Kapitel 6

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Tequila kam angetrottet. Der Labrador schmiegte sich an Adrianas Bein, wohl um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Wie in Trance, griff Adriana in sein schwarzes Fell.

"Kinder, also ich brauche jetzt einen doppelten Whiskey. Was möchtet ihr trinken?" Molly, die den Beta-Dämonenkopf entsorgt hatte, kam aus der Küche zurück, die an die hintere Ecke des Wohnzimmers grenzte. Bevor jemand antworten konnte, warfen sich draußen wieder Körper gegen das Sicherheitsrollo der Haustür. Adriana schluckte. Wie war das damals im Zoo noch gewesen? Wie hatten die Dämonen dort das Sicherheitssystem überwunden? Fieberhaft kramte sie in ihrem Gedächtnis nach der Information, fand aber nichts. Es war wie, als wäre ihr Gehirn ein Wespennest: immer wenn sie nach den Informationen greifen wollte, flogen sie wie Wespen davon.

"Keine Sorge." Harry, der ihr angsterfülltes Gesicht wohl gesehen haben musste, tätschelte Adrianas Arm. "Wir sind hier drin sicher." Wie konnten er und Molly nur so ruhig bleiben?

"Ich denke ihr Kids bedient euch einfach an Cola und Wasser." Molly wedelte mit dem Arm in Richtung der Getränke, die auf dem Couchtisch standen. "Habt ihr Hunger?"

Da allen der Appetit vergangen war, erntete sie daraufhin nur Kopfschütteln.

Ein weiteres Mal, was Adriana mehr Kraft zu kosten schien, als Ricos Rettungsaktion, schielte sie unter gesenkten Lidern zu Dakota und Eloy hinüber. Leider hielt Eloy immer noch Dakotas Hand. Was verdammt nochmal sollte das? Dakota wusste doch, dass sie auf Eloy stand! Und Dakota hatte versprochen, sich nicht an ihn ranzumachen. Aber jetzt? Für ein paar Sekunden vergaß Adriana zu atmen. Waren die beiden etwa schon ein Paar?

Gerade entzog Dakota Eloy ihre Hand, aber nur um ihm durch seine dunklen Haare zu wuscheln. "Du Sherlock Holmes der Dämonen", zwinkerte sie. "Du wirst das Rätsel schon lösen warum sie hier sind." "Ja, Sherlock Holmes mit Hirnschaden...", brummte Rico. Die drei kicherten. Als auch Adriana ein Kichern andeutete, erntete sie einen bösen Blick von Dakota. Scheinbar hatte sie ihr immer noch nicht verziehen. Na super!

Entschuldigend sah Rico in ihre Richtung, wobei er beide Schultern hob. Offensichtlich konnte auch er sich nicht erklären, was zwischen Dakota und Eloy abging. Nach zahllosen Abenden nach Dienstschluss im Café bei zwei Tassen Latte Macchiato und schummriger Beleuchtung, hatte Adriana oft mit Rico über Eloy gesprochen. Er wusste, was Adriana für ihn empfand.

Um nicht in Tränen auszubrechen, wandte sich Adriana wieder dem Labrador neben ihr zu. Bereits in diesem Moment ahnte sie, dass die Freundschaft mit Dakota nicht mehr zu retten war. Aber das allerschlimmste war, dass Dakota ihr Eloy wegzunehmen drohte. Auf einmal war ihr, als würde sich eine eisige Hand um ihr Herz legen. So viel Unglück und Schmerz an nur einem Abend... Und Adriana hatte gedacht, die schlimmsten Dämonentage ihres Lebens, lägen bereits hinter ihr...

Seufzend fuhr sie mit den Fingern durch Tequilas Nackenfell. Ihr Leben war der reinste Alptraum. Das konnte wirklich niemand bestreiten. Wer blieb ihr dann noch? Außer Rico? Für einen Moment schloss sie betroffen die Augen.

