Unsicherheit

428 19 13
                                    

Ich sitze noch immer auf meiner Couch. Zu einem richtigen Entschluss bin ich noch immer nicht gekommen, ich weiß aber, dass es wohl das Beste ist, wenn ich mich von ihm fern halte. In seiner Gegenwart habe ich mich und meine Emotionen irgendwie nicht unter Kontrolle. Ich bin ein eher temperamentvoller Typ Mensch, aber so wechselhaft habe ich mich selbst noch nie erlebt. Ja, es ist das Beste, wenn ich ihn ab jetzt aus dem Weg gehe. Anderes bleibt mir wohl nicht übrig und seine Meinung über mich habe ich nun klar und deutlich zu spüren bekommen. Ich schüttle den Kopf über mich selbst, es ist ja nicht so als ob irgendetwas zwischen uns wäre. Er ist bloß mein neuer, sehr launischer Nachbar und mit ihm komme ich einfach nicht klar, oder? Ich weiß langsam selber nicht mehr was ich noch glauben soll. Interesse an ihm habe ich nicht, wer Bitteschön möchte freiwillig so einen Kerl kennenlernen? Und auch wenn ich ihn in bestimmten Situationen attraktiv fande, mein Typ ist er ganz und gar nicht! Zur Bestätigung nicke ich meinen Kopf mit und schließe genervt meine Augen. Ich sehe auf mein Handy und erkenne, dass es langsam schon spät wird, soll ich mir einfach erneut etwas bestellen? Kaum habe ich den Gedanken im Kopf höre ich wie es an meiner Tür klopft. Bitte, lass es nicht ihn sein, auch wenn ich bezweifle, dass ein Mensch wie er, sich freiwillig einen Gedanken um mich schert. Wie sagte er so schön? „Wer bin ich und wer ist sie?", der Gedanke, an sein Gesagtes, lässt mich wieder den Knoten in meinem Magen spüren. Ohne richtige Energie in meinem Körper schlurfe ich an meine Haustüre und mache diese einen Spalt auf. Wie zu erwarten steht nicht der arrogante Schleimbolzen vor meiner Türe, sondern Oualid. „Was gibts?" Frage ich ihn. Für eine weitere Diskussion bin ich heute nicht mehr zu gebrauchen. Er sieht mich unsicher an und hält mir mit beiden Händen eine weiße Plastiktüte und eine Pizzaschachtel vor die Nase. „Ehm, ich wollte das von vorhin wieder gut machen, ich hoffe du kannst mir verzeihen?" er sieht mich entschuldigend an und bei seinem Blick wird mir etwas warm ums Herz, es tut ihm wohl wirklich leid, oder? Ich nehme ihm die Tüte und Schachtel ab, drehe mich um und laufe in mein Wohnzimmer. Die Türe habe ich offen gelassen, um ihm verständlich zu machen, dass er gerne eintreten darf. Das tut er auch, wenn nicht ganz so selbstbewusst. Ich stelle die Schachtel auf meinen Tisch ab und schaue hinein. Sofort bildet sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen, vor mir steht eine extra große vegetarische Pizza. Ich schaue in die Tüte und erkenne, dass er mir ebenso eine Dönerbox, Pommes, einen kleinen Salat, eine Cola und einen Ayran gebracht hat. „Ohje, das ist doch viel zu viel, danke, aber eine Pizza hätte doch vollkommen gereicht Oualid" ich sehe ihn an und erkenne dass er unruhig auf beiden Beinen steht. „Ich wusste nicht was du magst, deshalb habe ich dir von allem bisschen was mitgebracht, damit du mehr Auswahl hast. Ich hoffe damit konnte ich alles wieder gut machen?". „Danke, wirklich, aber ich bin nicht mal sauer auf dich, du kannst nichts dafür und es ging mir eher weniger um das Essen. Naja, sagen wir es so, ich und dein Freund verstehen uns einfach nicht wirklich." Er macht einen wirklich netten Eindruck, doch während wir uns unterhalten landet meine Hand schon in der Pizzaschachtel. Ich nehme einen großen Bissen und bin glücklich endlich etwas im Magen haben zu können. Ich strecke ihm die Schachtel entgegen, damit auch er sich was nehmen kann, doch er schüttelt bloß den Kopf. „Bitte nimm dir etwas, das schaffe ich doch nicht alles alleine!" gebe ich jetzt, noch kauend, von mir. „Danke aber ich bin wirklich noch satt von vorhin" er sieht mich jetzt wieder entschuldigend an, ich konnte nicht anders als meine Augen zu verdrehen. „Du isst jetzt mit mir mit, sonst werde ich sauer und hier trink" Ich bringe von der Küche zwei Glaser und fülle ihm etwas von der Cola ab. Er nimmt das Glas dankend entgegen und nimmt einen Schluck. Er muss wirklich gerannt sein, so schnell wie er aus der Wohnung von Skandal verschwunden ist und nun jetzt wieder hier ist. Der Arme, mein schlechtes Gewissen meldet sich zu Wort, wenn ich mir das Szenario bildlich vorstelle. „Komm, du kannst dich gerne setzen. Wir machen es uns auf der Couch bequem und zu Beginn ist es erstmal still. Oualid hat sich ein paar