Kapitel 39

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   Damiens schnelle Schritte bringen mich aus dem Konzept. Auf dem Weg in das Schlafzimmer wird er sein graues Jacket los und wirft es über das Geländer der Treppe. Mein Herz macht einen Satz -- Ich hoffe instinktiv, dass er nicht das mit mir vor hat, was ich befürchte und er es nur unter dem Deckmantel eines Gesprächs zu verbergen versuchte. Die Nervösität breitet sich wie ein Feuer in meinem Körper aus. Es ist so heiß, dass ich das Gefühl habe, mich an meiner eigenen Haut zu verbrennen. 

  "Setz dich.", bittet er mich und zeigt mit der Hand auf sein Bett. Sofort denke ich an das Versteck unterm Kopfkissen. Aber was versuche ich mir hier schon einzureden, wahrscheinlich weiß er sowieso schon, dass ich die dunkelrote Decke wiedergefunden habe, schließlich hat er ganz offensichtlich den roten Fussel auf meiner Bluse entdecken können und Damien ist nicht blöd -- ganz und gar nicht blöd. Er wird es wissen und wahrscheinlich darüber mit mir reden wollen. Dies wird endlich meine Chance sein, mich bei ihm zu entschuldigen, dass ich bei unserem letzten Gespräch so unüberlegt reagiert habe. Ich kann ihn schließlich nicht dafür verurteilen, dass er Parallelen zwischen mir und seiner verstorbenen Schwester sieht. Würde Damien mich an meinen Bruder erinnern, dann hätte ich dies bestimmt auch irgendwann mal erwähnt. Aber Damien ist nicht wie mein Bruder, weswegen ich ihn wohl auch anfangs nicht verstehen konnte. Jedoch bin ich mir nun sicher: Ich will Damien. Ich will ihm helfen, über den Schmerz hinweg zukommen, denn nur er kann meinen Schmerz lindern. Ich will dasselbe für ihn tun können. Ich will ihn glücklich machen. "Bitte setz dich.", wiederholt er sich und ich schrecke aus meinen Gedanken auf, um mich schließlich an das Kopfende des Bettes zusetzen. Ich rieche sein Parfüm. Ich rieche es, als er sich neben mich setzt und die Mattratze ein Stückchen nach unten sinkt und mich dazu zwingt, näher an ihn heranzurutschen. Unsere Oberschenkel berühren sich mehrere Sekunden lang, bis er sein Bein in eine andere Position verlegt und die kalte Luft über die Stelle fegt, die er zuvor noch berührt hat. Plötzlich wird mir ganz kalt. Eine Gänsehaut überläuft jeden Zentimeter meines Körpers. Irgendetwas ist hier faul.

  "Nach unserem letzten Gespräch ist mir einiges klar geworden." Seine Stimme klingt unsicher -- Ein Zeichen dafür, dass das, was er mir gleich sagen wird, mir nicht gefallen wird. "Ich wollte dich auf keinen Fall damit verletzen. Ich wollte lediglich ehrlich mit dir sein." Ich nicke mit dem Kopf, obwohl ich weiß, dass er in jedem Moment fortfahren würde. "Aber nachdem du gegangen warst, wurde mir erst so richtig bewusst, dass ich gar nicht anders kann. Egal, was ich tue, es würde immer damit enden, dass ich dich verletze. Und ich bin egoistischt und stur gewesen, dich mit all dem Schwachsinn zu belasten, mir einzureden, dass ich dich retten könnte. Denn das kann ich nicht. Ich kann dich genauso wenig retten, wie du mich. Es tut mir leid Birdie. Ich hatte gehofft, es wenigstens zu versuchen und damit die Fehler meiner Vergangenheit ungeschehen zu machen, sodass ich endlich wieder aufschauen könnte. Aber ich lag falsch. Nichts und niemand kann das ausradieren, was geschehen ist." Wir holen beide tief Luft. Ich kann ihn nicht dabei zusehen, wie er den Deal ablehnt. Ich kann ihn nicht anschauen, während er mir sagt, dass seine Firma keinen Gewinn machen würde, wenn sie sich auf mich einlässt. Aber der Schmerz in meiner Brust ist nicht nur ein Haufen gefühlsloser Papiere. "Ich werde niemals ein Held sein. Ich habe meine Chance verpasst.", flüstert er und neigt seinen Kopf von mir weg. Sogar er schafft es nicht, mich dabei anzusehen. Sogar der harte Geschäftsmann, findet in diesem Moment nicht seine Maske, die er sonst jederzeit griffbereit hätte. "Bitte sag' etwas.", fleht er. Und das Schlimmste ist, unsere Geschichte wiederholt sich in Dauerschleife in meinen Gedanken. Immer und immer wieder sehe ich ihn, wie er aus seinem Büro auf mich herabstarrt. Ich sehe ihn im Rückspiegel seiner protzigen Karre, beim Frühstück, in der Silversternacht. Ich sehe ihm im Rosenbad mir gegenübersitzend. Immer trafen seine Augen auf meine. Nur in diesem Moment, wo er mir versucht zu sagen, dass das mit uns nichts wird, kann er mich nicht ansehen.

