Männer [Poetry Slam]

116 10 27
                                    

{Entstanden ist dieser Slam in der Schule (2012). Es ist mein erster Slam überhaupt gewesen. Dies ist allerdings die überarbeitete Variante, vorgetragen am 05.09.2017. Ich bin gespannt, ob sich der ein oder andere in diesem Text wieder findet ;) }

Freitagabend, wie immer Mädels unter sich. Treffen um 20Uhr plus minus 30min, normal, der Plan: Warmtrinken, schminken, stylen, am Outfit feilen Spiegelcheck – nett, heiß, wer weiß, wem's auffällt. So läuft's: letzte Shoppingerrungenschaften werden gemeinsam begutachtet, beneidet, anprobiert, getauscht, dem neuesten Klatsch gelauscht, neueste Schminktipps werden ausprobiert, getestet - verworfen, weggewischt, man bleibt beim Alten, gewohnten, gekonnten, erprobten. Schuhe werden gehandelt wie an der Tauschbörse oder Spielkarten im Quartett - ich hab blaue, 15cm, wer will? Brauche 11cm schwarz, Sandalen! Schließlich: fast fertig. Nur noch zu Meckes, Grundlage schaffen – Kaugummi gegen Mundgeruch, wer hat? Fünf aufgebrezelte, perfekt gestylte, knapp gekleidete Mädels (aber nichts zu sehr, nicht, dass es nuttig wird), - bereit sich in die schwitzende, drängende, wogende, wippende, lautgrölende Menge zu wagen, auf Beutezug nach willigen, wohlwollenden durstlöschenden Gönnern zu begeben.

Ich mache das ganze Theater, diese Maskenbildnerei mit hoch professioneller Schauspielkunst gepaarte Show nur mit, weil ich nichts Besseres zu tun hab. So habe ich einen nahezu kostenlosen all inclusive Abend – vom Outfit bis zur Verpflegung. Der Einsatz? Mit dem Arsch wackeln, Hüften kreisen lassen, mit aufgegeilten, angetrunkenen Typen flirten die schwanzgesteuert auf Sex setzten, mich abfüllen wollen. Pech nur für sie, das Cola, Wasser, RoterBulle das einzige sind womit ich mir normalerweise die Kante gebe – üblicherweise bin ich, genau, der Fahrer.

Heute nicht. Das Taxiunternehmen kutschiert uns bequem von H nach D – Disco. Heute will ich Spaß haben. Mich auch an Milch(?), nein, Martini laben, an den frusttrinkenden Versetzten in der Ecke ergötzen bis ich kotz.

Aber ich habe keinen Bock auf diese schleimig, spießigen, alle gleichen Kerle mit ihren überentwickelten Machogenen, die mich anmachen, anlabern, flachlegen wollen. Diese kleinen Großkotze, die jeden Tag in die Muckibude gehen, Discopumper - immer noch einen Bierbauch haben, aber Ausdünstungen von sich geben, dass man nach einer Gasmasken oder aber wenigstens nacheiner ordentlichen Erkältung schreien will. Diese arroganten, selbstverliebten Arschlöcher, die ihre mangelnde Manneskraft mit lautdröhnenden, rasselnden Pferdestärken zu kaschieren versuchen, die mit hämmernden Bassanlagen genug Vibration in der schicken Karosse jagen, dass das Weibsbild auf der Rückbank garantiert einen erregenden Abend hat – egal von wem sie bearbeitet wird. Ohnehin – weder Wagen noch Fahrer des Gefährts wir die durchgenommene Frau nach dieser Nacht wieder sehen. Sprich: Rein, raus und weg (mit krassen 76 umweltverpestenden PS).

Nein, nicht mit mir! Ich will einen Mann! Einen Mann, der nach dem Sex nicht gleich einschläft, eindämmert, wegschlummert, sondern mit mir über meine Meinung redet. Einen, der so ist, wie ich es mir wünsche. Einen Mann, der keiner Frau auf den Arsch starrt, wenn ich neben ihm stehe. Einen, der so ist wie ich es mir wünsche. Einen Mann der mich nach einem langen Tag mit Blumen vom Bahnhof abholt, auch ohne Auto, einfach, weil er es schön findet, mich lachen zu sehen. Einen, der ... Entschuldigung, ich schweife ab.

