2 | Eine schwere Entscheidung

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»Das ergibt doch gar keinen Sinn... Warum will dein Großvater, dass du verschwindest, wenn du doch das Letzte bist, was ihm aus seiner Familie geblieben ist?« Jasmin mustert mich neugierig und streicht mir dabei über die nackte Brust.

Ich zucke schwach mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung.«

Doch das ist eine Lüge. Eine Ahnung habe ich nämlich. Er möchte mich loswerden, - anders kann ich mir das nicht erklären. Anders lässt es sich garnicht erklären. Und allein der Gedanke, dass das stimmen könnte, weckt verschiedene Gefühle in mir. Schmerz, Bedauern und vor allem Wut.

Nach allem was passiert ist, kann ich nicht fassen oder gar glauben, dass er das tatsächlich will. Dass er mich aus seinem Leben haben will. Damals hat er mir noch versprochen, mich nie mehr alleine zu lassen... Nach jenem Abend hat er mir geschworen, immer an meiner Seite zu bleiben und mich über alles andere zu stellen. Nach der Nachricht, die mein ganzes Leben in den Abgrund gezogen hat, war er die einzige Hoffnung, die ich hatte. Er war das einzige, dass mich am Leben gehalten hatte.

Nur Großvater habe ich zu verdanken, dass ich heute hier stehe und der bin, der ich bin. Und so groß der Dank und die Liebe dafür sind, kann ich ihm nicht verzeihen, dass er mich nun vertreiben will. Ich kann ihm nicht verzeihen, dass sein Versprechen damals eine Lüge gewesen sein soll.

Denn wie es aussieht ist sie nichts anderes als das. Eine Lüge, die er über Jahre gelebt hat... Die ich über all die Jahre gelebt habe.

Ich schlucke den bitteren Geschmack in meinem Mund herunter und versuche die Gedanken an all das so gut es geht zu verdrängen.

»Was willst du jetzt machen? Du gehst doch nicht, oder?« Jasmin hört sich nicht gerade erfreut an, doch das ist mir im Moment egal. Ich bin viel zu mitgenommen. Deshalb antworte ich ihr auch nicht, sondern schiebe sie sanft von mir und stehe auf, um mir meine Anziehsachen überzuziehen.

»Wo willst du hin?«

Ich drehe mich zu Jasmin, ziehe mit der einen Hand den Reißverschluss meines Hosenstalls zu, während ich mir mit der anderen durch die Haare fahre und versuche, sie somit irgendwie zu richten. »Raus. Einfach nur raus.«

Sie öffnet ungläubig den Mund. »Aber du kannst mich doch nicht einfach so liegen lassen!«

Ich verdrehe die Augen. »Tu nicht so, als hättest du das noch nie getan. Ich brauche gerade einfach wieder ein bisschen frische Luft und Zeit für mich. Versteh es, oder tu es nicht. Ist mir um ehrlich zu sein scheißegal.«

Mit diesen Worten drehe ich mich wieder weg und laufe auf die Tür zu, die ich mit einem Mal aufreiße. Hinter mir schließe ich sie wieder, - so viel Anstand muss sein, denn Jasmin ist immer noch nackt und würde es sicherlich alles andere als toll finden, wenn sie irgendwer wegen mir entblößt sehen würde. Wobei... so sehr stören würde es sie wahrscheinlich nicht, doch ich denke, dass ich mich ihr gegenüber mehr als genügend wie ein Dreckskerl benommen habe.

»Wo willst du hin?«

Ich laufe an Lewis vorbei und remple ihn dabei mit Absicht an, was dazu führt, dass er einpaar Schritte zurück taumelt. Das was er vorhin über meinen Alten gesagt hat, nehme ich ihm immer noch übel, auch wenn er sich dafür entschuldigt hat. Ich weiß nämlich, dass er seine Worte voll und ernst meinte.

So ist Lewis eben. Und trotz dem Punkt, gehört er zu meinen engsten Freunden.

Das sollte ich vielleicht mal überdenken...

Ich schüttle den Kopf, schiebe die Tür des Bits auf und verschwinde nach draußen. Es ist bereits dunkel, die Sonne ist sicherlich schon seit einpaar Stunden untergegangen und ich genieße die kühle Luft zutiefst, während ich die nur spärlich beleuchteten Straßen entlanglaufe. Ich liebe die Nacht mehr, als alles andere. Ich liebe es abends Spaziergänge zu machen. Denn da sind nur ich, meine Gedanken und meine geliebte Zigarette.

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