Kapitel 20

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Das Reh hatte wie aus dem Nichts direkt vor uns gestanden. Timo hatte schnell reagiert und war mit voller kraft in die Bremse getreten, doch das Auto verlor auf der vereisten Fahrbahn jegliche Haftung.

Ich schrie, während Timo noch versuchte den Wagen unter Kontrolle zu bringen. Doch es war hoffnungslos.

Mit einem lauten Knall schleuderte das Auto gegen einen Baum. Der Knall war so laut, sodass ich das Gefühl hatte, danach gar nichts mehr zu hören.

Es wurde dunkel und ein verbrannter Geruch stieg mir in die Nase. Ich konnte spüren, wie meine Knochen brachen. Ich wollte schreien, doch selbst das konnte ich nicht. Der Airbag wurde mir ins Gesicht geschleudert und ich hatte das Gefühl, dass noch mehr Knochen brachen.

Dann war es auf einmal ganz ruhig.

Ich konnte lediglich meinen Herzschlag spüren.

Ich begann ein Piepen in meinem Ohr zu hören.

Dann meinen eigenen Atem. Er war unregelmäßig.

Ich hing noch in meinem Sicherheitsgurt und war unfähig mich zu befreien. Es schien so, als würde das Auto auf der Seite liegen. Doch mit Sicherheit konnte ich das nicht sagen. Dazu war meine Wahrnehmung noch zu gehemmt.

TIMO, schoss es mir durch den Kopf.

Wo war er?

Was war mit ihm passiert?
Ich wollte meinen Kopf drehen, um nach ihm zu schauen, doch auch das gelang mir nicht.

"Timo", röchelte ich unverständlich, bekam jedoch keine Antwort.

Meine linke Hand war soweit noch einsatzfähig, sodass ich damit tasten konnte. Ich ließ sie auf den Fahrersitz wandern.

Er war leer.

TIMO!

Nein!

Schrecklich Bilder bildeten sich in meinem Kopf. War er herausgeschleudert worden? Falls ja, dann waren seine Überlebenschancen erschreckend gering.

Eine Träne lief über meine Wange.

War das die Rache der Götter? Nahmen sie ihn mir auf diese Weise?

"Timo", sagte ich seinen Namen mit schwacher Stimme. "Timo!"

Ich spürte, wie die Kälte in mich eindrang. Wir waren auf dieser einsamen Straße ohne Handy unterwegs gewesen. Ich hatte keinerlei Möglichkeit Hilfe zu holen. Es könnte Ewigkeiten dauern, bis man uns fand. Bis dahin waren wir vielleicht schon erfroren. Falls Timo überhaupt noch lebte.
"Timo!", sagte ich verzweifelt. "Wo bist du?"

Meine Stimme war so schwach und leise, sodass man mich wahrscheinlich nicht einmal gehört hätte, wenn man direkt neben mir gestanden hätte.

Mein Körper musste stark demoliert sein, doch ich verspürte keine körperlichen Schmerzen. Als Amora war mein Körper eh in der Lage deutlich schneller zu heilen als der eines Menschen. Doch das half mir im Moment auch nichts.

Ich versuchte mich so zu bewegen, damit meine linke Hand den Gurt bedienen konnte.

"Au", fluchte ich und spürte nun doch erste Anzeichen von Schmerz.

Ich war so kraftlos und hatte das Gefühl jeden Moment einzuschlafen.

Starb ich gerade?

Waren das meine letzten Minuten?

Plötzlich schob sich ein Gesicht in mein Blickfeld.

Wieder weinte ich, aber vor Freude.

Timo!

AmoraWhere stories live. Discover now