2. Kapitel

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Meran schaut sich im Saal um. Die Mädchen haben schon angefangen zu tuscheln, weil er wirklich gut aussieht. Der Lehrer weist ihm seinen Platz, der sich genau neben Lilia befindet. Das ist der einzige freie Platz. Da wollte niemand bisher sitzen. Doch Meran macht es scheinbar nichts aus. Er setzt sich hin und lächelt Lilia an. Diese verzieht nur kurz den Mund und wendet sich ab.

"Hey", grüßt er sie, sie zuckt kurz zusammen. "Meran." Er hält ihr seine Hand hin. Sie dreht sich wieder um. Greift zögerlich seine Hand.
"Lilia.", sagt sie mit schwacher Stimme. Er lächelt. Die anderen Mädchen aus der Klasse beobachten die beide, tuscheln. Bis der Lehrer sie zur Ruhe ruft, um mit dem Unterricht zu beginnen.

Als es zur Pause klingelt, wirft Lilia achtlos ihre Sachen in ihre Tasche und verschwindet so schnell wie möglich aus dem Saal. So wie sie es immer tut. Sie läuft über den Pausenhof, ignoriert die Blicke aller, und steuert auf ihren Stammplatz zu. Ein Hügel am Rand des Hofs. Dort setzt sie sich, wie immer, hin, macht ihre Kopfhörer in die Ohren und hört Musik. Sie achtet nicht auf die Leute auf der Schule. Für sie sind sie alle gleich. Deshalb sieht sie einfach wahllos durch die Gegend. Zumindest bis sie etwas Ungewöhnliches bemerkt. Jemand kommt zu ihr hergelaufen. Erst als die Person näher ist, kann sie ihn erkennen. Es ist der Neue, Meran. Hinter ihm stehen Mädchengruppierungen, die ihn alle anstarren. Lilia lacht hämisch und schüttelt nur den Kopf. Sie kann diese Mädchen nicht verstehen, die nur Jungs im Kopf haben. 

Meran kommt ihr immer näher, die Hände in den Hosentaschen, ein Lächeln auf dem Gesicht. Lilia verzieht den Mund. Sie will ihre Ruhe haben. Was will er nur von ihr? Oder will er sie etwa, so wie alle anderen beleidigen und verschwindet dann wieder? Das wäre ihr vermutlich sogar lieber. Besser, als wenn er sich jetzt einfach zu ihr setzt. Doch genau das tut er. Sie seufzt. Sieht ihn nicht an.
Aus dem Augenwinkel kann sie erkennen, dass seine Lippen sich bewegen, doch wegen ihrer Musik kann sie nichts hören. Sie lächelt überlegen. Doch zu früh gefreut. Meran zieht einfach einen Kopfhörer aus ihrem Ohr und beginnt mit zuhören. Überrascht und empört gleichzeitig sieht Lilia ihn an. 
„Of Mice & Men, klasse.“, sagt er nur. Beleidigt bläst sie die Backen auf, reißt ihm und sich selbst die Kopfhörer weg und steckt sie wieder in ihre Tasche. Er schaut sie belustigt an, beginnt sogar ein wenig zu lachen. 
„Was soll das?“, fragt sie ihn genervt. Wieso lässt er sie nicht in Ruhe und ignoriert sie, wie jeder andere auch? Er zuckt nur mit den Schultern.
„Ich wollte dir nur Gesellschaft leisten.“ Dieses Dauerlächeln auf seinem Gesicht geht ihr echt auf die Nerven. Wenn er sie im Klassenzimmer anspricht, okay, aber in der Pause will sie ihre Ruhe.
„Wie kommst du darauf, dass ich Gesellschaft brauche?“, fragt sie ihn schnippisch und schüttelt kurz ihren Kopf, damit ihr Pony wieder richtig sitzt. Er denkt kurz nach, sein Lächeln verschwindet.
„Deshalb.“ Er umfasst ihr Handgelenk und drückt leicht zu. Sie muss sich beherrschen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Sie spürt Tränen in ihren Augen.
„Lass los.“, sagt sie flehend, schwach. Er lässt sie los. Woher weiß er das nur? Eine Träne will aus ihrem Auge fliehen, doch er fängt sie rechtzeitig ab, bevor er über ihre Wange läuft. Sie hält sich stumm wimmernd ihren Arm. 
„Woher?“ Mehr sagt sie nicht. Doch es reicht auch aus. Er hat es schon verstanden. Doch er zuckt nur mit den Schultern. 
„Intuition.“ Sie lacht verachtend auf. Klar, Intuition. Es klingelt. Die Pause ist vorbei. Genervt, dass sie ihre sonst so ruhige Pause mit Meran verbringen ‚musste‘, steht sie auf und greift nach ihrer Tasche. Den schmerzenden Arm hält sie immer noch schützend an ihrem Körper. 
Ohne ein Wort zu sagen, nimmt Meran ihr ihre Tasche ab. Doch anders als die Jungs früher, rennt er damit nicht lachend weg, sondern bleibt an ihrer Seite, die Hände wieder in den Hosentaschen.  Verwundert sieht sie zu ihm hoch. Er ist ein gutes Stück größer als sie. Er lächelt nur auf sie herab. Doch sie streckt ihm nur stumm die Zunge raus. Was will dieser Typ nur von ihr?

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