Brainriots

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CN:
Selbstverletzung
Suizidgedanken
• Medikamente
Dissoziationen








Da ich gerade einen "Schub" habe, möchte ich die Gelegenheit einmal nutzen und beschreiben was in meinem Kopf und Körper passiert wenn mir ein großer Trigger begegnet. Dieser Ausgang hier ist nur einer von vielen. Da ich an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, kann ich nie genau vorher abschätzen welchen Kompensationsmechanismus mein Kopf für am sinnigsten hält. Genauso wenig ist der folgende Text repräsentativ für mein Störungsbild, das will ich mir nicht anmaßen.

[5 Minuten vor dem Trigger]

Ich fühle mich so gut wie seit Monaten nicht mehr, eine Selbstzufriedenheit hat sich in mir breit gemacht, die ich kaum vorher kannte.

[2 Minuten nach dem Trigger]

Ich kann nicht begreifen was passiert ist. Also erzähle ich es meiner Mutter. Ich weiß, dass ich eigentlich wütend sein sollte, aber da ist nichts.

[5 Minuten nach dem Trigger]

Ich habe mich auf die Wendeltreppe gesetzt. Verzweiflung schwemmt über mich hinweg, aber dann schlägt auch schon mein Freundfeind, die Dissoziation, zu. Ich spüre immer weniger von meinem Körper und habe das Gefühl nach hinten zu fallen. Was ich denke, weiß ich nicht mehr. Ich verliere das Zeitgefühl.

[Nach den Dissoziationen]

Ich kann mich langsam wieder rühren und spüre die blanke Panik vor mir selbst. Ich kenne mich soweit gut genug dass ich weiß dass mein "Selbstzerstörungsknopf" betätigt wurde. Also warte ich darauf was passiert. Ich weine, starre wischendurch leer in die Luft. Mein Vater geht an mir vorbei, bleibt stehen und fragt, was denn los sei. Ich kann mich nicht sonderlich präzise artikulieren.

[30 Minuten nach den Dissoziationen]

Ich schaffe es von der Treppe aufzustehen. In meinem Kopf läuft immer wieder der gleiche Film. Ich weiß wo die Rasierklingen stehen, der Ausgang dessen ist mir egal. Trotzdem schaffe ich es nicht die Treppe hoch in mein Zimmer zu gehen, sondern laufe nach draußen. Dort warten Pflanzkübel auf mich, die mit Erde befüllt werden müssen. Die Pflanzen können ja nichts für mich.

[45 Minuten nach den Dissoziationen]

Ich habe eine unbestimmte Zeit den Beutel mit Erde angestarrt. Dann überkam mich das Bedürfnis zu gehen. In mir drinnen läuft mein Verstand Amok. Er ist hasserfüllt, er hasst besonders mich. Ich gehe über den Hof, laufe Kreise. Die Bundesstraße sieht verlockend aus. Ich will mich zerfetzen bis nichts mehr übrig ist. Mir die Haut vom Körper reissen während ich in Flammen stehe. In Seen aus Alkohol ertrinken bis ich taub bin. Das ist der Moment, in dem ich realisiere, dass ich eingreifen muss. Für Skills ist es eigentlich zu spät. Trotzdem hole ich meinen Akkupressurball und entscheide mich für mein Notfallmedikament. Lieber bin ich müde als tot oder in einer Geschlossenen.

[70 Minuten nach den Dissoziationen]

Nachdem ich meine Medikamente genommen habe, fühle ich mich immer sicherer. Dann muss ich nämlich nicht mehr mit der Situation klar kommen sondern nur die nächste Stunde schaffen bis es wirkt. Ich beginne endlich etwas Erde herumzukratzen, muss aber immer wieder eine Pause machen weil ich leicht dissoziiere. Ich schreibe einen Blogeintrag weil ich hoffe die Sache so aus meinem Kopf ausschließen zu können.

[90 Minuten nach den Dissoziationen]

Ich habe die Pflanzen eingegraben gegossen und mich auf einen Stuhl draußen gesetzt um zu schreiben was passiert ist. Das Medikament beginnt zu wirken und eine Gleichgültigkeit hüllt mich ein. Das Schreiben fühlt sich holprig an wie mein Denken. Das tut es immer wenn ich getriggert oder sediert bin. Trotzdem will ich jetzt nicht alleine sein, also schreibe ich für Fremde im Internet. Ich schaffe es keine Dialoge zu führen weil mir das Lesen schwer fällt. Meine eigenen Gedanken sind wie eine Stadtruine nach einem Bürgerkrieg.

100 Days of Twilight ZoneWhere stories live. Discover now