Kapitel 17

28.2K 1.6K 31
                                    

Schweigend verlassen wir die Kasse. Noch nie habe ich so viel Geld in einem Laden zurückgelassen-obwohl es theoretisch gar nicht mein Geld war.

"Ich kann verstehen..., dass du es geheim halten wolltest. Aber wenigstens als ich dir den Zettel gegeben habe, hättest du es mir sagen können." Rosa spricht mit einem sympathischen Lächeln auf den Lippen. Ihre pechschwarzen Haare umrahmen das besorgte und zugleich enttäuschte Gesicht. Das Letzte, was ich mit meinem Geheimnis bewirken wollte, ist, jemanden mit der Wahrheit zu enttäuschen! "Ich wusste das wirklich nicht. Das war ein reiner Zufall, dass ich dich dabei erwischt habe, wie du dir Hilfe geholt hast."

"Ich möchte nur nicht jedem augenblicklich meine größte Schwäche verraten.", gebe ich zu.

"Und das kann ich vollkommen nachvollziehen. Ich fühle mich nur schlecht, dass ich...dass ich-"

"Dass du mir die Getränkeliste zugemutet hast?", führe ich ihren Satz zu ende.

"Nein...einfach, dass ich davon nicht gewusst habe...Ich hätte das doch schon früher bemerken müssen!" Regentropfen rieseln auf uns herab und meine Gedanken führen mich wieder ein mal zu den schuhlosen Männern, während wir das schwarze Auto erreichen und Rosa den kleinen Kofferraum öffnet.

"Rosa. Das ist mein größtes Geheimnis! Also ist es jawohl verständlich, dass du davon nichts mitbekommen hast. Aber bitte verrate es ihm nicht." Ich helfe ihr, die Einkaufstüten in den Kofferraum abzustellen.

"Du hast ja Recht." Mit einem lauten Knall schließt sich der Kofferraum wieder und Rosa stemmt ihre Hände auf ihre Hüfte. "Magst du den Einkaufswagen wegbringen?"

Nickend umfassen meine dünnen Finger den Griff, bevor mir das unangenehme Rattern der Räder in meinen Ohren, eine Gänsehaut bereitet. Je mehr ich mich den Männern nähere, die sich trotz des Regens nicht vom Platz gerührt haben, desto größer wird der Klumpen in meinem Hals. Ich spüre die Kälte unter meiner Haut, als wäre ich mit ihnen, dort unten. Als das Geräusch verblasst und nur noch der Regen zu hören ist, nehme ich die Münze aus dem Schlitz des Einkaufwagens und drehe mich zu Rosas Wagen um. Sobald ich mir sicher bin, dass sie bereits eingestiegen ist, wende ich mich den Männern zu.

"Hallo." Ich gehe in die Hocke- "Wie heißt ihr?", ist meine erste Frage, "Habt ihr heute schon gegessen?", meine zweite. Mit zittriger Stimme verraten sie mir ihre Namen und ich erfahre, dass sie noch nichts gegessen haben. Nicht einmal etwas zum Frühstück. Sie fragen mich, wieso ich denn diese Kleidung trage, obwohl ich in einem Auto mitfahre...und ich sage ihnen, dass man einige Dinge im Leben einfach nicht vergessen will. Denn in einer Situation, in der ich gerade festsitze, kann mich der Alltag schneller wieder einholen, als man es denken mag. Als Erklärung gebe ich ihnen allerdings nur die Tatsache, dass es nicht mein Auto, sondern das meiner Freundin wäre.

"Hier. Das ist nicht viel, aber vielleicht reicht es für zwei Brötchen." Ich schmeiße die Münze in den leeren Kaffeebecher, als meine Hand mit einer anderen zusammenstößt. Erschrocken sehe ich zu der Person hinauf, die einen Geldschein zwischen den Fingern hält.

"Das ist alles, was ich in Bar bei mir habe.", spricht Rosas warme Stimme zu Fynn und Leo, die ihren Augen kaum trauen können.

"Rosa...", stottere ich, zumal ich erst jetzt bemerke, dass ich ihr Geld für den Einkaufswagen verschenkt habe. Aber viel mehr wurde ich von ihrer Großzügigkeit überrumpelt, als dass ich mich schlecht fühlen würde, etwas Gutes getan zu haben. Denn so wie es aussieht, bin ich nicht die Einzige, die so denkt. Fynn und Leo starren den Schein mit funkelnden Augen an, der neben der Münze nun im nicht mehr leeren Kaffeebecher liegt. Die Reaktionen erinnern mich an die 10, die auf meinem Schein stand und ich eine Ersatzdecke für die von Chaplin kaufen konnte, die mir Meredith gestohlen hatte. Und noch nie zuvor, habe ich so ein breites, herzliches Lächeln in Rosas Gesichtszügen entdecken können. Ja, gerade erinnert sie mich an den Jogger mit der Kapuzenjacke, die mir nie erlaubte, sein Gesicht zu erkennen. Und ja, für einen kurzen Augenblick denke ich an die winzige Chance, dass es damals Rosa war, die mir den Becher gefüllt hatte. Jedoch bin ich felsenfest davon überzeugt, dass es ein Mann und keine Frau gewesen war.

"Danke! Ihr wisst nicht, wie sehr ihr uns damit helft. Danke!", bedankt sich Fynn mit feuchten Augen und ich ertappe mich dabei, wie ich meine eigenen Tränen der Freude und des Respektes gegenüber mir und allen Beteiligten herunterschlucken muss. Im Regen wären sie wahrscheinlich sowieso nicht aufgefallen. Ich kann mir selbst kaum erklären, warum ich so aufgewühlt bin.

"Komm, Birdie. Wir müssen schnellstens nach Hause kommen. Hamilton kann jeden Augenblick von der Arbeit zurück kommen." Das leichte Lächeln kann selbst der Regen nicht aus Rosas Gesicht wischen.


Million Dollars Between Us (Damien & Birdie - Trilogie #1)Where stories live. Discover now