Weiter ziehen [Slam/Blog]

43 5 6
                                    

Ich bin gerade umgezogen. Ausgezogen aus dem Elternhaus um genau zu sein. Und ich musste feststellen: umziehen ist Mist. Verdammt viel Arbeit. Meine Eltern, insbesondere mein Papa haben mich dankenswerter Weise zwar unterstütz, gelegentlich überfiel mich aber trotzdem ein Hauch von Panik und Überforderung.
Das, wofür es steht: Neuanfang, loslassen und ziehen lassen, auf eigenen Beinen stehen und absolute Selbstständigkeit ist eben auch das. Selbstständigkeit. Selbst und ständig. Keiner mehr, der die Wäsche wäscht, den Kühlschrank füllt oder dafür sorgt, dass Abends Essen auf dem Tisch steht. Eigentlich wollte ich ja genau das. Nach meinen Regeln Leben. 3 Tage nicht nach Hause kommen, vor dem Schlafen gehen Pizza essen, bis morgens um 5 lesen, einfach weil ich es kann (tatsächlich habe ich das nicht mehr gemacht, seit ich angefangen habe zu studieren. Ich schlafe einfach spätestens um 2 ein. Erwachsen sein ist anstrengend) Dazu gehört auch selber waschen und Wäsche aufhängen wann ich will, essen was ich will, kochen was ich will und wie ich will. Das klingt in der Fantasie ganz nice. Aber irgendwie vermisse ich das auch. Das jemand zu Hause ist, wenn ich abends heim komme Und ich eben nicht noch den ganzen Haushalt schmeißen muss. Und die Katzen. Die vermiss ich auch, sehr sogar. Das ist so ein bisschen wie neulich, als unser Kätzchen das erste mal raus durfte. So wie sie dabei aussah, fühle ich mich momentan. Draußen ist es irgendwie ganz toll und aufregend und neu.. Aber zu Hause gibt's Futter. Und Streicheleinheiten. Und die Abläufe sind bekannt. Und das Klo wird von anderen geputzt. Schon schön, wenn man die eigene Scheiße nicht selber weg machen muss.... im übertragenen Sinne natürlich.
Aber dann sind da natürlich deutliche Vorteile, angefangen schon damit, dass man die Wäscheablage nicht auf DEN STUHL (jeder kennt ihn, jeder führt eine Art Hassliebe mit ihm) im Schlafzimmer beschränken muss. Es bieten sich ganz neue Möglichkeiten der Raumgestaltung. So viel Platz, den man im besten Falle ganz für sich alleine hat. Bis Besuch kommt.
Dann muss deutlich mehr als früher auch wieder aufgeräumt werden. Irgendwie möchte man ja auch beweisen, sich selbst und dem Besuch, dass man der Sache gewachsen ist. Und wenn der Besuch dann endlich wieder von dannen zieht, hofft man, dass er sich wohl gefühlt hat und anderen von seiner positiven Erfahrung berichtet. So ein bisschen wie bei einer Restaurantbewertung. Das ist jedenfalls bei mir so. Also wenn ihr mal vorbei schaut: Bitte lasst eine gute Bewertung auf "room2you" für mich da! Der Tee ist übrigens Bio und die Zutaten für den Kuchen alle regional!

Aber zurück zu dem Prozess des Umziehens an sich. Ich sage nur drei Worte: verdammt viel Arbeit.
Das unterschätzt man beim ersten mal total. Als Kind bekommt man das ja alles immer nicht wo mit, auch nicht, wenn man bei Freunden hilft. Da sind die Kartons gepackt, man fährt von A mach B damit, hilft vlt. Ein bisschen beim rein tragen und aufbauen und schlägt sich anschließenden den Magen mit Brötchen, Eis oder was der Umziehende sonst so als Stärkung anbietet voll.
Wenn man jetzt selber in der Position des Kartonpackers ist, sieht die Sache schon anders aus. Es bleibt ja nicht bei ein paar Kartons. Einrichtung kaufen, Kühlschrank, Waschmaschine organisieren und wenn man so bescheuert ist wie ich, auch nich ein verdammtes Bergpanorama im Wohnzimmer an die Wand pinseln. Sieht geil aus, gebe ich gerne zu, ja ich bin mehr als ein bisschen stolz auf mein Werk, aber dennoch: wie verdammt bescheuert war ich eigentlich? Nächstes mal kaufe ich Tapeten. Ich weiß nämlich jetzt schon, dass ich heulen werde, wenn die Wand bei meinem Auszug wieder weiß werden muss. Aber das gehört ja auch dazu. Weiterziehen. Zumindest habe ich beim nächsten mal schon Töpfe, Pfannen, Deko, Geschirr und einen Plan. Der fehlte mir nämlich komplett. Ich bin einfach losgezogen und habe geschaut, was ich brauchen könnte. Manches habe ich netter Weise geschenkt bekommen, anderes gebraucht gekauft und gelegentlich auch neu. Ich hatte keine Ahnung, wie verdammt teuer die Installation einer stabilen Arbeitsplatte werden kann. Fast 100€ für nicht einmal 2m^2 mehr Platz um mein Essen zuzubereiten. Mehr Platz den ich dann wieder voll stellen kann.
Meine Wohnung ist inzwischen ca. zur Hälfte eingerichtet und ich orientiere mich aktuell nicht vorwiegend an dem, was ich brauche, das habe ich inzwischen so gut wie alles, sondern was ich mir leisten kann. Einen Vorrat an Nudeln aus dem Angebot bei Lidl habe ich schon angelegt. Sollte bis zum Ende des Monats reichen. Zur Abwechslung gibt's dann mal Kartoffeln mit Butter. Klingt dekadenter als es ist. Auch wenn Butter momentan nicht gerade günstig ist. Ein bisschen Luxus muss man sich schließlich auch ab und an mal gönnen. Und nächste Woche bekomme ich ja auch endlich wieder Gehalt. Dann habe ich wieder Geld um meine Wohnung weiter nach meinen Wünschen zu gestalten. Und ein Stücken weiter zu ziehen, aus meinem Elternhaus in meine eigenen 4 Wände.
Damit ich beim nächsten Besuch meiner jahrelangen Hauptsponsoren sagen kann: Könnt ihr Kuchen mirbringen? Ich hatte keine Zeit zu backen.

Seelenworte    #DreamAward2018 #wattys18gewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt