31) Die Erzählperspektive

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31.
Die Erzählperspektive wird von den meisten oft unterschätzt und auf die leichte Schulter genommen. Oftmals wählen junge Autoren einfach die Ich-Perspektive und hinterfragen dies nicht, dabei kann es teilweise besser sein, eine andere Perspektive zu wählen. In diesem Kapitel möchte ich euch die Erzählperspektiven erläutern, deren Vor- und Nachteile nennen und auch auf Geschichten mit mehreren Erzählperspektiven eingehen.

Die Ich-Persepktive
Das ist wahrscheinlich die am einfachsten zu verstehende Perspektive, da der Name ja eigentlich schon alles sagt. Das Buch wird aus der Sicht einer Person geschrieben und man bekommt ihre Gedanken und alles, was sie erlebt, mit. Nur durch ihre Perspektive können wir uns eine Meinung über die anderen Charaktere bilden und von deren Handlungen erfahren. Daher kann es auch einschränkend sein, da man ausschließlich aus dieser einen Sicht schreibt. Zudem kann es auch zu intim sein, da im Prinzip keine Distanz mehr zum Charakter gewahrt wird.
Allerdings ist und bliebt die Ich-Perspektive meine liebste, weil sie am persönlichsten ist und, finde ich, am unkompliziertesten zu Schreiben ist.

Beispiel:
Ich ging vorsichtig die Treppe hinunter. Irgendetwas war anders, das spürte ich. Die Luft war ein paar Grad kälter und es war kein einziges Geräusch zu hören. Auch nicht das Trippeln von Mäuseschritten oder das Klackern der Heizung. Ich war einzig und allein auf mich selbstgestellt.

Die personale Erzählperspektive
In der personalen Erzählperspektive schreibt man aus der Sicht der dritten Person, also er, sie oder es. Es geht um die Gefühle und Handlungen der Person, von der die Geschichte handelt, weshalb der Erzähler an sich nicht so wichtig ist. Im Grunde erfährt man so viel von dem Charakter wie in der Ich-Perspektive, aber die personale Erzählperspektive ist definitiv weniger nah am Charakter dran. Es wird immer eine gewisse Distanz gewahrt, da der Leser praktisch von außen auf den Protagonisten schaut, statt aus seiner Sicht alles zu erleben.
Die Erzählweise eignet sich, finde ich, gut, um ein Buch mit mehreren Erzählperspektiven zu schreiben. So kann man pro Kapitel aber auch innerhalb eines Kapitels die Sichtweisen ändern und verliert dabei trotzdem nicht den Überblick als Leser und weiß immer, wer gerade dran ist.

Beispiel:
Leon schwang sich auf ein Fahrrad und fuhr los. Er war spät dran, wie er es eigentlich immer war, doch heute war es besonders ärgerlich. Er hatte eine Verabredung mit Sina, dem Mädchen für das er schon seit Ewigkeiten schwärmte. Er wurde rot, wenn er sie ansah, und bei dem Klang ihrer Stimme schmolz sein Herz wie Vanilleeis in der Sommerhitze.

Die auktoriale Erzählperspektive
Der auktoriale Erzähler ist der allwissende Erzähler. Er erzählt die Geschichte wie ein, wie ich gerne sage, Märchenerzähler. Er weiß, was geschehen wird, er kennt alle Charaktere und kann dem Leser wann er will Einblicke in deren Persönlichkeit oder Gedanken geben. Dennoch ist es bei weitem nicht so detailliert wie in der Ich-Perspektive oder der personalen Erzählweise. Die Handlung an sich steht bei solch einer Geschichte meist mehr im Fokus als die Charaktere. Der Erzähler kann das Verhalten der Personen oder die Geschehnisse kommentieren, vorausdeuten, wiedergeben etc. So ist man als Leser praktisch mit dem Erzähler verbündet und bangt um die Charaktere, da man oft schon weiß, was sie später erwartet.
Der Erzähler ist aber nicht der Autor! Der Erzähler ist meistens einfach eine außenstehende Person, die die Handlung erzählt.

Beispiel:
Leon schwang sich auf ein Fahrrad und fuhr los. Er war spät  dran, wie er es eigentlich immer war, doch heute war es besonders  ärgerlich. Er hatte eine Verabredung mit Sina, dem Mädchen für das er  schon seit Ewigkeiten schwärmte. Er wurde rot, wenn er sie ansah, und  bei dem Klang ihrer Stimme schmolz sein Herz wie Vanilleeis in der  Sommerhitze. Doch dass all seine Eile umsonst war, weil niemand auf der Bank im Park auf ihn warten würde, war ihm da noch nicht klar.

