Der Umzug

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Ich drehe den Autoschlüssel um und parke endlich mein Auto. Der Begriff Auto ist wohl übertrieben, 15 jährige Schrottkiste trifft es wohl eher. Ich sehe mir meinen alten Golf von innen an, erinnere mich wie er von außen aussieht- er war mal rot und jetzt sieht er aus wie eine ausgebleichte Orangenschale und muss kopfschüttelnd schnauben. Nach 15 Minütigen Suchen eines Parkplatzes in dieser neuen Umgebung, bin ich nun mit meinen Nerven am Ende. Ich steige schwerfällig aus und strecke erstmal meine Glieder. Mann, mir tut jeder Muskel weh. Für meine 24 Jahre, fühlen sich meine Knochen wirklich wie 80 an. Ich lasse den Blick über den weitläufigen Parkplatz gleiten und suche das Haus mit der Nummer 8. auf der Gegenüberliegenden Straßenseite, etwas links von mir, entdecke ich endlich die blaue Familienhaushälfte, mit der breiten, braunen Eingangstür. Ich muss zugeben, meinen Mietvertrag habe ich schon vor eineinhalb Wochen unterschrieben, nämlich per Einsendung und Einschreiben wieder an den Vermieter zurück, aber die Wohnung selbst habe ich mir noch nicht in echt ansehen können. Wenn ich mir die Wohngegend so ansehe und das viele Müll, das sich den Gehweg entlang tummelt, war das vielleicht ein Fehler. Ich schnappe mir meine kleine, schwarze Handtasche, schließe mein Auto und laufe auf das Haus Nummer 8 zu. Ich erkenne an den Wänden Graffiti Beschmierungen und an einer Bushaltestelle, auf der anderen Straßenseite von mir, eine kleine Männergruppe. Der Geruch von Marihuana steigt mir in die Nase und ich spüre irgendwie die Blicke der Männer auf mir, während ich nun etwas schneller laufe und meine Handtasche etwas umklammere. Vielleicht war das Ganze doch ein Fehler? Ich hätte den Vertrag nicht so schnell unterschrieben, wenn ich nicht ganz dringend eine Wohnung hätte finden müssen. Nicht zu vergessen eine, die meiner Preisklasse entspricht, bei dem Gedanken an mein Bankkonto wird mir schon ganz übel. Ich verwerfe schnell wieder den Gedanken und mache mich weiter auf den Weg. Nun stehe ich jetzt vor der braunen, großen Holztüre, bei näherem Betrachten erkennt man schnell Einschnitzungen und auch hier Beschmierungen mit einem Edding. Über die vielen aufgemalten Genitalien ganz zu schweigen, ließt sich auch oft der Begriff  "Skandal", "Skandi" viele Herzchen und auch Beleidigungen. Was "Gimgim" bedeutet, kann ich mir nicht herleiten. Auf dem Gehäuse der Klingeln wurde mit einem Stift geschrieben ,,Suche Katze, bei Interesse einfach klingeln!". Ich verdrehe meine Augen und sehe mir den Nachnamen genauer an. „Herr Ranav also" lese ich leise vor mich hin und bin etwas verblüfft. Mit meinem Vermieter, Herr Ranav, sollte ich mich um genau 14:30Uhr vor dem Hauseingang treffen. Oh Gott, mit seinem Vermieter in einer dreistöckigen Familienhaushälfte zu wohnen, stelle ich mir schwierig vor. Ich schaue auf meine Uhr und stelle fest, dass es 14:20Uhr ist und ich noch etwas Zeit habe mich zu entspannen. Termine einzuhalten und neue Menschen kennenzulernen stresst mich immer etwas. Der Gedanke die ganze Zeit sehr nett sein zu müssen und sich dauerhaft ein Lächeln aufzwingen zu müssen, wird mir auf Dauer zu anstrengend. Ich wippe meine Füße und blicke die Straße runter, vielleicht erscheint Herr Ranav auch etwas früher. Währenddessen bleibt mein Blick wieder an der Bushaltestelle hängen. Ich betrachte die Gruppe etwas genauer und entdecke 3 Männer, einer in einem blauen Hoodie, er ist der Einzige der auf der Bank sitzt, einen etwas größeren, breiteren und ganz zum Schluss einen