Kapitel 11

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Es klopfte an meiner Tür.

"Schätzchen, bist du wach?", hörte ich die zarte Stimme meiner Mutter.
Vorsichtig öffnete sie die Tür.

Mit einem Tablett in der Hand betrat sie mein Zimmer. Sie hatte Tee, Kekse und Obst mitgebracht.
"Geht es dir schon besser?"

Ich nickte. Körperlich ging es mir besser. Seelisch könnte es mir kaum schlechter gehen.

"Gut siehst du aber noch nicht aus."

Mama setzte ich an meinen Schreibtisch und stellte dort das Tablett ab.

"Oma hat mit mir heute gesprochen." Ich wurde hellhörig und sah meine Mutter aufmerksam an. "Es ist wohl Zeit, dich darüber aufzuklären, wie wir Amora überhaupt entstehen."

NA ENDLICH!

Viel zu lange hatte ich auf diesen Tag warten müssen. Endlich war es soweit!

Sie hatte nun meine vollste Aufmerksamkeit.

Mama war ganz offensichtlich nervös. Immer wieder fuhr sie sich durch die Haare und spielte am Saumen ihres Pullovers.

Ich konnte es kaum erwarten! Jahrelang hatte ich meiner Mutter Löcher in den Bauch gefragt, doch sie hatte immer geschwiegen. Es war nicht nur die Entstehungsgeschichte, die mich interessierte, sondern natürlich auch mein Vater. Ich hatte keine Ahnung von ihm. Bis jetzt hatte ich auch noch nie eine Amora kennengelernt, die etwas über ihren Vater wusste. Aber vielleicht bekam ich ja wenigstens ein paar Grundinformation zu ihm oder ein Foto, sodass ich wusste, wie er aussah.

"Ich hätte das schon längst tun sollen, aber ich wusste nie genau, wie ich dir das sagen soll", sagte sie im entschuldigenden Tonfall. "Dir wird nicht gefallen, was ich dir gleich sagen werde."

Nun bekam ich Angst. Ich war seltsamerweise nie davon ausgegangen, dass unsere Entstehungsgeschichte negativ sein könnte.

Innerhalb der letzten Jahre hatte ich mir natürlich auch meine Gedanken gemacht und eigene Theorien entwickelt. Aber ich war immer davon ausgegangen, dass der Beginn unseres Lebens positiv war.

"Sind wir wie die Schwarze Witwe?", platze es aus mir heraus.

"Was?", fragte meine Mutter irritiert.

"Na ja, töten wir die Männer, nachdem sie uns geschwängert haben? Es muss ja irgendeine Erklärung geben, warum es keine Erzeuger in unserer Familie gibt."
Meine Mutter fing nun an zu lachen, was ich gar nicht lustig fand.

"Also so schlimm ist es dann doch nicht", beruhigte sie mich. "Niemand muss sterben. Ich hoffe, dass das eine Tatsache ist, die dich schon mal ein bisschen beruhigt."

Ja, tatsächlich gab mir das ein wenig Gelassenheit. Ein mulmiges Gefühl blieb trotzdem.

"Okay, was passiert denn dann?", fragte ich neugierig. "Ich will jedes Detail wissen."

Sofort war Mama wieder angespannt.

"Es tut mir so leid, dass ich es dir nicht vorher gesagt habe."

"Mama! Sprich!", forderte ich nun ungeduldig. "Du machst mir wirklich ein bisschen Angst."

Sie sah kurz aus dem Fenster, wo sich die Äste im Wind bogen, ehe sie begann zu sprechen.

"Hast du schon einmal etwas von Parthenogenese gehört?"

Unwissend schüttelte ich den Kopf.

"Nein, was ist das?"

"In der Tierwelt tritt so etwas vor allem bei Läusen und Flöhen auf. Zum Teil auch bei Fischen, Schnecken und Eidechsen."

Sie stockte, während sich in meinem Kopf nur noch mehr Fragezeichen bildeten.

AmoraWhere stories live. Discover now