Die neutrale Erzählperspektive
Diese Erzählperspektive wird meistens außer Acht gelassen, da sie bei fiktionalen Werken oft nicht verwendet wird. Bei ihr geht es um einen Erzähler der, wie der Name schon sagt, neutral erzählt und sich aus der Figurenwelt zurückzieht. Er schildert die Handlung objektiv und lässt dem Leser so Raum, sich selbst eine Meinung zu bilden. Deshalb kann diese Erzählweise auch als unpersönlich und distanziert wahrgenommen werden. Man fiebert nicht so stark mit den Charakteren mit und lernt sie nicht so gut kennen. Gefühle oder Gedanken werden nicht beschrieben. Insgesamt geht es recht sachlich und berichtend zu und kann auch monoton wirken. Bei Sachbüchern oder gesellschaftskritischen Werken ist diese Erzählweise allerdings besonders gut zu benutzen.

Beispiel:
Anne saß am Abendbrotstisch. Es gab Käsespätzle. Ihre Familie mit ihren Eltern und ihrer Schwester war zu Besuch. Nachdem sie gegessen und lange geredet hatten, verabschiedeten sich alle voneinander und Anne war wieder allein.

Geschichten mit mehreren Erzählperspektiven
Es gibt auch Bücher, die mehrere Erzählperspektiven haben, dann aber entweder aus der Ich-Perspektive oder mit einem personalen Erzähler geschrieben sind. Doch wann eignen sich mehrere Perspektiven und für welche Erzählperspektive entscheidet man sich am besten?

Generell eignen sich mehrere Perspektiven bei New Adult Romanen bzw. Belletristik. Dort hat man oft den Fall das es zwei Perspektiven gibt, einmal die der weiblichen Protagonistin und die des männlichen. Beide haben ihre Kapitel, in denen sie aus ihrer Sicht erzählen und den Leser meist auch über Hintergründe oder Schicksalsschläge aufklären, ohne diese dem anderen Charakter mitteilen zu müssen, wie es mit nur einer Perspektive nötig wäre. Meistens wird hierbei die Ich-Perspektive gewählt, da es in Roman vorzugsweise um Gefühle und Emotionen geht und die aus dieser Perspektive am besten beschrieben werden können. Dennoch müssen dabei beide Charaktere "stark" genug sein, um eine eigene Sichtweise zu bekommen. Wenn der männliche Charakter zwar der Liebhaber eurer Protagonistin ist, aber eigentlich nicht wirklich selbst etwas aus seinem Leben erzählen muss, braucht er auch keine Perspektive. Manchmal reicht es, wenn die Charaktere in den Sichtweisen anderer beschrieben werden.

Dann gibt es aber auch noch Bücher, die mehr als zwei Erzählerperspektiven haben. Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel die Trilogie "Beautiful Liars", wo es um die fünf Perspektiven gibt, die dann aber jeweils aus der personalen Sichtweise geschrieben sind. Dies ist meiner Meinung nach auch die beste Lösung bei sehr vielen Erzählperspektiven, um den Überblick zu behalten. Wenn nur oben am Kapitel ein Name steht, kann man den als Leser auch mal übersehen und steigt dann, wenn das Buch aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, nicht mehr wirklich durch.
Da ist es aber sehr wichtig, dass jeder Charakter zu Recht eine eigene Erzählperspektive hat. Nichts ist schlimmer, als wenn der Leser die Sichtweisen mancher Protagonisten überflüssig, uninteressant oder langweilig findet. Ihr müsst sicher sein, dass der Leser diese Gefühlslage wissen muss, dass er das Innenleben eines Charakters für das Verständnis des gesamten Plots braucht. Man kann natürlich aber auch variieren und eine Hauptsicht haben und mehrere Nebenerzählperspektiven, aber meistens haben alle Figuren den gleichen Textumfang. Wichtig ist nur, dass die Erzähler alle unterschiedlich erzählen und nicht genau gleich. Jeder Charakter hat einen eigenen Handlungsstrang, der durch Cliffhanger am Ende eines Kapitels zum weiterlesen anregt, jede Figur muss mitreißend sein und neue spannende Dinge zum Gesamtplot beitragen. Meiner Meinung nach ist es eine der schwersten Sachen überhaupt, mehrere Perspektiven und damit auch ineinander verwobene Handlungsstränge, verschiedene Wissensstände der Personen etc. zu schreiben.

Ich hoffe, das konnte euch helfen, euch einen Überblick über alle Erzählperspektiven zu verschaffen und die beste für eure Geschichte auszuwählen. Habt ihr noch weitere Kapitelwünsche? Schreibt sie in die Kommentare!

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