3.2 Bananenkisten und ihre Vorteile ;)

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Vor der letzten Bananenkiste ging ich in die Hocke, um sie besser anheben zu können. Diese Dinger waren wirklich verdammt schwer. Kaum zu glauben, dass Liam sie so mühelos tragen konnte. Hau ruck! Ich riss die Kiste mit aller Kraft in die Höhe und meine dünnen Arme zitterten vor Anstrengung. Naja, so sparte ich mir wenigstens den Gang ins Fitnessstudio. Bei Liam zumindest sah man ja, dass auch Kistenschleppen diesbezüglich hilfreich sein konnte.
Ich ging einen Schritt zurück und stolperte, da mich das schwere Teil komplett aus dem Gleichgewicht brachte. Ohne, dass ich es wollte, taumelte ich zurück - und stieß gegen etwas Hartes, aber gleichzeitig Warmes und Weiches. Ein »Uff« entfuhr meinen Lippen, als die Luft aus meinen Lungen gepresst wurde. Der Aufprall gegen eine Steinmauer hätte nicht härter sein können. Gegen was war ich da nur gelaufen?Nachdem ich wieder halbwegs festen Stand unter meinen Füßen hatte, drehte ich mich um und schaute direkt in Liams dunkle Augen. Erschrocken darüber, dass er so plötzlich hinter mir stand, machte ich einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung und fiel dabei über meine eigenen Füße.
»Hiergeblieben!«, lachte Liam, umfasste blitzschnell meine Taille und zog mich nahe an sich heran. Mit der anderen Hand fing er derweil die schwere Kiste ab und ließ sie langsam zu Boden gleiten – so, als wäre sie nur aus Luft.
Meine Hand lag auf seinem Oberarm und fühlte die Wärme, die von seinem Körper ausging, seine wunderbar weiche Haut und die darunterliegenden stahlharten Muskeln.
Ich merkte, wie er unter meiner Berührung erschauerte. Oje - war ihm das etwa unangenehm? Prüfend schaute ich ihn an. Nein, er sah nicht so aus. Vermutlich lag es an meinen Eisgriffeln. Ich hatte immer kalte Hände. Als ob ich tot wäre ... Das war echt lästig!
»Ich hatte dich gar nicht kommen hören«, stammelte ich, doch Liam schaute mich nur belustigt an.
»Wärst du dann nicht gestolpert?« Ein leichtes Grinsen umspielte seine Mundwinkel.
Ich wusste, dass ich völlig hilflos in seinem Arm lag. Wahrscheinlich stand zu allem Übel noch mein Mund offen, so als wäre ich geistesgestört. Doch ich konnte nichts dagegen tun. Seine Ausstrahlung war so überwältigend, dass mir einfach die Luft wegblieb. Selbst der Ozean konnte nicht mehr Tiefe besitzen, als der Ausdruck seiner Augen.Viel zu schnell ließ er mich wieder los, doch die Intensität seines Blickes hatte ausgereicht, um mir begreiflich zu machen, dass Liam wirklich ein unglaublicher Junge war.Verlegen schlug ich die Augen nieder.
»Danke«, murmelte ich und entschuldigte mich. »Ich weiß auch nicht, warum die blöden Kisten heute so schwer sind.«
»Das liegt daran, dass ich sie ein bisschen umbefüllt habe, um nicht so oft laufen zu müssen. Du kennst doch sicher das Sprichwort ›Ein fauler Esel schleppt sich auf einmal tot‹?«Er grinste und auch ich musste lächeln. Das hätte glatt von mir sein können und wenn ich kräftiger gewesen wäre, hätte ich sicherlich auch schon zu solchen Methoden gegriffen.Ich wollte die Kiste wieder hochheben, doch da hatte Liam sie schon an sich gerissen. »Keine Sorge. Ich mach das schon«, sagte er und schritt elegant die Treppe hinauf.Immer noch etwas benommen von seiner Berührung, schlich ich hinter ihm her.
Oben angekommen, trat mein Vater uns ungeduldig entgegen.
»Wo wart ihr denn so lange?«, fragte er vorwurfsvoll.

»Die restlichen Bananen holen«, entgegnete ihm Liam gelassen, doch ich wurde knallrot.
Mein Dad blickte zwischen mir und Liam hin und her. Hätte er nur ihn gesehen, wäre das eine normale Frage mit einer normalen Antwort gewesen, doch meine leuchtende Gesichtsfarbe verriet uns – oder zumindest mich. Dessen war ich mir ziemlich sicher.
Mein Dad musterte mich, doch ich wand mich schnell ab und begann, die Bananen von der Kiste auf den Verkaufstisch zu legen. Ich hätte schwören können, er grinste in sich hinein. Aber was gab es denn da so dämlich zu grinsen?
Ärgerlich über meine nicht vorhandene Privatsphäre und meine leichte Durchschaubarkeit - vor allem wenn ich log, mich daraufhin ertappt fühlte oder mich so bis auf die Knochen blamiert hatte -, grapschte ich eine Banane nach der anderen und knallte sie auf den Tresen.
Ich war mir sicher, Dad würde morgen sämtliche Bananen aussortieren müssen, da sie bestimmt von oben bis unten mit Druckstellen übersät sein würden, nachdem ich meinen Gewaltakt beendet hatte. Doch das war mir egal.
Die nächste Banane platzte unter meinem zu festen Griff auf und noch bevor ich Dads strafenden Gesichtsausdruck sah, seufzte ich resigniert und verließ den Verkaufsraum.
»Ich muss Hausaufgaben machen ...«, verabschiedete ich mich dabei und ging hinauf in mein Zimmer, wo ich mich aufs Bett warf und ein Buch von meinem Nachtischschränkchen nahm.Gedankenverloren blätterte ich darin herum, während ich mir mit der anderen Hand die zermatschte Banane, die ich vor lauter Ärger mitgenommen hatte, in den Mund schob.
Ich hatte das Gefühl, gerade erst mit dem Lesen begonnen zu haben, als es an meiner Tür klopfte. Zu meiner Überraschung stellte ich jedoch fest, dass es bereits nach halb sieben war und es gleich Essen geben würde.
»Mäuschen?« Es war Dad, der vor meiner Tür stand.
»Hab keinen Hunger!«, blaffte ich ihn an und las unbeirrt weiter.
»Emma, Liebes? Komm herunter. Ich fände es unhöflich, wenn du unseren Gast alleine am Tisch sitzen lassen würdest.«Da wurde ich hellhörig. Unseren Gast? Ich überlegte. Hatte ich irgendeinen Geburtstag vergessen? Nein, unmöglich! Schreckliche Verwandtengeburtstage bereiteten mir schon immer tagelang vorher Bauchschmerzen. Absolut unvorstellbar, dass ich so einen vergessen hätte. Was sollte das also für ein Gast sein?

Moonlit Nights 1 - GefundenWhere stories live. Discover now