Kapitel 18

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Ich wurde vom Sonnenlicht geweckt und öffnete meine Augen. Ich streckte meine Gliedmaßen in alle erdenklichen Richtungen. Ich wünschte, ich könnte die Verspannung in meinem Leben auch so einfach lindern.

"Guten Morgen", hörte ich eine viel zu frohe Stimme. Timos Gesicht schob sich in mein Blickfeld. "Na, wie hat unser Geburtstagskind geschlafen?", fragte er, als wäre heute ein guter Tag.

Ich schreckte hoch, wie von einem Alptraum.

Heute war mein 18. Geburtstag. Wäre ich doch lieber nie aufgewacht. Heute würde es geschehen. Heute würde irgendetwas in mir beginnen zu wachsen. Oder vielleicht tat es das sogar schon.

Es war gruselig.

Ich hatte das Gefühl die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. Noch immer verstand ich nicht, wie ohne mein Zutun einfach etwas in mir wachsen konnte.

Timo stand vor mir mit einer Geburtstagstorte. 18 Kerzen waren darauf drapiert.

"Alles gut bei dir?", fragte er besorgt, während er begann die Kerzen anzuzünden.

Wann hatte er all das gekauft?

Ich zwang mir ein Lächeln auf.

"Ja", sagte ich legte meine auf den Bauch. "Alles gut."

Panik breitete sich in mir aus. Am liebsten würde ich eine Ampulle Gift nehmen, um das Wesen in mir zu beseitigen. Doch auf der andere Seite würde das meine Tochter sein, die nichts dafür konnte. Und es würde das einzige Kind sein, das ich jemals haben würde.

"Na dann puste die Kerzen aus und wünsche dir etwas!"

Ich schloss meine Augen und blies kraftvoll die Kerzen aus.

Ich wünsche mir, dass Timo und ich für immer zusammenbleiben können.

Einen anderen Wunsch hatte ich nicht.

Timo setzte sich neben mich auf das Bett und legt liebevoll seinen Arm um mich herum.

"Tut mir leid, dass wir deinen Geburtstag unter diesen Umständen feiern müssen", sagte er mitfühlend, als er meine Niedergeschlagenheit bemerkte.

Wir saßen in einem schmucklosen Raum, in dem ein Metallbett und Schrank stand, der aussah, als wäre er noch aus den 70ern.

Ich bewunderte Timo sehr dafür, dass er all das mit mir zusammen durchstand, obwohl er nicht einmal wusste, warum. Die Wahrheit hatte er mir ja nicht glauben wollen. Es war einfach das Grundvertrauen, das durch den Pfeil ausgelöst worden war, das ihn dazu brachte, bedingungslos zu mir zu halten.

Er hatte jedoch immer wieder seinen Eltern E-Mails geschrieben, damit sie sich keine Sorgen machten. Doch wir beide wussten, dass unsere Eltern vermutlich kurz vor dem Nervenzusammenbruch standen.

Timo küsste mich sanft.
"Kann ich dir denn irgendetwas Gutes tun, damit du dich ein bisschen besser fühlst?"

Ich sah ihm tief in die Augen. Es gab etwas, das ich tatsächlich unbedingt tun wollte.

"Ich bin bereit für den nächsten Schritt", hörte ich mich selber sagen und war selbst überrascht, wie direkt ich es einforderte. "Ich bin volljährig und ich fühle mich bereit."

Ein Lächeln huschte über Timos Lippen. Er wusste sofort, wovon ich sprach.

"Bist du sicher?"

Ich nickte entschieden.

Ich wollte und konnte nicht mehr länger widerstehen. Ja, es gab ein Risiko. Doch es war doch eh schon alles zu spät. Ich hatte schon so ziemlich jede Regel gebrochen, die man brechen konnte.

Wir waren auf der Flucht und das vollkommen ziellos. Was hatten wir denn noch zu verlieren?

Und dann kam mir ein Gedanke, für den ich mich selber schämte: Sollte es uns tatsächlich gelingen wohlbehalten aus dieser Sache herauszukommen, dann würde Timo sein Leben lang denken, dass es sein Kind ist. Er könnte der Vater sein. Denn heute war mein 18. Geburtstag. Der Tag, an dem ich schwanger wurde.

Dann schüttelte ich innerlich den Kopf.

Ich würde ihm ein Kind unterjubel. Was war ich nur für ein Mensch?

Doch auf der anderen Seite war es die beste Vorstellung, die ich mir ausmalen konnte, mit ihm eine Familie zu haben.

Ich schluckte meinen Frust darüber herunter, da ich befürchtete, dass wir keine gemeinsam Zukunft haben würden.

"Du siehst aber nicht so aus als wolltest du Sex haben", sagte er behutsam. "Du siehst er so aus, als würdest du dich weinend unter der Bettdecke verstecken wollen."

Ich schüttelte sofort den Kopf und versuchte Fassung zu bewahren.

"Nein, ich bin bereit. Jetzt und hier."

Ich kletterte auf seinen Schoß und begann ihn mit Küssen zu verwöhnen. Er stellte derweil die Torte auf einem klapprigen Hocker ab.

"Wirklich sicher, dass du das willst?", hauchte er mir noch einmal in mein Ohr. "Ich will, dass du das wirklich dir zu Liebe tust und nicht mir zu Liebe."
Währenddessen streichelte er mir bereits sanft über meinen Rücken.

"Ich will", sagte ich nun voller Überzeugung und streifte mir mein Shirt ab.

Ich wollte das schon gefühlt seit einer Ewigkeit!

Seine Hände umfassten nun meine Taille.

"Es ist dein erstes Mal, oder?", flüsterte er und stellte noch mehr Hautkontakt her.

Ich nickte. Wohlwissend, dass er schon deutlich mehr Erfahrung vorzuweisen hatte.

"Aber ich nehme trotzdem die Pille", log ich.
Ich war mir nicht einmal sicher, warum ich tat. Vielleicht war es die irrationale Hoffnung, dass er wirklich der Vater des Kindes sein konnte. Innerlich wusste ich jedoch, dass das ausgeschlossen war. Mama hatte gesagt, mein Körper funktionierte anders. Sie hatte gesagt, dass die Pille nichts bringen würde. Eine Schwangerschaft, wie sie bei Menschen entstehen konnte, war somit bei mir wohl nicht möglich.

"Wir lassen es ganz langsam angehen", ließ Timo mich liebevoll wissen.

Keinem Menschen auf der Welt vertraute ich so sehr wie ihm. Ich lächelte sanft.

Mein Herz ging auf, als er es erwiderte. 

AmoraWhere stories live. Discover now