Lucy | 2

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Noch am selben Abend ging ich zu meinem Vater

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Noch am selben Abend ging ich zu meinem Vater. Er war schon seit einer Stunde daheim gewesen und bereitete gerade in der Küche sein Essen vor. Perfekter Zeitpunkt.

„Willkommen zu Hause!", rief ich durch den Flur hindurch. Mein Körper erreichte kurze Zeit nach meiner Stimme meinen Vater.

„Lucy. Ich wollte gerade nach dir sehen. Wo steckst du denn in den letzten Tagen? Man sieht dich ja kaum noch."

„Hab viel zu tun. Lernen und arbeiten. Du weißt ja wie das Leben so ist."

Natürlich hatte ich das Thema nicht sofort angesprochen. Erst einmal genoss ich unser gewöhnliches philosophisches Gespräch über die Welt. Solche Gespräche hatten wir schon seit einer Weile nicht mehr geführt, einfach nur aus dem Grund, dass ich es nicht mehr mochte Dinge zu hinterfragen. Mittlerweile hatte ich sogar eine Angst davor entwickelt nachzudenken. Was ich früher liebte betrachtete ich nun aus der Ferne.

Nach einigen Gesprächsthemen nahm ich all meinen Mut zusammen und brachte es über mich.

„Papa, ich hab eine Frage. Was würdest du eigentlich tun, wenn ich Interesse an Frauen hätte? Ich hab mich schon immer gefragt wie du über dieses Thema denkst."

Ich versuchte es so unauffällig wie möglich zu tun. Schließlich wollte ich nichts sagen, was ich später bereuen würde. Mein Herz begann zu rasen. Was würde wohl eines der wichtigsten Menschen in meinem Leben dazu sagen?

„Wenn du Interesse an Frauen hättest würde ich einen Monat lang weinen."

Das war seine Antwort, gefolgt von einem Lachen.

Er lachte, als wäre es witzig.

„Das wäre wirklich grauenvoll.", fügte er noch hinzu.

In diesem Moment zerbrach meine Welt. Meine Vorstellung von einer perfekten, ausgeglichenen Welt, in der jeder jeden akzeptieren könnte, wurde zerstört und ich fühlte mich plötzlich ganz alleine.

Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch mein Herz war gebrochen und meine Hände zitterten. Wieso nahm mich das so mit?

In derselben Nacht noch, als ich meine Haare kämmte, verweilte ich eine Weile vor dem Spiegel, und betrachtete mich selber. Es waren nun drei Monate vergangen seitdem ich diesen ersten Gedanken gehabt hatte. Was, wenn ich doch Bi war? Was, wenn mir auch Frauen gefielen?

In dieser Nacht tat ich was wohl jeder andere an meiner Stelle tun oder auch nicht tun würde. Ich ging Tests durch. Bist du Bi? Ob du homosexuell bist. Finde heraus ob du auf das gleiche Geschlecht stehst. Woran du erkennst, dass du Bi bist. Ich schlief nicht. Stattdessen ging ich jeden einzelnen Test, jeden einzelnen Artikel, den ich fand, durch. Die Resultate waren unterschiedlich. Mal kam raus, dass ich auf jeden Fall bi sei. Mal kam raus, dass ich zu hundert Prozent heterosexuell sei.

Die Tests verwirrten mich nur noch mehr. Nun verstand ich gar nichts mehr. War ich denn Bi oder nicht? Wieso war das alles so kompliziert

Bessere Frage: Wieso hatte ich denn überhaupt gedacht, dass dies einfach sein würde?

Another passengers story | LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt