" fragte er zwischen Neugier und Unmut über die späte Störung.

„Nicht hier!" erklärte Alice und zog ihn am Ärmel mit sich. „Wir müssen in die Stadt fahren."

„WAS?!" Eric konnte nicht glauben, was sie mitten in der Nacht vorhatte. Dennoch lies er sich von einer begeisterten Alice mitschleppen. „Ich hoffe es lohnt sich!"

„Ja, das wird es, sicher!" versprach sie.

Den Rest der Zeit über verbrachten sie eher stillschweigend, auch wenn Eric hin und wieder leise überlegte doch noch nach Hause und zu Sara umzukehren. Er tat es nicht. Selbst Alice war eher schweigsam die Fahrt über im Bus. Darin fuhren sie etwa dreißig Minuten durch die nächtliche Stadt. Sobald sie auf die großen belebten Straßen einbogen, verschwand das Dunkel und wurde durch die bunten Neonlichter ersetzt, die grell in den Augen brannten, sollte man zulange hineinblicken. Überall wimmelte es von Leuten, die alleine oder in kleinen Gruppen, die lebhafte Straße entlang gingen.

Cherry Blossoms Falling from a TreeWhere stories live. Discover now