Kapitel 86.

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Ich schreie und versuche, mich aus Daniels Griff zu winden. Doch er hält mich fest und gräbt seine Finger immer tiefer in meinen Unterarm. Andere Leute um mich herum schreien und ich spüre, wie jemand Daniel von mir wegziehen will. Doch es funktioniert nicht. Irgendwann höre ich auf, mich zu wehren. Ich lasse mich einfach fallen und mein Kopf knallt hart gegen eine Treppenstufe. Doch dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, den Daniel mir zufügt.

Ich spüre, wie mich die Bewusstlosigkeit einholt. Das Letzte, was ich höre, ist das Geschrei der anderen.

- - -

Jaydens Sicht

Laura bricht auf der Treppe zusammen und ich höre das grässliche Geräusch, mit dem ihr Kopf daran aufschlägt. Dadurch werde ich noch wütender auf Daniel. Ich packe ihn erneut. Aber diesmal fester. Dann schubse ich ihn auf der Treppe nach hinten, sodass er stolpert und fast hingefallen wäre, hätte er sich nicht im letzten Moment wieder gefangen. Wütender als vorher geht er auf mich zu. Ich weiche ihm nicht aus.

Ich stehe mit dem Rücken zum Fuße der Treppe, wo die anderen stehen. Aber ich höre, wie sie anfangen zu reden und zu schreien. Sie versuchen mir zu helfen. Aus dem Schubsen entsteht eine Prügelei, an der schließlich fast alle beteiligt sind.

Aber sie dauert nicht besonders lange. Plötzlich fährt ein Auto an das Flugzeug heran. Ich sehe es nur aus dem Augenwinkel, aber ich bin mir sicher, dass er Ärger geben wird. Daniel, der auf mich einschlägt, scheint es gar nicht zu bemerken. Bis es auf einmal schlitternd neben uns zum stehen kommt. Es ist der Gepäckwagen, auf dem vermutlich unser Gepäck aufgeladen ist. Die Türe öffnet sich und es steigt ein unbekannter Mann aus.

Erst jetzt hält Daniel inne. Seine Faust ist gerade davor, mir in den Bauch zu schlagen, als sie plötzlich wie versteinert in der Luft stehen bleibt. Auf einmal ist Stille eingekehrt. Alle haben aufgehört, sich zu prügeln. Der Mann, der ausgestiegen ist, lässt seinen Blick über uns schweifen. Er sieht wahrscheinlich die Schrammen in unseren Gesichtern und unseren Armen. Ich senke den Kopf, in der Erwartung, dass wir jetzt gleich noch mehr Ärger bekommen werden.

Aber das bleibt aus.

Stattdessen höre ich, wie Clint sagt: „Joseph...“ Seine Stimme ist kaum noch ein Zischen.

„Überrascht, Clint?“, fragt der Mann belustigt. Dann macht er einen Schritt nach vorne und ruft: „Teilnehmer, steigt ins Flugzeug ein! Ich werde mich um das Gepäck hier kümmern!“ Er macht eine wischende Handbewegung über den Gepäckwagen.

Ich schaue ihn misstrauisch an und frage mich, was er vorhat oder ob ich ihm trauen kann. Den anderen geht es genauso. „Macht schon!“, sagt er freundlich. Ich zögere noch ein letztes Mal, dann renne ich auf die Treppe zu, von der wir uns immer weiter entfernt haben. Ich hebe Laura auf und trage sie in das Flugzeug hinein. Sie ist noch immer bewusstlos.

Als wir zu Acht eintreten, werden wir von allen Passagieren angestarrt. Kein Wunder, so verschrammt und zerbeult wie wir aussehen. Haben sie von hier drinnen von unserem Kampf gehört? Oder haben sie durch die Fenster das Geschehen verfolgt? Ich hoffe es nicht.

Zum Glück haben wir unsere Plätze ganz hinten im Flugzeug. Ich setze Laura auf einen Platz ganz am Fenster, damit sie sich dort anlehnen kann. Ich weiß nicht, was ich tun soll, oder was am Besten ist, wenn Leute bewusstlos sind. Ich würde mich auch hinsetzen, aber vor Nervosität kann ich nicht anders, als zu stehen. Ich beobachte durch das Fenster, was draußen geschieht. Ich kann nicht verstehen, was der unbekannte Mann sagt, aber er fuchtelt mit seinen Armen und scheint eine wilde Diskussion mit Daniel und Clint zu führen. Kennen sie sich etwa? Es sieht fast so aus.

Und dann, ganz plötzlich, fährt ein Polizeiwagen auf den Platz. Nein – es sind sogar mehrere. Auf einmal sind Clint, Daniel, Max und die anderen von vier Wagen umringt. Auf beiden Seiten steigen Polizisten aus und umringen sie. Ich sehe nur noch, wie einige von ihnen die Hände hochnehmen und der Mann, den Clint Joseph genannt hat, ein Lächeln im Gesicht hat. Er hat als Einziger nicht die Hände in der Luft. Dann werde ich durch Laura abgelenkt, die sich plötzlich wieder bewegt. „Laura!“, stoße ich erleichtert aus. Ich schließe sie in meine Arme, doch wir lösen uns schnell wieder voneinander. Wir beide möchten das Schauspiel draußen verfolgen. Genauso, wie es alle im Flugzeug tun. Hier ist es totenstill. Lauras Augen sind auf den Platz vor uns gerichtet, und ich beobachte, wie sie immer größer werden. Dann flüstert sie plötzlich: „Dad?“

Sofort schnellt mein Blick wieder zum Fenster. Welcher Mann davon ist ihr Vater? Und plötzlich wendet Joseph sein Gesicht zum Flugzeug. Für einen Moment starrt er genau auf unser Fenster. Und dann wird die Stille durch Lauras Ruf unterbrochen:

„Dad!“

WoodkissWhere stories live. Discover now