Kapitel 2

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Laut vor sich hin schnaufend erklomm Adriana den Hang, der zwischen dem Memorial und dem Council Crest Park lag.

Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass die Engel eines Tages auf die Erde zurückehren würden, um den Dämonen Einhalt zu gebieten. Ja, daran glaubte die ältere Generation fest. Denn sie kamen aus einer Zeit, in der es noch keine Dämonentage gegeben hatte. Aus einer Zeit, in der die Engel noch über die Menschen gewacht hatten. Damals hatte sich noch kein Dämon getraut, die Barriere zwischen den Welten zu überwinden, die am Ende des Jahres besonders durchlässig für Höllenkreaturen war. Oh wie sehr wünschte sich Adriana, dass ihre Mutter Recht hatte. Dass diese gräßlichen Tage irgendwann für immer enden würden. Denn das Einzige, was Dämonen fürchteten, vielleicht abgesehen von Halbdämonen, waren Engel- wie man sagte. Engel würden diese dunklen Zeiten irgendwann beenden. Ja, davon war Angelina Astara - ihre Mutter überzeugt gewesen...

Langsam aber sicher ging Adriana die Puste aus. Im Lichtkegel einer Straßenlaterne, gönnte sie sich eine kurze Verschnaufspause. Während sie sich am Laternenmast festhielt, sog sie so viel Sauerstoff wie möglich in ihre Lungen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch 21 Minuten bis zur völligen Dunkelheit hatte. Okay das würde reichen. Für sie. Hoffentlich auch für ihre drei besten Freunde. Wobei Eloy mehr war als nur ein Freund. Eloy war... Eloy. Ein kleines Lächeln stahl sich auf Adrianas Lippen, als sie an Eloys bernsteinfarbene Augen und den braunen Wuschelkopf dachte, der es ihr besonders angetan hatte. Er musste es unbedingt lebend bis zu Mr. Petersons Villa schaffen, genauso wie Dakota und Rico! Mit etwas Glück, würden sich die Dämonenclans heute auf die Innenstadt von Portland konzentrieren und nicht auf die Villenviertel im Südwesten. Das würde ihren Freunden ein paar zusätzliche Minuten verschaffen, bis die Deltas sie aufgespürt hatten. Aber man konnte es nie wissen. Denn der Südwesten hatte einen gewaltigen Nachteil: Der Zoo lag in diesem Viertel. Und Dämonen liebten den Geruch von verängstigten Tieren. Die Stadtverwaltung hatte enorm viel Geld ausgegeben, um die Tiergehege zu sichern, doch Adriana konnte sich daran erinnern, wie vor sechs Jahren zwei Dämonenclans zusammengetan hatten und gemeinsam das Affenhaus des Zoos geknackt und sämtliche Tiere dort gefressen hatten. Adriana schüttelte sich, als sie an die Bilder des Affenmassakers dachte, die überall durch die Presse gegangen waren.

Dämonen waren herzlose Killermaschinen, ja so wurde es jedenfalls in der Presse verbreitet. Und doch hatte es letztes Jahr diesen Vorfall bei der St. George Church gegeben, der Adrianas Bild von den Dämonen verändert hatte... Aber wie gesagt, an diesen Vorfall wollte sie nun wirklich nicht denken.

Kurze Zeit später erreichte Adriana die südlichen Ausläufer des Council Crest Parks und blickte unwillkürlich nach rechts, denn sie hoffte ihre Freunde, die von Norden her kamen, dort auftauchen zu sehen, aber natürlich waren sie noch nicht hier. Dafür war die Zeit zu kurz gewesen, seit ihrem Telefonat.

Mit gemischten Gefühlen lief Adriana weiter, über die reichlich zugewachsenen Wege, während ihr Herz ihr bis zum Hals klopfte. Es brachte nichts, hier stehen zu bleiben und zu warten. Am Ende würden ihre Freunde einen anderen Weg einschlagen, wodurch sie sich verpassen würden.

Seufzend konzentrierte sie sich wieder auf den Weg vor ihr, der recht uneben und gewunden verlief. Zusätzlich mischten sich ab und zu größere Steine unter die kleineren Kiessteinchen, die den Bodenbelag des Weges bildeten. Wenn sie jetzt auf diesem dunklen Parkweg stolperte und sich den Knöchel verstauchte, war sie geliefert! In dem grünen Dickicht am Wegesrand, konnte sie sich zwar verstecken, aber falls findige Deltadämonen in der Nähe waren, würden sie sie mühelos aufspüren können.

Auf einmal machte der Weg vor ihr eine Kurve. Oh gut, da vorne war die Villa, die ihr Mr. Peterson beschrieben hatte. "Wow, was für eine imposante Hütte!", ging es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Mr. Peterson hatte wirklich eine gute Partie gemacht! Nun verstand Adriana auch, warum er nicht länger als Kinderheimleiter arbeitete. Seine Frau besaß anscheinend genug Geld, so dass Mr. Peterson nicht mehr arbeiten musste. Die zweistöckige, gelbe Villa besaß einen weitläufigen Garten mit Pool und einer Hundehütte, die beinahe größer war als Adrianas gesamte Wohnung! Die Villa selbst war durch zwei marmorne Eingangssäulen verziert und wurde durch mehrere indirekte Strahler hell erleuchtet. Zögerlich klingelte Adriana am Tor. Das war ja fast, als wäre sie zu Gast bei einem Filmstar in den Hollywood Hills.

Dämonentage - Band 1 [Leseprobe]Where stories live. Discover now