Acht [Deu]

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 Der Bus verließ das belebte Zentrum recht schnell wieder und fuhr weiter bergaufwärts in Richtung Nordwesten

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Der Bus verließ das belebte Zentrum recht schnell wieder und fuhr weiter bergaufwärts in Richtung Nordwesten. Schließlich hielt er wieder einmal an und Alice machte sich zum Ausstieg bereit. Eric folgte ihr wenige Sekunden später und stieg mit ihr vor einem großen Backsteingebäude aus, das mehrere Stockwerke hoch war. Das städtische Krankenhaus. Zu seiner Überraschung lief Alice nicht weiter die Straße entlang, sondern direkt auf den großen Eicheneingang des Krankenhauses zu.

„Was wollen wir hier?" fragte Eric und wunderte sich, was das Mädchen ihm hier zeigen wollte.

„Hab noch ein bisschen Geduld. Das siehst du gleich!" wieder verriet nur ein geheimnisvolles Lächeln ihren Zielort.

Die Eichentüre war noch wenige Meter entfernt und dahinter leuchtete die Eingangshalle in kühlem Weiß.

„Hey, du kannst da nicht so einfach rein!" versuchte Eric Alice abzuhalten. „Nicht so spät!"

„Vertrau mir einfach!"

Mit dem Schwung ihrer Hüfte drückte sie die Glastüre nach innen auf und ging hinein. Zögerlich folgte Eric ihr hinein. Die Eingangshalle war wenig besetzt nur auf der rechten Seite saß hinter einer Glasbox eine Mitarbeiterin. Als die Türe ins Schloss fiel, blickte sie überrascht über den späten Besuch auf. Fast schon rechnete Eric damit, dass sie die beiden sofort hinauskomplimentieren würde. Doch als der Blick der Empfangsdame auf Alice fiel, lächelte sie und mit lediglich einem tadelnden Blick hob sie ihren rechten Arm und deutete mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf ihre Armbanduhr. Als Reaktion darauf hob Alice im Weiterlaufen beide Hände, legte die Handflächen zusammen und bat still um Erlaubnis. Mit einem Seufzen wurde ihr diese gewährt und die beiden nächtlichen Neuankömmlinge durften den Eingangsbereich passieren. Das ganze Szenario lief so ab, als würden sich Alice und die Dame am Eingang persönlich kennen, was Eric noch mehr verwirrte. Mit wem zum Teufel war er hier unterwegs?

„Gleich sind wir da, nur noch in den Aufzug!" unterbrach Alice seine Gedanken und lies mit einem Knopfdruck die Aufzugtüren aufgehen.

Immer noch völlig verwirrt und ohne Plan fuhr Eric zusammen mit Alice bis in den 14. Stock hinauf. Mit einem leisen Pling öffneten sich die Türen und die beiden stiegen aus.

„Jetzt noch die Treppen hoch!" wies Alice an und lief die wenigen Meter im Gang, bis sie zu einer grauen Stahltüre kamen, die sich als Eingang ins Treppenhaus herausstellte.

Mittlerweile war sich Eric sicher, dass Alice den Weg nicht zum ersten Mal ging. Mit schnellen schritten lief sie die restlichen Stufen hinauf und dann hielt seine Begleiterin vor der letzten Türe an.

„Wir sind da?" sagte sie emotionsgeladen.

„Das ist das Dach," erklärte Eric ihr.

Sie hörte gar nicht auf ihn, sondern öffnete die Türe und trat als Erste hinaus. Der Junge folgte ihr ohne große Erwartung oder Ahnung, warum sie ihm das nächtliche Dach des Krankenhauses zeigen wollte. Das änderte sich, als er zur Brüstung trat und sich umsah.

Überall unter ihnen erstreckten sich die bunten Lichter der Stadt, die einen leichten Glanz hinauf in den dunklen Nachthimmel warfen, der von kleinen leuchtenden Sternen durchzogen war. Der Fluss, welcher sich durch den südlichen Teil der Stadt zog, bildete eine dunkle Narbe im Lichtermeer. Noch nie zuvor hatte Eric die Stadt aus dieser atemberaubenden Perspektive gesehen.

„Wir befinden uns hier am höchsten Punkt der Stadt," erklärte Alice ihm. „Das ist der Grund, warum ich diesen Ort so mag."

