41. Kapitel

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Auf dem ganzen Weg schweigen sie sich einfach an. Lilia schafft es nicht einmal aufzusehen, sondern richtet ihren Blick noch immer stur gen Boden. Meran lässt sie aber. Er weiß genau, dass es nichts hilft, wenn er sie jetzt drängt. Und so akzeptiert er, wenn auch widerwillig, das Schweigen. Führt Lilia, die sich an seinem Shirt festhält, still nachhause. Als sie an Merans Haus vorbei kommen, bleibt Lilia abrupt stehen. Überrascht betrachtet Meran sie, wie sie fast schon nervös von einem Fuß auf den anderen tritt.
"Können wir vielleicht zu dir gehen?", fragt sie ihn leise, mit einem fast schon ängstlichen Unterton in der Stimme. Und dieser Unterton lässt Meran nur noch mehr aufhorchen. Doch statt sie zu fragen, warum, stimmt er stumm zu und läuft mit ihr im Schlepptau zu seiner Haustür.
"Ich bin zuhause.", ruft er kurz ins Haus, damit seine Mutter Bescheid weiß. Danach machen sie sich auch direkt auf den Weg in sein Zimmer. Zumindest nachdem sie Haru begrüßt haben. Der kleine Hund darf allerdings nicht mit in Merans Zimmer, da dieser in Ruhe und wirklich alleine mit ihr sein will.
Während er also den Hund abwimmelt, zieht Lilia bereits ihre Schuhe aus und setzt sich in eine Ecke des Bettes. Die Knie angezogen, die Arme um sie geschlungen.
Zu Merans Überraschung muss er sie nicht einmal mehr zum reden auffordern. Kaum hat er auf dem Bett platzgenommen, beginnt sie von alleine zu sprechen.
"Cayden kam vorbei und wollte mit mir reden. Deshalb war ich weg."

Wieder steigen ihr Tränen in die Augen, als sich vor ihrem inneren Aufe die Szene mit Cayden erneut abspielt. Wie sie ihn abgewiesen, sogar umgeschubst hat. Meran ist direkt zur Stelle, legt besorgt eine Hand auf ihr Knie.
"Hat er dir irgendetwas getan?" Natürlich denkt er zuerst an so etwas. Damit hatte Lilia schon gerechnet. Aber trotzdem weiß sie nicht, was sie ihm darauf antworten soll. Er hatte ihr ja nichts getan. Er hat nur versucht sie zu küssen. Ob das für Meran schon als 'etwas getan' zählt? Das kann sie sich einfach nicht beantworten. Ihre einzige Idee ist, seiner Frage auszuweichen.
"Er wollte, dass ich ihm ein wenig von seinem Bruder erzähle. Da er ja nicht viel Zeit mit ihm verbringen konnte." Der Gedanke versetzt ihr direkt einen Stich ins Herz. Sie kann sich gut vorstellen, wie es ihm wegen Casey gehen muss. Und trotzdem hat sie sich ihm gegenüber so unsensibel verhalten. Sie schüttelt kurz den Kopf, muss ihre Gedanken frei bekommen. Meran wartet geduldig, stumm darauf, was sie ihm erzählt.
"Als er gemerkt hat, dass es mir damit nach und nach schlechter ging, 
hat er mich in den Arm genommen." Sie linst vorsichtig zu Meran. Will abschätzen, wie er auf ihre Worte reagiert. Doch er wirkt noch immer eher besorgt als wütend oder ähnliches. Also fährt sie langsam, zögerlich fort.
"Doch dann kam er mir mit seinem Gesicht immer näher und ... und..."

Merans Hand auf ihrem Knie versteift sich, ebenso wie sich alle seine Muskeln anspannen. Als Lilia das bemerkt, hört sie auf zu reden. Hat Angst, ihn noch wütender zu machen. Sie versucht ihn anzusehen. Doch er hat seinen Blick nach unten gerichtet, versteckt seine Augen hinter seinem Pony.
"Hat er dich geküsst?" Der Tonfall seiner Stimme und Umschwung seiner Laune überrascht Lilia mehr, als sie gedacht hätte. Reflexartig kniet sie sich neben ihn, will ihn irgendwie beruhigen. Weiß aber nicht wie.
"Nein! Ich hab ihn weggeschubst, sowas würde ich nie tun!" Sie versucht laut und entschlossen zu klingen, doch ihre Stimme zittert stark und ist tränenschwer. Verzweifelt umfasst sie seinen Arm und zieht leicht daran, damit er sie ansieht. Er legt jedoch einfach seine andere Hand auf die ihre, hebt den Kopf und lächelt sie an.
"Ich weiß das du das nie tun würdest. Aber-" Weiter kann er nicht sprechen, da Lilia sich an seinen Hals geworfen hat und sie somit zusammen auf das Bett gekippt sind.
"Es tut mir leid, es tut mir so leid.", sagt sie immer wieder und klammert sich fest an Meran. Ihr ganzer Körper zittert und bebt. Angestrengt hält sie die Tränen zurück. Sie will nicht, dass Meran auch nur einmal denkt, sie könne ihm etwas derartiges antun. Dieser ist jedoch von ihrem Verhalten so sehr überrascht, dass er nichts weiter kann, als ihr langsam über den Rücken zu streichen. Als er sich aber wieder etwas gefangen hat, schließt er seine Arme fest um sie und drückt sie an sich.

Langsam beginnt Lilia sich zu entspannen. Das Zittern lässt nach und sie lockert ihren Griff um Meran. Sie genießt einfach die Ruhe. Das Gefühl, ihn bei sich zu haben. Und die Erleichterung, dass er ihr so sehr vertraut. Auch wenn sie weiß, dass sie sich selbst nicht vertrauen könnte.
"Ich liebe dich." Ihre Worte sind nur ein leiser, zarter Hauch der an seinem Hals entlang streift und ihn leicht schaudern lässt. Er hört auf ihren Rücken zu streicheln und dreht sie stattdessen mit sanften Druck auf den Rücken. Sie sieht ihn etwas verwirrt an, jedoch nicht lange. Bestimmend legt er seine Lippen auf ihre, umfasst ihren schmalen Oberkörper mit seinen Armen. Ungewollt muss Lilia in den Kuss hinein lächeln. Sie weiß genau, was er ihr damit sagen will. Ihre Worte haben ihn glücklich gemacht. Unendlich glücklich.
"Ich dich auch.", sagt er lächelnd, nachdem er sich von ihr gelöst hat. Er legt seine Stirn an die ihre und sieht ihr tief in die Augen. Sie tut es ihm gleich, bis sie dem intensiven Blick seiner leuchtend grünen Augen nicht mehr standhalten kann. Erneut drückt sie sich an ihn und er schließt sie bereitwillig in seine Arme.
"Geh' bitte nie mehr weg, ohne mir bescheid zu sagen, okay?" Sie nickt nur gegen seine Brust und weiß, was er damit wirklich meint. Sie solle ihm sagen, wenn sie etwas mit Cayden unternimmt. Sonst kennt sie außer Meran keinen, der etwas mit ihr unternehmen wollte. Eigentlich weiß sie nicht einmal, ob sie nochmal irgendetwas alleine mit Cayden unternimmt. Dafür fürchtet sie sich nun zu sehr davor, ihn oder Meran zu verletzen. Doch diese Sorgen hatten noch Zeit. Jetzt will sie erst mal die Wärme und Nähe von Meran genießen.

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