Mann der etwas kleiner und eher schlanker ist. Die Gesichter kann ich von der Entfernung kaum ausmachen, aber ich habe das Gefühl, der Mann in der Mitte, mit dem blauen Hoodie beobachtet mich. Mir wird das unangenehm und ich sehe an mir herunter, bin ich komisch angezogen? Aber nein, ich trage eine ganz normale, etwas hellere Skinny Jeans, ein weißes Langarmshirt und normale Sneaker. Meine eher dunklen, lockigen Haare sind heute ausnahmsweise nicht so verstrubbelt wie sonst auch. Während ich mich weiter analysiere höre ich plötzlich ein lautes, tiefes Lachen und blicke schnell wieder zu dem Mann in blau hinüber. Das Lachen stammt offensichtlich von ihm, war ich zu auffällig und er lacht mich etwa aus? Ich höre wie jemand sagt ,,Gova, zieh dir schnell deine Maske an, am Ende ist das eine Skandalistin und dein Gesicht landet auf TikTok". Das verblüfft mich etwas, da ich zudem auch nichts von dem Gesagten verstehe. Plötzlich zieht der Mann in der Mitte etwas schwarzes aus seiner Hosentasche heraus und zieht sich, wie sich raus stellt, eine Maske über den Kopf. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr und so langsam fühle ich mich immer unwohler. Ich blicke die Straße nochmal auf und ab und stelle fest, dass sonst niemand draußen ist, nicht einmal ein Auto oder ein Bus das vorbei fährt. Werde ich gleich ausgeraubt? Sicherheitshalber nehme ich mir mein Pfefferspray aus der Tasche und umklammer dieses in der rechten Hand. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und starrte weiterhin mehrmals auf meine Uhr. Nach wenigen Minuten entspanne ich mich etwas, denn der Mann im Hoodie sitzt immer noch, gelegentlich hört man ihn tief lachen. Zum ausrauben habe ich eigentlich sowieso nichts und ich glaube, hätte er dies vor, würde er nicht so lange warten. Um mir die restliche Zeit zu vertreiben checke ich meine Emails und lösche einiges aus meinem Junk-Mail Postfach, mein Pfefferspray landet wieder in meiner Handtasche. Plötzlich höre ich eine ältere, ruhige Stimme sagen „Guten Tag, ich bin Herr Ranav, sie müssen Frau Sarry sein?". Ich fahre verschreckt zusammen und gebe einen lauten Schrei von mir. Ich blicke in das Gesicht eines etwas älteren Mannes, mit grauen Bartstoppeln und weiß-schwarzem Haar. Seine blauen Augen sehen mich belustigt an und dies entspannt mich auf Anhieb nun doch etwas. Ich höre wieder ein lautes Lachen von der Gruppe gegenüber und versuche das nicht auf mich zu beziehen. Ohje, haben die diese peinliche Aktion etwa mitbekommen? In mir zieht sich alles zusammen. ,,Guten Tag, freut mich sie kennenzulernen, Sie können mich auch einfach duzen und Alaya nennen, wenn sie das wollen". Ich strecke meinem Vermieter meine Hand entgegen, versuche die Scham über den Schrei zu verbergen und  freundlich zu lächeln. Er nimmt meine Hand in seine und lacht etwas dabei. „Nun gut Alaya, dann nenne mich bitte Mehmet, mit diesen strengen Regeln in Deutschland kann ich sowieso nicht viel anfangen". Jetzt muss auch ich lachen, da mir mein Vermieter auf Anhieb sympathisch wird, dennoch behalte ich im Hinterkopf ihn weiterhin mit seinem Nachnamen anzusprechen und ihn dennoch zu siezen, auch wenn er mich gerne duzen kann. „Ich würde sagen ich zeige dir jetzt erstmal in Ruhe die Wohnung, den Keller und den Waschraum. Wenn du fragen hast darfst du mich gerne einfach unterbrechen". Ich laufe Herr Ranav lächelnd hinterher und trete neugierig durch die Eingangstüre. Das Gefühl von brennenden Blicken in meinem Rücken kann ich währenddessen nicht ausblenden..

Skandal-Marokkanische Minze Where stories live. Discover now