Der Junge reagierte nicht auf seine Begleiterin, da er noch immer das magische Panorama, das ihn umgab, mit den Augen einsaugte. Für einen kurzen Moment vergaß er alles und jeden.

„Woher weißt du von diesem Ort?" endlich fand der Junge seine Stimme wieder.

Alice schwieg und blickte hinaus auf das Meer an leuchtenden Lichtern.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht in der Nachbarschaft gesehen hast, weil ich lange weg war," ihr Blick verlor sich am Horizont. „Die Wahrheit ist, dass- dass ich die letzten Jahre hier verbracht habe."

„Du meinst-"

Sie lies Eric nicht ausreden und nickte schnell: „Als Patientin."

„Oh!" mehr konnte Eric nicht sagen und fühlte sich dennoch dumm dabei.

„Deshalb hatte ich auch noch nie einen richtigen besten Freund. Alle Freunde, die ich vorher hatten, sind irgendwann verschwunden. Wer will schon mit jemandem befreundet sein, dessen ganzes Leben auf 16 m² stattfindet.

Deshalb wollte ich dir das hier zeigen. Damals habe ich mir versprochen, dass, wenn ich das alles überstehen sollte, ich einen besten Freund finde, dem ich das alles hier zeigen kann. Und jetzt ist es so weit."

Sie grinste und zum ersten Mal steckte ihre überschwängliche Fröhlichkeit auch Eric an. Dann wandte sie sich von der nächtlichen Szenerie ab und stellte sich Eric gegenüber. Nervös fasste sie den unteren Rand ihres Shirts an und zog es langsam nach oben.

„W-was machst du da?"

„Das habe ich noch nie jemanden gezeigt."

Mit zittrigen Fingern fuhr sie fort, ihren Oberkörper zu entblößen. Als das Shirt über ihrem Bauchnabel war, starrte Eric urverwandt auf ihren Körper. Eine große etwa einen Zentimeter dicke Narbe zog sich ungefähr 5 Zentimeter über ihrem Nabel hinauf und wurde mit jedem Stück, das Alice das Shirt hinaufzog, länger. Erst kurz vor ihrem Schlüsselbein endete die Linie.

„Da-darf ich?" fragte er vorsichtig und, erst nachdem ihn Alice es mit einem kleinen Nicken erlaubt hatte, berührte er die Narbe sachte. Tränen füllten seine Augen bei dem Gedanken, wie unfair und schmerzvoll das Leben für Alice bisher gewesen war. Schnell zog er seine Finger wieder zurück, aus Angst er könne ihr wehtun.

„Es tut nicht weh," versicherte Alice."Nicht mehr. Es ist eine Erinnerung an mein neues Herz und daran, wie dankbar ich für das Geschenk eines zweiten Lebens sein kann. Auf das ich niemals vergesse, dieses Leben zu schätzen. Es zu genießen."

Sie lies das Shirt wieder nach unten gleiten und verbarg somit zumindest sichtbar ihre Narbe.

„Die Zeit muss unglaublich schwer für dich gewesen sein," Eric konnte nicht einmal im Ansatz ahnen, wie er in so einer Situation reagieren würde.

„Um ehrlich zu sein, hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, das Krankenhaus jemals lebend zu verlassen. Doch dann- es klingt vielleicht komisch – einige Stunden bevor die Ärzte sagten, dass ich ein neues Herz bekomme, geschah etwas merkwürdiges.

Ich lag in meinem Bett und blickte aus dem Fenster. Von dort konnte ich immer auf einen alten Kirschbaum blicken, der ihm Park stand. Er war voller rosa Kirschblüten, deren Duft durch das geöffnete Fenster in meine Nase stieg. Es roch nach Freiheit und Leben. Auf einmal kam ein richtiger Windstoß auf und zerrte an den zarten, kleinen Blüten. Obwohl sie versuchten dem tobenden Sturm standzuhalten, wurden einige abgerissen und in die Luft geschleudert. Der Baum war ein paar Meter von meinem Zimmer entfernt, trotzdem sah ich auf einmal dieses eine Blatt, als würde es nur ein paar Zentimeter vor mir zu Boden fallen.

Wie in einer Zeitlupe wog sich das Blatt von links nach rechts, während es gleich einer Ballerina, die ihre Pirouetten drehte, hinuntergleitete."

Cherry Blossoms Falling from a TreeWhere stories live. Discover now