7 | Aller Anfang ist schwer

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Wie heißt es so schön: Die ersten Tage sind die schwierigsten. Trotz der Tatsache, dass ich mich langsam einfinde und auch einen kleinen Überblick von der Stadt bekommen habe, fühle ich mich trotzdem noch fehl am Platz. Ich vermisse nicht nur meine Freunde, sondern auch mein Zuhause. Irgendwie kommt es mir so vor, als würde ich selbst Großvaters Meckerei vermisst haben, und dass, obwohl ich noch immer wütend auf ihn bin.

Seit meiner Ankunft hier, die nun schon fast eine Woche her ist, habe ich nur zweimal kurz mit ihm gesprochen. Da er nicht den Anschein gemacht hat, als würde er irgendwas an seiner Entscheidung zu bereuen, habe ich mir auch keine Mühe gegeben, ihm irgendwas von meinem neuen Leben zu erzählen.

Gott, allein wenn ich daran zurückdenke, fühle ich mich einfach nur beschissen...

Das Einzige, was mir in den letzten Tagen einwenig Trost schenken konnte, war das Boxen. Ich bin jeden Tag nach der Schule zum Studio gefahren und hab erstmal alles raus gelassen, was sich in mir aufgestaut hat. Das Boxen hilft mir echt dabei, meine Aggressionen in den Griff zu bekommen und die Frustration rauszulassen, die ich immer dann empfinde, wenn ich mir bewusst mache, wo ich eigentlich bin.

Ich bin gefangen in einer Kleinstadt. Umgeben von Menschen, die ich weder kenne, noch leiden kann und weit weg von allem, was mir bekannt ist. Klar schätze ich mich glücklich darüber, dass mich Dalia aufgenommen hat und das ich nun schon Nolan und Owen kennenlernen durfte, die beide keine schlechten Typen sind, aber dennoch ist das einfach nicht genug, um mich zu besänftigen.

Denn während mein Leben hier weitergeht, gerate ich in meinem richtigen Leben in Vergessenheit...

»Leano, kommst du?«, ruft Nolan und ich bleibe für einen weiteren Moment in meinem Bett liegen und starre an die kahle Decke. Ich weiß genau, dass er wie es aussieht langsam los will, doch ich bin noch immer unschlüssig, ob ich nun wirklich zur Party gehe, oder lieber doch hier bleibe. Theoretisch könnte ich auch ins Studio und einpaar runden Boxen, doch als ich mich dann selbst daran erinnere, dass ich an einem Freitag Abend noch nie in meinem Zimmer gesessen bin und Löcher in die Luft gestarrt habe, richte ich mich langsam auf und stoße die angestaute Luft aus.

»Ja, ich komme!«, antworte ich laut, ehe ich aufstehe und mein Shirt wechsle. Ich schnappe mir meine Lederjacke und fahre mir noch einmal durch die Haare, ehe ich nach meinem Handy greife und das Zimmer verlasse.

Sobald ich unten angekommen bin, erkenne ich Nolan, der mit den Autoschlüsseln im Flur steht und auf mich wartet. Als er mich sieht, erhellt sich sein Gesicht. »Endlich. Ich dachte schon, du willst mich alleine mit Owen gehen lassen«, bemerkt er dann und ich muss schmunzeln.

»Du tust ja so, als wäre Owen unerträglich«, erwidere ich nur und bringe Nolan damit zum Lachen.

»Glaub mir, du hast ihn noch nie betrunken erlebt.«

Daraufhin nicke ich nur verstehend und folge ihn raus Richtung Auto. Lewis ist genau so schlimm, wenn er betrunken ist. Man sollte ihn wirklich nicht ernst nehmen, denn manchmal gibt er Sachen von sich, die einen dazu bringen, ihm eine reinschlagen zu wollen. Und ich war auch öfters kurz davor, ihm die Nase zu brechen. Demnach kann ich verstehen, was Nolan meint.

»Bin gespannt, wie viel du verträgst«, sage ich dann, als wir im Auto sitzen.

Nolan startet den Motor und grinst breit. »Du wirst überrascht sein.«

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