sie; zwei

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Eines Morgens wachte sie keuchend auf.

Ihre wirren, ungebändigten Gedanken hatten sich im Schlaf gegen sie verschworen und ein Traum war entstanden, der sie beim bloßen Gedanken daran ein wenig schneller atmen ließ.

Es war Monate her, seit sie das letzte Mal richtig mit ihm gesprochen hatte und doch war er immer irgendwie präsent in ihrem Leben.

So auch in dieser Nacht, in der Nacht als sich ein kleines Glitzern in ihrem Inneren, das dort verstreut worden war, als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, ausbreitete.

In dieser Nacht hatte sie zum ersten Mal von ihm geträumt.

Es war nur ein kurzer Traum gewesen und sie konnte sich nur an vereinzelte Fetzen davon erinnern.

Eigentlich erinnerte sie sich am meisten an das Gefühl, das der Traum in ihr ausgelöst hatte.
Ein Gefühl der Sicherheit, Wärme, und, so ungern sie es auch zugeben mochte, ein Gefühl als wäre alles genau richtig.

Sie hatte davon geträumt ihm zu gehören, voll und ganz.

Und ohne jegliche Einschränkungen hatte er auch ihr gehört.

Und sie hatten sich geliebt.

Bei dem Gedanken an den Traum stiegen ihr Tränen in die Augen. Ob es Tränen des Schmerzes, der Verzweiflung, der Hoffnung oder Schönheit ihres Traums waren, vermochte sie nicht zu sagen.

Sie würde ihren Freundinnen nicht davon erzählen können, immerhin war es doch eine der wichtigsten Regeln in einer funktionierenden Freundschaft, niemals den Jungen der besten Freundin zu begehren.

Sie hatte zwar zuvor noch nie wirklich darüber nachgedacht wie es wäre an seiner Seite zu sein, und zwar auf eine andere Art als früher, aber trotzdem fühlte sie sich sofort schlecht und vor allem von ihrem Unterbewusstsein verraten.

Überhaupt war es alles ihre Schuld, dass ihre Freundin unglücklich war, sie hätte sich mehr bemühen müssen sie und ihn zu verkuppeln.

Auf einmal fand sie sich selbst unausstehlich und hinterhältig.

Nie wieder würde sie ihm auch nur einen Funken an Aufmerksamkeit zukommen lassen dürfen.

Wenigstens das war sie ihrer Freundin schuldig.

Natürlich hielt sie es nicht lange aus, niemandem von ihrem Traum zu erzählen.

Die Gefühle und Gedanken in ihrem Inneren wühlten sie zu sehr auf, als dass sie sich niemandem hätte anvertrauen können.

So erzählte sie ihren drei besten Freundinnen davon.

Der vierten, dem Mädchen welches sie ungewollt so sehr hintergangen hatte, konnte sie nie etwas von ihrem Traum erzählen. Sie brachte es nicht über sich, ihren ungewollten Verrat zu gestehen.

Ihre drei besten Freundinnen verurteilten sie nicht.

Zwar war sie erleichtert, aber der Knoten in ihrem Inneren hatte sich noch nicht gelöst; er zog sich mit jedem Tag weiter und weiter zu.

Und jedes Mal wenn sie ihn sah, spürte sie ein kleines Vibrieren in ihrer Brust. Sie spürte wie die kleine Wolke aus Glitzer immer größer wurde und Sterne entstanden, die ihre Brust erhellten, bis sie nur noch einem großen schwarzen Loch gegenüberstanden;

einem schwarzen Loch in der Form von braunen Augen, die einst so unergründlich und wunderschön gefunkelt hatten, als er sie angesehen hatte.

𝐔𝐍𝐄𝐑𝐖𝐈𝐃𝐄𝐑𝐓, wattys 2018 winnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt