3.3 Schlimmer geht nimmer? Denkste :P

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Neugierig öffnete ich die Zimmertür und blickte meinen Vater fragend an.
»Wir haben Liam zum Essen eingeladen, nachdem er deine Aufgaben miterledigt hat. Wirklich schnell, der Junge ...«
Schlagartig meldete sich mein schlechtes Gewissen, weil ich Liam mit der ganzen Arbeit alleingelassen hatte, doch ich ließ es schnell wieder verstummen. Dad schien echt beeindruckt zu sein. - Moment, was hatte er da eben gesagt? Sie hatten Liam zum Essen eingeladen?
»Und Mom?«, fragte ich vorsichtig.
»Die kocht ...«
Diesmal schlug ich mir nicht nur gedanklich an die Stirn. Hoffentlich würde sie sich am Riemen reißen. Aber das war genauso wahrscheinlich, wie als würde man versuchen, Wasser bei 200 °C im Ofen gefrieren zu lassen.
Dad schaute mich eindringlich an. Anscheinend sprach mein Blick Bände. Bände? Er füllte wohl eher ganze Bibliotheken.
»Ich habe mit deiner Ma geredet. Sie will sich benehmen.« Er zwinkerte mir zu und sah vergnügt aus, während ich einen eher zweifelnden Laut von mir gab.
»In fünf Minuten ...«, sagte er, bevor er sich umdrehte und die Treppe hinunterging.
Hektisch sprang ich auf und hechtete vor den Spiegel. Nichts, was noch in fünf Minuten zu retten wäre, lautete mein vernichtendes Urteil. Ich schob mir die Strähnen, die mir aus dem Zopf gefallen waren, hinter die Ohren und ging langsam die Treppe hinunter.
Unten duftete es köstlich.
»Hi!«, begrüßte ich Liam, der bereits am Tisch saß und sich mit meinem Vater unterhielt, während ich versuchte, so locker und lässig wie möglich zu klingen.
»Hi!«, grüßte Liam zurück und schenkte mir ein kurzes Lächeln. Dann widmete er sich wieder meinem Vater. Sie schienen sich über Politik zu unterhalten.Ich seufzte. Das war Dads Lieblingsthema. Mit Sicherheit würde ich keine Gelegenheit erwischen, selbst mit Liam zu reden – und so war es dann auch.
Dad quatschte ununterbrochen über die Versprechungen, die uns die Parteien machten, und welche dann nicht eingehalten wurden. Er echauffierte sich darüber, dass alle Politiker ohnehin nur Lügner seien und es ihr einziges Ziel sei, den armen Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Selbst Mom kam bei so viel Engagement nicht zu Wort, und das wollte schon etwas heißen.
Ich bewunderte Liam. Wie konnte er sich das Gelaber anhören und dabei auch noch interessiert aussehen? Vor allem, wie schaffte er es, immer zu den richtigen Zeitpunkten ein »Ja«, »Nein« oder »Seh ich genauso« einzuwerfen?
Meine Mutter stellte die Töpfe auf den Tisch und verteilte das Essen. Es gab Steaks mit Kartoffeln, Erbsen und Möhren.
»Für mich bitte nur das Fleisch«, sagte Liam höflich, als meine Mutter ihm das Gemüse auf den Teller schaufeln wollte.
»Oh, magst du das Gemüse nicht?« Meine Mutter sah leicht bekümmert darüber aus, dass sie etwas gekocht hatte, was Liam nicht schmeckte.
»Ähm ... es geht nicht speziell um dieses Gemüse. Ich esse Gemüse generell nicht sooo gerne.« Liam lächelte sie an und das entschädigte einfach für alles.
Eigentlich hatte meine Mutter etwas gegen mäkelige Esser, doch auch sie schien gegen seinen Charme nicht gefeit zu sein.
»So ist's recht. Die jungen Herren wollen lieber Fleisch. Kann's dir nicht verdenken, Liam. In deinem Alter war ich genauso. Emma dagegen ist ein Spickser, der braucht man damit nicht zu kommen.«
Dad klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Offensichtlich hatte sich mein Vater immer einen fleischfressenden Sohn gewünscht, den er jetzt in Liam gefunden zu haben schien! Prima!
»Dann passt ihr beide ja hervorragend zusammen, wenn du lieber Fleisch isst und Emma immer nur Gemüse in sich reinstopft.« Meine Mom strahlte über beide Backen bezüglich ihrer Erkenntnis.
»Ja, ja«, sinnierte sie weiter, »die jungen Herren brauchen ja auch Fleisch. Der Eiweißhaushalt muss schließlich in Schwung gehalten werden, falls in der nächsten Zeit irgendjemand auf die Idee kommt, ihn anzuzapfen.« Meine Mutter hatte ihr typisches Ich-habe-einen-versauten-Witz-gemacht-Grinsen aufgesetzt. Vielsagend schaute sie zu mir herüber und ich rollte mit den Augen, denn mir war klar, jetzt würde sie sich nicht mehr beherrschen können.Wie ich befürchtet hatte, machte Mom nun Bewegungen, als würde sie eine Kuh melken. Dazu gab sie schmatzende Geräusche von sich und grinste vehement weiter. Wenigstens eine, die sich immer wieder über die Schamlosigkeiten amüsieren konnte.
Ich hatte mir gerade eine Gabel voll Kartoffeln in den Mund gesteckt und verschluckte mich prompt, was zu einem erheblichen Hustenanfall führte. Bestens! Das Maß an Peinlichkeiten hatte für diesen Abend soeben seinen Höchstpunkt erreicht.
Zuerst sah Liam auch ein wenig überrascht aus, doch dann antwortete er mit einem knappen »Stimmt« und begann zu lachen. Meine Mutter fiel in das Lachen mit ein, während mein Vater stur auf seinen Teller starrte und sich eine volle Gabel nach der nächsten in den Mund stopfte, als wollte er einen neuen Rekord in Sachen »Schnellessen« aufstellen. Der Verlauf, den das Gespräch genommen hatte, war ihm sichtlich unangenehm. Also, schnell aufessen und raus aus der Gefahrenzone. Andererseits: Was hatte er erwartet? Er kannte meine Mutter ja schließlich schon länger als ich und selbst mir war klar gewesen, dass sie sich natürlich nicht zurückhalten würde.
Ich sank gegen meine Stuhllehne und hoffte, dass sich der Erdboden auftun möge. Liam war das erste Mal bei uns zu Besuch. Musste sie ihn direkt so erschrecken? Er hielt sie jetzt bestimmt für eine lüsterne Mumie, die sich bei jeder günstigen Gelegenheit auf Frischfleisch stürzen wollte. Ich schmunzelte, als ich mir meine Gedanken bildlich vorstellte. Glücklicherweise war in der Sache auf meinen Vater Verlass. Wenn die Umstände keine Flucht zuließen, versuchte er alles erdenklich Mögliche, um das Thema zu wechseln. Schadensbegrenzung sozusagen ...
»Schönes Wetter heute, oder?!« Leider war Dad nicht besonders geschickt darin. Da ich Liam jedoch weitere peinliche Situationen ersparen wollte, ging ich darauf ein. Meine Mutter schien zunächst etwas irritiert zu sein, ließ sich dann aber ablenken.

Moonlit Nights 1 - GefundenWhere stories live. Discover now