Pommes geschnappt und kaut zaghaft darauf herum. Ich glaube wir beide wissen nicht so ganz wie wir mit der Situation umgehen sollen, aber da machte er schon den ersten Schritt. „Schöne Wohnung, hast du dich schon bisschen eingelebt?". „Danke, ja etwas, aber ich bin kaum aus der Wohnung raus gekommen, ich wollte mir morgen mal die Stadt ansehen" sage ich ihm. „Die Stadt wird dir gefallen, man kann hier bei uns gut shoppen und essen gehen und für jedes mögliche Hobby gibt es hier irgendwas" antworte er. „Ich würde gerne in eine Buchhandlung, habt ihr hier ein Thalia oder so?" ich muss zwar etwas sparen, aber ein neues Buch würde mir etwas Entspannung verschaffen. Vielleicht komme ich dann auch mal von all dem Stress runter. „Klar Gova, wir sind hier in Essen, hier gibt es alles. Ich komm zwar aus dem Gebüsch, aber ich weiß, dass wir hier sogar im D&M den 94F Lipliner haben" er lacht und ich schaue ihn erstaunt an. Jetzt muss auch ich lachen, „94F? Du kennst dich mit Schminke aus?". „Durch die Skandalisten lernt man nie aus, frag mich was du willst, ich bin schon ein Profi geworden" gibt er lachend von sich. Skandalisten? Ich frage ihn was er damit meint und dadurch ist erst richtig unser Gespräch ins Rollen gekommen. Ich weiß nicht wie lange wir hier schon sitzen, zusammen essen und ich ihm zuhöre. Er erklärt mir alles über Skandal und sein Beginn bei Icon 5, wer die Skandalisten sind und was es mit dem Streamen auf sich hat. „Ey, mir tut das mit der Porno Anschuldigung nochmal echt leid" wir beide müssen laut lachen und kriegen uns erstmal nicht ein. „Ja alles gut, woher hättest du das wissen sollen? Ich seh sowas eh eher locker, aber Skandal ist bei solchen Themen eher empfindlich. Du musst ihn einfach mal richtig kennenlernen, der Gova ist einer meiner besten Freunde und hat eigentlich den gleichen Humor wie ich". Jetzt muss ich schlucken, ich kann mir Skandal einfach nicht locker vorstellen. Ihn könnte man eher in einer Bibliothek aufstellen, mit seinem grimmigen Blick würde er sorgen, dass alle die mal lachen oder zu laut sind direkt verstummen. Der Traum einer jeder Bibliothekarin, er sollte dort mini jobben, dieser Trottel. „Sorry, aber den Skandal, den ich kenne kann ich mir einfach nicht so vorstellen". Mir kommt wieder das heimlich belauschte Gespräch in den Kopf und schon bin ich nicht mehr hungrig. Ich schiebe mein Essen von mir und nehme einen Schluck Cola. „Nein wirklich, ich weiß nicht was da zwischen euch falsch gelaufen ist, aber jeder mag ihn. Ihr müsst einfach nochmal von neu Beginnen". Ich sehe Oualid an und zeige ihm den Vogel. „Nicht mal für Geld würde ich freiwillig nochmal auf ihn zugehen, niemals! Der Typ ist einfach nur unverschämt und überheblich und nur weil er gut aussieht denkt er, dass er machen kann was-" mitten im Satz unterbreche ich mich selber, habe ich gerade gesagt, dass er gut aussieht? Natürlich meinte ich das nicht so! Ich sehe wie Oualid mich grinsend und mit einem komischen Blick beobachtet „Das wird noch witzig werden" ist das Einzige, dass er dazu sagt. „Hast du Lust mit mir zusammen in die Stadt zu gehen, ich kann dich bisschen rum führen und dir die Buchhandlung zeigen, als Frau alleine ist es trotzdem nicht so gut in Essen rumzulaufen, wenn man sich nicht mal auskennt". Ich sehe ihn dankend an und sage „Klar gerne, du musst mir nur sagen gegen wie viel Uhr". Er steht auf und sagt „Ich würde sagen ich klingel gegen 13:00Uhr an, passt das für dich?". „Ja das passt mir ganz gut, ist die Stadt weit entfernt?" Frage ich ihn. „Nein mit dem Auto brauchen wir nicht lange" sagt er. „Also dann, ich muss langsam runter, der Stream fängt glaube ich gleich an". Ich stehe auf und und laufe mit ihm langsam Richtung Haustüre, „Klar, alles gut, dann würde ich sagen bis Morgen und Oualid, danke nochmal für das Essen und einfach fürs reden".  Er ist mir wirklich sympathisch geworden, ich bin froh, dass sich raus gestellt hat, dass es hier auch nette Menschen gibt. „Wie gesagt, ich musste was gut machen. Gute Nacht, wir sehen uns morgen. Schlaf schö-" Oualid kommt nicht dazu zu Ende zu sprechen. Ich folge seinen Blick und sehe wie Skandal an meinem Türrahmen steht. Oualid hat wohl vergessen die Türe beim Eintreten zu verschließen. Skandal steht leicht breitbeinig und mit verschränkten Armen da. Irgendwas stimmt nicht, was will er hier und wieso sieht er so sauer aus?

Skandal-Marokkanische Minze Where stories live. Discover now