  "Wann soll ich gehen..." Ich spüre keinerlei Tränen auf meinen Wangen. Innerlich fühle ich mich einfach nur leer, als hätte er mir mit seinen Worten jegliche Gefühle entzogen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass er keine Antwort auf meine Frage hat, oder sie mir nicht beantworten will. Also stehe ich vom Bett auf und verlasse sein Schlafzimmer. Er bemüht sich nicht dazu, mir zu folgen, aber das braucht er auch gar nicht tun. Ich habe bereits mein Ziel vor Augen. Und dieses Ziel ist mit Sicherheit nicht mehr der Mann, der mir an jenem Abend das Leben gerettet hatte, in der Hoffnung, dass ich ihn retten könnte. Vielleicht ist es auch die Gewissheit, dass ich von Anfang an wusste, dass ich ihm nicht helfen kann, der Grund gewesen, weswegen ich dem Gespräch mit ihm entflohen war und weswegen ich nun  nicht einmal eine einzige Träne für ihn übrig habe. Ich wusste es die ganze Zeit.

  Ich wusste, dass ein Anzugträger nichts mit einer Obdachlosen anfangen könne.

 Während ich den Flur entlang und an der Küche vorbeigehe, denke ich an seine Worte "Solange du bei mir wohnst, bist du nicht obdachlos" -- Das bedeutet dann wohl wirklich, dass ich in der Tat wieder obdachlos bin. Im Gästezimmer steuere ich direkt auf den Schrank zu, um alles, was mir noch übrig bleibt, auch ja nicht zu vergessen. Die dunkelrote Decke legt sich um meine Schultern, wie ein Schutzschild, das mich vor jeglichen gefährlichen Einflüssen bewahren soll. Ich weiß, ich werde dieses Schutzschild mehr als alles andere brauchen.

  Mit gesenktem Kopf trete ich aus dem Gästezimmer --  Meine Zeit als Gast in diesem Zuhause ist vorüber. Ich werde es vermissen. Ich werde alles vermissen.

 Rosa ist nicht mehr in der Küche, als ich meinen Kopf hebe. Stattdessen sehe ich Damien mit verschränkten Armen an eine der Säulen stehen. Sein Blick hebt sich ebenfalls, bevor er die dunkelrote Decke begutachtet. Ich will den Knopf des Fahrstuhls drücken und er versucht mich aufzuhalten, aber es ist zu spät. Das blaue Leuchten des Knopfes signalisiert uns, dass es in wenigen Sekunden soweit sein wird. Das ist unser Abschied, den ich nicht mit voreiligen Worten vermiesen möchte. Denn nichts destotrotz bin ich Damien immer noch dankbar, dass er mir die beste Zeit meines Lebens geschenkt hat. Das werde ich niemals begleichen können.

  Er tritt vor mich und schaut mit seinen eindringlichen, blauen Augen auf mich herab. "Bitte nimm das nicht persönlich, Birdie. Ich wünschte, es wäre anders gekommen." Seine Wörter wirken gezwungen und unehrlich. Aber ich kann sie ihm nicht übelnehmen. Es ist, wie es ist.

  Vorsichtig nehme ich die Decke von meinen Schultern und stelle mich auf die Zehenspitzen, um sie ihm umzulegen. Das dunkelrote Cape lässt ihn tatsächlich wie ein Held aussehen. Ich kann mein Grinsen nicht verbergen. "Ich bin nicht deine Schwester. Aber am Ende des Tages wirst du immer mein Held sein.", sage ich, bevor ich das Klingeln des Fahrstuhls höre und ich dem Helden sein Cape entziehe. Ich betrete den Innenraum des Fahrstuhls, wickel die Decke um meinen Körper, die nach Damien duftet, und drehe mich schließlich um, um den Anblick eines herzzerrissenen Mannes zu betrachten. Doch bevor ich reagieren kann, schließen sich die schweren Türen.



Ich kann kaum glauben, dass dies das vorletzte Update ist! Hilfe! Diese Geschichte ist mir so ans Herz gewachsen... Was meint ihr? Wie geht es mit Damien und Birdie weiter? Das nächste Update kommt nächsten Freitag :)x

Million Dollars Between Us (Damien & Birdie - Trilogie #1)Where stories live. Discover now