Kapitel 5

15.4K 1.3K 91
                                    

Eine Millisekunde fühlte sich Adriana in die Dämonennacht vor einem Jahr zurückversetzt, als sie und ihre beiden damaligen Freundinnen Sara und India, nicht mehr in die überfüllte St. George Kirche hinein gelassen wurden, an ihre Flucht und dann... Adrianas Hände wurden feucht bei dem Gedanken, daher zwang sie sich, sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Auf ihren Freund Rico, den sie vor einem halben Jahr mit Dakota und Eloy kennengelernt hatte, weil die drei immer nach der Berufsschule einen Kaffee in dem Coffeeshop tranken, in dem Adriana damals gearbeitet hatte. Rico!
Ausgerechnet jetzt, nur zwei Meter von der rettenden Haustür entfernt, biss ein Delta-Dämon in Ricos braune, Nerdhosenbeine. Verflucht nochmal! Der Länge nach flog Rico auf den Boden, rutschte wie ein Wunder aber noch ein paar Zentimeter nach vorn, so dass seine Arme in Adrianas Reichweite gelangten. Geistesgegenwärtig griff sie nach seine linken Hand, Eloy nach seiner rechten. "Kopf runter!", wies ihn Eloy an. So schnell sie konnten zogen sie ihn ins Innere der Villa. "Notfallknopf!", brüllte Harry. Geistesgegenwärtig wie es schien, drückte Molly in dem Moment auf einen schwarzen Knopf, der nahe des Türrahmens in die Wand eingelassen war- gerade als Ricos Füße durch die Tür in Sicherheit gezogen wurden. Ein trommelfellzerfetzendes 'Bääm' schien die Villa zu erschüttern, als das Sicherheitsrolle nach unten sauste- und den Deltakopf sauber abtrennte... "Uhh", machte Dakota. "Rico!" Der abgehackte Dämonenkopf interessierte Adriana gerade weniger als Ohrenschmalz. Dakota jedoch, betrachtete ihn angeekelt.
Eilig zog Adriana Rico auf die Beine. "Bist du okay?"
Nachdem er kurz an sich heruntergesehen hatte- sein beiger Pulli hatte ein paar graue Flecken davon getragen, antwortete Rico: "Noch alles dran, denke ich." Draußen sprangen jetzt Dämonen gegen das Rollo, was man den gedämpften 'Rumms'-Lauten entnehmen konnte.
"Keine Angst, hier drinnen sind wir sicher", meinte Molly. Dann hob sie mit spitzen Fingern den Dämonenkopf an den Ohren vom Boden auf. Giftgrüne Flüssigkeit lief aus Augen, Nase und aus dem offenen Halsende. Fast sah er aus wie ein toter Rottweiler, oder besser gesagt: eine Kreuzung aus Rottweiler und Aligator. "Für diese Sauerei werde ich wohl später mein bestes Putzmittel brauchen." Irgendetwas daran, wie Molly den DämonenKopf hielt, irritierte Adriana, doch sie hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Dakotas schrille Zeter-Stimme erwischte sie wie eine Ohrfeige.
"Ob er okay ist?", kreischte Dakota. Adriana wandte sich zu ihr um. Oh oh. Die labile Dakota schrie sich gerade wie üblich in Rage. "Hast du eine Ahnung, was wir durchgemacht haben, Adriana? Und das alles nur, weil du die Karte falsch gezeichnet hast. Bist du des Wahnsinns?", brüllte sie wie eine wütende Sirene.
"Sorry", gab Adriana betreten zurück. Allerdings wollte sie nun auch nicht die volle Schuld auf sich nehmen. "Ihr hättet ja auch bei Google schauen können, wo das Haus liegt..."
Dakota stemmte beide Hände in die Hüften. Ihr schulterlanges, blondes Haar stand in alle Richtungen ab, was sie aber nicht zu interessieren schien. "Du weisst genau, dass wir heute Halbjahresprüfungen in der Berufsschule hatten. Wir waren im Stress und haben uns auf dich verlassen!"
"Jetzt kommt doch erstmal richtig rein, Kinder", versuchte Harry die Situation zu retten.
Dakota schnaubte, womit sie eindeutig klarstellte, was sie von Harrys Beschwichtigungsversuch hielt.
"Das sind übrigens Molly und Harry- unsere Gastgeber für die Dämonentage", stellte Adriana die beiden vor, während sie
gemeinsam ins Wohnzimmer gingen. "Und das sind meine reizenden Freunde Dakota, Eloy und Rico."
"Die Sache ist noch nicht ausgestanden", zischte ihr Dakota ins Ohr.
Adriana schluckte. Wieder fing sie an ihre Finger zu kneten.
"Ist doch gut jetzt", hörte Adriana Rico flüstern, als er sich neben Dakota auf die Couch fallen ließ. "Wir leben doch noch."
"Wie kannst du das so locker sehen! Beinahe wären wir Dämonenfutter geworden! Das war meine allererste Begegnung mit Dämonen. Darauf hätte ich gut und gerne verzichten können!" Hilfesuchend sah Dakota zu Eloy.
Auch Adriana, die sich ihren Freunden gegenüber auf der Armlehne eines geblümten Sessels niedergelassen hatte, da sie sich zwischen Sitzen und Stehen gerade nicht recht entscheiden konnte, blickte erwartungsvoll in Eloys bernsteinfarbene Augen.
"Ist schon gut." Irgendwie schaffte Eloy es, eine unglaubliche Zuversicht auszustrahlen, wodurch sich Adrianas Herzschlag beruhigte. Lächelnd ließ sie ihre schon fast wundgekneteten Hände sinken. Es war beinahe so, als würde eine Welle der Wärme und Sicherheit von ihrem Schwarm Eloy zu ihr hinüber schwappen. Leider währte dieses Glücksgefühl nicht lange. Denn einen Herzschlag später, nahm Eloy Dakotas Hand. "Wir sind jetzt in Sicherheit."
Auf einmal hörte sich die Welt für Adriana auf zu drehen. Ungläubig schielte sie auf Eloys Hand, so dass sie seine nächsten Worte nur halb mitbekam. "Aber fragt ihr euch nicht auch, warum plötzlich überall Dämonen waren? Was wollten sie gerade hier? Ein ganzer Dämonen-Clan in diesem, bis an die Zähne gesicherten Villenviertel?" In diesem Moment wusste Adriana nicht, was schlimmer war: Der Hass, der ihr von Dakota entgegenschlug, die Tatsache, dass hier irgendetwas gewaltig schief zu laufen schien oder dass Eloy seine Hand auf Dakotas gelegt hatte...

Dämonentage - Band 1 [Leseprobe]Where stories live. Discover now