1. Kapitel - Verfolgt

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Einzig das Wasser unter meinen Füßen war zu hören. Es regnete wie aus Eimern und ich hob meine Arme schützend über meinen Kopf. Die Regentropfen fühlten sich an wie kleine Nadeln, die auf meine Haut trafen. Die Straße war düster beleuchtet, was in dieser Gegend nicht unüblich war. Man erzählte sich Geschichten über Entführungen, die hier vor Jahren stattgefunden hätten, aber ich glaubte nicht an Geschichten oder Legenden. Die Laternen am Straßenrand waren nicht mehr die hellsten und ich konzentrierte mich nicht in große Pfützen zu treten.

Der Wind heulte durch die kleinen Gassen meines Wohnortes und trug einen schwachen Geruch von frisch gebackenen Brötchen und Brot mit sich. Es war vier Uhr morgens und die ersten Bäcker backten bereits ihre Brötchen, um den kommenden Ansturm der Kunden vorzubereiten. Ein Donner ließ mich zusammenfahren und ich blickte hoch.

Die Wolken wurden langsam lila - wenn nicht sogar schon ein wenig rot. Ein Hund bellte laut auf.

"Sei still, Luna!", zischte eine Frau, die ich nicht gemerkt hatte. Sie lief vor mir und musste erst vor kurzem zu mir gestoßen sein. Es schien als hätte auch sie sich nicht auf den Regen vorbereitet. Die Frau hatte blonde kurze Haare und trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock. "Scheiß Regen!", fluchte sie laut und ich stimmte ihr zu. Sie begann zu rennen und bog auch schon an der nächsten Kreuzung links ab und verließ den etwas beleuchteten Weg und gelangte nun auf die dunkle Gasse, die in ein paar hundert Metern die Hauptstraße erreichen würde. Ein weiterer Donner folgte, doch dieses Geräusch war nicht mehr das einzige, welches ich nun hörte. Schritte. Mindestens drei weitere Personen mussten hinter mir sein.

Ich setzte meinen Weg fort. Ohne mich umzudrehen.

"Du musst ruhig bleiben", redete ich mir ein, denn es war nicht mehr weit bis zu mir nach Hause und diese paar Meter würde ich noch schaffen ohne mir vor Angst in die Hosen zu machen. Auch, wenn ich nicht an die alten Geschichten glaubte, gefiel mir die Situation nicht wirklich.

Unbewusst wurde ich immer schneller, doch auch die Personen hinter mit setzten ihren Weg schneller als vorher zurück. Ich traute mich einen kurzen Blick nach hinten zu werfen und bereute es sofort. Nicht drei - nein fünf Personen waren hinter mir her. Keine fünf Frauen, die gerade von einer Disco kamen und auch keine fünf Männer, die ein paar Biere zu viel getrunken hatten. Mit denen wäre ich schon fertig geworden. Wer hier aufwuchs kam mit dieser Art von Männern zurecht, doch hinter mir waren fünf Männer in Anzügen. Angst kam über mich und schnürte meine Kehle zu. Mein Herz begann zu rasen und wurde lauter. Der kalte Regen und der kalte - nun stürmisch - Wind peitschte mir ins Gesicht und versperren mir die Sicht. Wenn diese Männer wirklich hinter mir her sein sollten war die Chance zu entkommen gering für mich. Ich versuchte meine Angst zu kontrollieren, atmete tief ein und aus. Ein und aus. Ein und...

"Stehen bleiben!", sagte eine tiefe Stimme. Ich dachte gar nicht daran und begann so schnell zu laufen, wie ich es noch nie getan hatte. Wie aus dem nichts tauchte einer der Männer vor mir auf.

"Er hat gesagt du sollst stehen bleiben."

"Ich denk nicht dran", erwiderte ich schreiend und rannte um den Kerl herum.

"Nicht so schnell", er griff meinen Arm mit seiner rechten Hand, welche Eiskalt war, in letzter Sekunde und drehte mich so, dass ich ihn direkt ansah. Er hatte rote Augen und dunkles nasses Haar.

"Jetzt spielst du mit den großen", lachte ein anderer und hob mein Kinn an.

"Und das soll seine Tochter sein?", fragte er amüsiert.