Gerade als der Hund seinen Kopf auf Adrianas Oberschenkel legte, hörte sie es. Ein Flüstern. Tequila stellte die Ohren auf. Der Hund hörte es also auch! Es war ein tiefer Gurr-Laut. Etwas Dämonisches- das war ihr augenblicklich klar. Die Dämonen berieten sich! Adriana wusste, dass die Dämonen alle Sprachen der Welt beherrschten, plus ihre eigene dämonische Sprache, aber das da draußen war ein Dämon, der etwas in ihrer Landessprache zischte. Genau verstehen konnte sie es nicht. Darauf folgte ein Donner, so als wäre ein Riese mit beiden Beinen in den Vorgarten gesprungen.

"Oh Gott, ein Alpha-Dämon", entfuhr es Rico. Alle starrten erst ihn entgeistert an. Gleich darauf schielten sie alle wie eine einzige Person in die Eingangshalle, die man vom Sofa aus gut erkennen konnte. Aber das Gurren kam jetzt nicht mehr von dort, nein, es schien sich um das Haus herum zu bewegen. Die Dämonen schlichen um die Villa! Wieso? Wieso gaben sie nicht einfach auf, und suchten nach leichteren Opfern?

"Woher willst du wissen, dass das ein Alphadämon war?", wandte sich Dakota an Rico, der jetzt dazu übergegangen war seine Nerdbrille mit einer Serviette zu polieren. Adriana fiel auf, dass seine Hände zitterten.

"Nur Alphadämonen können fliegen. Hast du nicht das Rascheln gehört und dann seine Landung? Hört sich jedes Mal an wie ein Donnerschlag", antwortete Molly an Ricos Stelle ehrfürchtig. Adriana und ihre Freunde starrten sie mit offenem Mund an.

"Ach Kinder, kennt ihr nicht diese BBC Dokumentationen über Dämonen im Fernsehen?" Alle schüttelten den Kopf, worauf Molly erstaunt die Stirn in Falten legte. "Solltet ihr mal ansehen."

"Ja!", Harry war nun hinter seine Frau getreten. "Molly liebt Dokumentationen." Wie um seine Worte zu unterstreichen, küsste er Molly auf die Wange, die daraufhin wie ein kleines Schulmädchen kicherte.

Adriana war sich nicht sicher, was gruseliger war: Dieser Kuss ihres ehemaligen Kinderheimleiters, oder Dämonen, die ums Haus schlichen...

Wenn das so weiter ging, würde sie vielleicht schon bald mit den Dämonen tauschen wollen.

In diesem Moment begannen die beiden Hunde zu knurren. Tequilas Kopf ruckte in Richtung des verriegelten Fensters direkt hinter dem Blümchensofa, auf dem Dakota, Eloy und Rico saßen. Whiskey kam wie Lucky Lukes Schatten angeschossen. Ohne ein Wort der Entschuldigung oder eine Vorwarnung sprang er auf Dakotas Schoß und dann auf die Sofehne hinter ihr. Dakote schrie auf, während sich Tequila und Whiskey darauf verlegten das Fenster hinter ihr wütend anzubellen.

"Shhh, aus!", versuchte Molly die beiden zu belehren. Aber es half nichts. Als stände draußen ihr Erzfeind und machte sich mit einer Clownsmaske über sie lustig, gifteten die beiden Hunde das Fenster an. Was ging hier vor sich? Schließlich musste Harry Whiskey auf den Arm nehmen und Tequila am Halsband packen, damit er die Hunde halbwegs unter Kontrolle bekam. Dann schleppte er die beiden Unruhestifter, die sich nur unter Protest abführen ließen, in die Küche.

Vor dem zuvor angebellten Fenster erhob sich ein dämonisches Gemurmel. "Schmutziges Blut!", kreischte plötzlich eine hohe Stimme. Fast alle Anwesenden im Wohnzimmer zuckten zusammen. "Da drin!", kreischte die Stimme.

Neben ihr, klammerte sich Molly an ihr Whiskeyglas.

Was zum Teufel war hier los?! In Adrianas Kopf drehte sich alles.

Dämonentage - Band 1 [Leseprobe]Where stories live. Discover now