Ich stehe also in diesem bassgetränkten Schuppen an einer alkoholgetränkten Bar zwischen den Stühlen und fasse einen Entschluss. Mir wird klar: Irgendwo in diesem siffigen, fermentierten Saftladen wird sich ein Mann nach meinen Maßen finden lassen. Nach gefühlten drei Stunden auf zehenquetschenden, schmerzhaften, folternden, wunderschönen Pumps finde ich einen, der so scheint, als könne er es mit meinen Maßstäben aufnehmen – und habe wieder Hoffnung. Er steht in einer Ecke, nickt im Takt mit dem Kopf und wippt entgegengesetzt mit dem Körper vor und zurück und vor – völlig taktlos (ihn unverhohlen zu beobachten). Schlaksig, groß, unkoordiniert, mit schüchtern guckenden Kulleraugen, Mitessern und Pickeln vom Rasieren im Gesicht, auf den Wangen und mit Klamotten, die aus dem letzten Jahrhundert stammen (könnten). Mein Traummann.

Ich quatsche ihn an(,) flirte(,) ungeschickt wagt er erste Tanzversuche mit mir. Ich ergattere seine Handynummer, verdrehe ihm spielerisch den Kopf, wie 'ne Katze 'ner Maus den Hals. Verspreche mich zu melden, meinem knuddeligen Helden, verschwinde, muss weiterziehen, weitersuchen, flirten, das Potential des Abends ist vielleicht noch nicht erschöpft.

Gut, gut, alle guten Dinge sind drei – drei Tage warten bis ich meinen Frosch anrufe. Er ist völlig perplex meine zuckersüße, weiche, samtig sahnige Stimme durch das Handy verzerrt aus dem Hörer zu hören, stottert, verhaspelt sich, seine Stimme überschlägt sich, schweigt schließlich still. Wir machen ein Date aus, es wird sich getroffen, geredet, geflirtet, keusch geküsst – ich weiß ich weiß: zu schnell, aber was soll's - ein zweites Treffen vereinbart.

Wir gucken Liebesfilme, teurer Italiener,

Rote Rosen

Liebesschwüre, Geständnisse vom Geschwür im Bauch,

offenes Buch, vorlesen, sieben Siegel brechen,

Händchenhalten,

Kavaliersgehabe, kuscheln, schmusen, kose(N)amen.

Nach zwei Wochen umschmeicheln, werben, Grenzen streicheln, sind wir endlich ein Paar, ich bin glücklich – er auch?! Mein Frosch hat sich zum Prinzen hochgelevelt, Honeymoon, Glück, Blumen, rosarote schillernde Welt, hey!

Doch dann der Gang zum Optiker. Lasse mir eine Brille ohne gefärbte Gläser geben. Sehe alles realistisch, natürlich, pur ohne diesen inzwischen nervig kitschig rosaroten Nebel, der alles verzerrt als wäre ich dauernd auf Droge – Badesalz, Gras, Meth – egal, erlaubt ist was gefällt! Dieser Schleier fällt nun, enthüllt die nackte, kalte, irgendwie abstoßende Wahrheit - mein strahlender Ritter in weißer Rüstung, mein Hoffnungsschimmer hat sich zum schwarzen Dämon entwickelt – eines dieser widerlichen Exemplare, welche alles von dir nehmen wollen und nichts dafür geben.

Rückblickend ein schleichender, schmieriger Prozess. Beginnend mit der Anschaffung einer Basecap, die, um sie richtig zu verwenden, verkehrtherum aufgesetzt werden muss. Fortgeführt mit Veränderungen im Verhaltensmuster – vom schüchternen Blondschopf zum locker-lässig coolen Draufgänger, der alles kann, weiß, will, das Ass schlechthin ist – schwarzer Peter eher, denke ich. Meint er sei der Größte bzw. hätte den Größten, das größte, geilste Gefährt sowieso. Oberflächlicher Bastard, der anderen Frauen in den Ausschnitt starrt, sich traut, sie anzutanzen und der Meinung ist, ich dürfe nicht mit (für ihn) Fremden reden. Weil er die Befürchtung hat, ich könne mich von ihm abdreh'n, was Besseres als ihn finden, mich neu verlieben. Daher weht der Wind, die Veränderung zur Monstrosität: Anpassung, Angst, Aufmerksamkeit. Der Gedanke, er könne zu langweilig, ein Loser sein - Bestätigung. Die Idee, dass ich Aufregung, Aufwand, Abwechslung brauche. Fehlen tut die Frage was - ich will(,) - ihn nicht mehr. So einem renne ich nicht hinterher!

Letztendlich werde ich wohl keinen finden, alle werden sich winden, zu dem werden was ich hasse. Sich anpassen der breiten Masse. Weil sie glauben, die Schnallen wollen es so, das habe ich jetzt geschnallt, aber so einen noch nie gewollt. Ich falle in ein Tief – Enttäuschung.

Ich wende mich ab von dieser Anpassungsmasse, den Frauen zu?! Sie werden wohl wissen was ich will, weil sie es doch auch wollen werden. Und wenn sie es nicht weiß, fragt sie. Bestimmt.

Seelenworte    #DreamAward2018 #wattys18gewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt