2.1 Superlativ von unmöglich? Mutter!

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Montagmorgen stand ich früher auf als sonst und zwang mich unter die Dusche. Normalerweise tat ich das immer abends vorm Zubettgehen, doch diesmal wollte ich vor der Schule duschen. Ich redete mir ein, dass ich einfach mal etwas Neues ausprobieren wollte und es absolut nichts mit Liam zu tun hatte, den ich heute wiedersehen würde.

Eigentlich lief mir meine Mom in der Frühe selten vor die Füße. Sie arbeitete als Köchin und musste grundsätzlich zu den Zeiten, zu denen ich zu Hause war, arbeiten.

»Morgen Mäuschen, du bist schon wach?!« Ihr Mund blieb von der Frage offen, dazu ein hübsch-entsetzter Gesichtsausdruck. Nett!

»Ähm ... ja? Wollte duschen.«

»Morgens?!« Meine Mutter schien aus allen Wolken zu fallen.

»Ist das so ungewöhnlich?«, pampte ich sie an, in der Hoffnung, sie würde das Gespräch fallenlassen. Auch wenn ich mich ausnahmsweise früh aus dem Bett geschält hatte, hieß das noch lange nicht, dass meine Morgenmuffeligkeit liegengeblieben war.

Mein Plan funktionierte.

»Eigentlich schon«, antwortete Mom immer noch etwas verwundert, ging dann aber zurück ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.

»Ist bestimmt wegen dem neuen Jungen«, hörte ich Dad sagen.

»Welcher neue Junge?«

Das hatte definitiv das Interesse meiner Mutter geweckt. Sie hoffte ja schon lange - ungefähr seit ich aus den Windeln raus war - dass ich mir endlich einen Freund suchen würde, doch mangels vernünftiger Auswahl hatte ich bis dato immer dankend darauf verzichtet.

»Liam - ein überaus höflicher, gut aussehender junger Mann, der neu in unsere Nachbarschaft gezogen ist.«

Ich konnte es zwar nicht sehen, doch ich konnte mir bildlich vorstellen, wie meine Mom jetzt strahlte.

»Wurde ja auch langsam Zeit, dass sie sich für Jungs interessiert. Als ICH sechszehn war ...«

»Daran erinnerst du dich noch? Ist ja 'ne Ewigkeit her!«, neckte mein Vater sie.

Ja! Gut so, Dad! Verpass ihr einen Dämpfer, dann bleibt uns der Rest erspart!

»Na ja, jedenfalls dachte ich schon, unsere Tochter sei eine asexuelle Amöbe und würde noch zwischen deinem ollen Gemüse verschimmeln.«

Ich biss die Zähne zusammen. Konnte meine Mutter nicht ein einziges Mal zwischen den Dingen unterscheiden, die gesagt werden durften und denen, die man höflichkeitshalber lieber nur denken sollte? Bekam so etwas nicht schon jedes kleine Kind beigebracht?

»Jetzt lass sie doch ... Sei froh, dass es erst jetzt anfängt und sie uns nicht schon früher einen Idioten nach dem anderen mit nach Hause geschleppt hat ...«

»An denen hätte sie aber wenigstens üben können...«

In Bezug auf Sexualität war meine Mutter schrecklich. Wenn aus irgendeinem Grund das Thema aufgegriffen wurde - und damit meine ich ganz sicher nicht freiwillig von mir - übertrat sie sämtliche Grenzen, die es gab. Mir wurde nichts sachlich geschildert - ohhh nein! Ich wurde mit vulgären Aussagen regelrecht bombardiert, die mich noch Wochen später allein nur bei dem Gedanken daran erröten ließen.

Bevor die beiden das Thema noch weiter vertiefen konnten und mich womöglich noch mit einbezogen, schlüpfte ich schnell unter die Dusche und ließ mir heißes Wasser über den Körper rieseln. Das tat gut ... Ich seufzte laut.

Dann klopfte es an der Tür.

»Schatz? Kann ich reinkommen? Oder tust du gerade etwas Unanständiges?« Ich hörte sie kichern.

Keuchend schnappte ich nach Luft. So etwas konnte nur von Ava kommen. Ich dachte bewusst Ava, nicht Mutter. Irgendetwas schien - nein, musste - damals im Krankenhaus schiefgelaufen sein. Ich gehörte bestimmt zu einer wohlgesitteten Familie. Sie hatten mich einfach nur vertauscht ...

»Was ist jetzt? - Fertig? Oder noch fünf Minuten?« Wieder dieses Kichern: »Ih ih ih.«

Meine Mutter hätte hervorragend die böse Hexe in einem Horrorfilm spielen können. Zumindest wäre es schon mal nicht notwendig gewesen, ihre Lache zu vertonen.

»Komm rein!«, zischte ich genervt. Nachdem ich das Shampoo und das Duschgel abgewaschen hatte, trat ich aus der Dusche und rubbelte mich trocken.

»Da unten solltest du dich jetzt immer besonders gut waschen.« Sie blinzelte auf die Stelle, wo sich normalerweise der Reißverschluss der Hose befand.

»Mom ...«, stöhnte ich. Steckte ich heute Morgen nicht schon tief genug in Peinlichkeiten und Demütigungen? Wollte sie mich auch noch darin ersticken?

»Wirklich ... man weiß nie, wann es soweit ist.«

»Mom!« Noch ein Wort und ich müsste ihr das Handtuch in den Mund stopfen.

»Papa hat einen Gemüseladen. Kein Fischgeschäft. Die Ausrede fällt somit flach.«

»Dad! Mom ist wieder so ... SCHRECKLICH!« Mein Hilfeschrei sollte eigentlich meinen Vater dazuholen. Er war mir gegenüber in solchen Dingen viel zu verklemmt und das Gespräch wäre sehr schnell beendet gewesen. Doch leider erstarb mein Hilferuf unter dem lauten Summen von Moms Föhn. So blieb mir nur noch die Flucht aus dem Badezimmer.

Ich wusste ja, dass meine Mutter nur witzig sein wollte und das alles nicht ernst gemeint war. Aber gerade frühmorgens, wenn ich sowieso noch zu müde für alles war und dann auch noch in die Schule musste, konnte ich nicht so tun, als würde ich ihren Humor teilen.

Ich rubbelte meine Haare so gut es ging mit dem Handtuch trocken, zog mich an und band das braune Wirrwarr duttähnlich hinter dem Kopf zusammen. Auch wenn überall Haarsträhnen heraushingen und der Haarknoten eher kläglich aussah: Ein Pferdeschwanz war heute ausgeschlossen. Nicht, weil ich Liam dieser langweiligen Frisur nicht schon wieder aussetzen wollte, sondern weil meine Haare so lang waren, dass in kurzer Zeit mein ganzes Shirt nass geworden wäre - zumindest redete ich mir das ein.

Ganz passabel, dachte ich, und meine grünen Augen betrachteten mich zufrieden im Spiegel.

Als ich runter in die Küche ging, war meine Mutter zum Glück schon weg. Noch mehr gute Ratschläge hätte ich heute Morgen auch nicht ertragen.

Moonlit Nights 1 - GefundenWhere stories live. Discover now