8 - Gute Märchen

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Wenn sie ausatmete, leuchtete die Glut im Kamin heller. Asifa versuchte es zu ignorieren und wünschte sich gleichzeitig, sie könnte das Feuer einfach löschen, ohne das Haus der Kälte von draußen preiszugeben damit. Selbst so nah an den letzten, trägen Flammen spürte sie kühlen Wind im Rücken, wo das Fenster nicht ganz dicht war.

Hinter ihr stockten die Schritte jäh, als sie in die Stube einbogen. Asifa drehte sich nicht um, denn sie kannte die Schritte. Sie hatte auf diese Schritte gewartet.

„Du bist noch wach", sagte Samir halblaut. „Du bist hier."

Asifa presste die Lippen aufeinander und atmete scharf aus. Das Feuer glühte hell auf. In ihrer Brust wollte sie sich vom Boden lösen und fortfliegen und dem Unausweichlichen entgehen, aber, nun. Yusuf hatte nicht unrecht – sie konnte sich nicht ewig vor dem Mann verstecken, dem sie ihr Leben geschworen hatte. Sie vermisste ihn. Es fühlte sich an, als würde er ihr entgleiten, stummes Beobachten wenn er sie nicht bemerkte nicht mehr genug.

„Irgendwann sollten wir darüber reden, nicht wahr?", entgegnete sie tonlos. „Dein Bruder ist ganz in der Nähe und du hast deinen letzten Wunsch gesprochen. Für mich klingt das nach einer wichtigen Entscheidung."

Für einen Moment sagte Samir nichts. Sie hörte ihn wieder näherkommen und wie er sich auf die Bank links von ihr setzte, seine Haltung aus den Augenwinkeln ruhig und gefasst. Himmel, sie beneidete ihn um diese Ruhe, obwohl sie früher nur die Nase gerümpft hatte darüber.

„Djadis Wohlbefinden hat einen höheren Stellenwert", sagte Samir schließlich. „Wenn er geheilt ist, können wir uns anhören, was Naveed zu sagen hat."

Asifa runzelte ungläubig die Stirn und wandte sich zu ihm um.

„Du hast dich sehr verändert", stellte sie fest. „Naveed muss einen wichtigen Grund für sein Gesuch haben, wenn er so weit auf deiner Spur gereist ist. Willst du nicht einmal wissen, was es ist?"

Samir lächelte grimmig.

„Wenn er so lange auf mich gewartet hat, kann er auch noch länger warten", antwortete er. „Ich kann ihm den Dschinn nicht geben, wenn ich gerade erst Djadis Sicherheit an ihn gebunden habe."

Die Bitterkeit in seiner Stimme machte Asifa fast sprachlos, so unerwartet kam sie. Es war keine Neuigkeit, dass er seine jugendlichen Träume, sich in der Fremde zu beweisen und dann erfolgreich nach Hause zurückzukehren längst hinter sich gelassen hatte, dass jedes Abenteuer ihn nicht nur körperlich weiter von Maraldur entfernt hatte. Aber so achtlos seine eigene Familie hintenanstellen, ohne auch nur Zweifel über seine eigenen Prioritäten zu äußern? Das sah ihm nicht ähnlich. Vielleicht war er doch nicht ganz so entspannt aus dem Totenreich zurückgekehrt, wie sie gedacht hatte. Sie hätte aufpassen sollen, statt sich nur auf ihre eigenen Dämonen zu konzentrieren. Für ihn da sein. Verstehen, dass Djadi das in seinem Zustand gerade nicht sein konnte und die Lücke füllen.

Ihr Mund war trocken, als hätte sie den Qualm des Feuers direkt eingeatmet.

„Das ist eine unmögliche Verantwortung, die du Djadi aufbürdest", sagte sie leise und Samir versteifte sich neben ihr.

„Seit wann kümmerst du dich so sehr um sein Wohlergehen?", entgegnete er bissig und Asifa konnte nur die Augenbrauen heben darüber.

„Samir", sagte sie, mild tadelnd. Derartiges Verhalten stand ihm nicht gut. Er seufzte, schon von diesen zwei Silben wieder in die Knie gezwungen. Selbst in seinen trübsten Stunden wusste Samir, dass er mehr war als ein bockiges Kind. Es musste eine Last sein, dachte Asifa. Sie war froh, sich nie für das Glück ihrer gesamten Umgebung verantwortlich gefühlt zu haben.

„Ich weiß", gab er zu und vergrub das Gesicht stöhnend in seinen Händen. „Aber ich kann nicht noch einmal die Schuld daran tragen, dass ihm etwas geschieht, verstehst du? Wenn wir all diese Jahre hinter uns für diesen Moment gearbeitet haben, wie kann ich dann zulassen, dass ein einfacher Auftrag von meinem Bruder uns wieder zurückholt als wäre nie etwas gewesen?"

Dornen - Das Königreich erstarrtWhere stories live. Discover now