"Mein Vater ist weg. Tot", fauchte ich und versuchte mich aus dem Griff meines Gegners zu befreien.

"Weg ist er. Aber tot", ein weiteres lachen. "Das würden wir wissen, wenn dein Vater tot wäre."

"Wer seid ihr?", schrie ich verzweifelt.

"Wir sind...", begann der Mann mit den Dunklen Haaren.

"Lasst sie in Ruh", schrie ein Junge in meinem Alter und zog einen Stock aus seinem Umhang.

"Was willst du denn hier?", schrie einer der Männer. "Du kannst damit noch nicht umgehen, Junge!" Erzog ebenfalls einen Stock aus seiner Anzugtasche heraus.

"Er will euch sehen", sagte der Junge und kam auf uns zu. Der Mann, der mich festhielt drehte sich zu seinen Freunden um und war einen Moment unachtsam. Diesen Moment nutzte ich und wandte mich aus seinem Griff.

"Bleib stehen!", ein Lichtstrahl traf einen Zentimeter neben mir auf den Boden und ich schrie auf.

"Lasst sie gehen", sagte der Junge.

"Man sieht sich immer zweimal im Leben!", schrie der dunkelhaarige mir hinterher. Doch seine Drohung war mir im Moment egal. Er war nicht mehr hinter mir her. Das war das wichtigste. Das Wasser spritzte um mich herum, als ich in eine Pfütze trat.

"Mum!", ich stürmte nass wie ein Pudel in unser Wohnzimmer und schrie so laut es ging nach meiner Mutter. Diese kam verschlafen, jedoch nicht mehr im Schlafanzug die Treppe hinunter.

"Was ist los, Schätzchen? Du bist spät."

"Mum, Dad soll anscheinend noch leben. Ich wurde von fünf Männern verfolgt und ein Junge hat mich gerettet. Die hatten Stöcke in der Hand. Mum, die dachten sie seien Zauberer!", ich ließ mich auf das Sofa fallen und zog meine Knie an meinen Körper. Mir war kalt und ich wusste nicht ob ich heulen oder lachen sollte. "Stöcke! Die dachten... Hexen... Mum die dachten... "

"Geht es dir gut?", fragte meine Mum besorgt und reichte mir eine Decke.

"Ich bin nicht verrückt, Mum", sagte ich. Ich musste es mir selbst einreden. Vielleicht war das ja alles nur ein Traum gewesen und ich war aus versehen auf der Straße kurz eingeschlafen. Es musste ein Traum gewesen sein.

"Das hab ich nicht behauptet", sie lächelte mich an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Mum, was ist hier los?"

"Ich denke du hast die Wahrheit verdient...", murmelte sie und ich nickte heftig. Ich wollte wissen, was es mit diesen Männern auf sich hatte. Ich wollte wissen, ob sie recht hatten mit ihrer Behauptung, dass mein Vater nicht tot war und ich wollte wissen, wer dieser Junge war, der mich gerettet hatte. "Bitte, Zo... werde nicht sauer, weil ich es dir so lange verschwiegen habe. Ich hatte Angst, dass du nicht mehr bei mir sein möchtest..."

"Mum, ich liebe dich und ich möchte nirgendwo anders sein als hier bei dir", ich zog die Decke enger und sah meine Mum erwartungsvoll an. "Wer waren diese Männer? Lebt mein Vater doch noch und wer war dieser komische Junge mit dem..."

"Blondem Haar?", unterbrach meine Mum mich.

"Woher weißt du das? Ich hab seine Haarfarbe nie erwähnt..."

"Ich kenne ihn. Glaube ich zumindest..."

"Mum. Wer war das?"

"Das war...", begann sie, doch ein lautes klopfen unterbrach unser Gespräch. "Ich komm gleich wieder." Sie stand auf und war sichtlich glücklich das Gespräch und die Wahrheit um ein paar Minuten zu verzögern.

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4. Die Leute, die Always Fought for you gelesen haben kennen diesen Teil bereits, aber es wird nicht durchgehend Teile geben, die ihr kennt 😂 versprochen!

„Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht – sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer." - Lucius Annaeus Seneca

Child of flame - TrustWhere stories live. Discover now