17.

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Gedankenverloren rühre ich mit dem Löffel in meinem Cornflakes, während Savannah in einer Modezeitschrift herumblättert und Hunter auf der Couch mit seinem Laptop auf dem Schoß sitzt. Wo Kyle ist und was er macht, habe ich keine Ahnung. Er ist anscheinend schon vor einer Stunde rausgegangen und ist immer noch nicht zurück.

Mit einem Blick auf die Uhr muss ich feststellen, dass es schon 14Uhr ist. Ich esse meine Cornflakes weiter zu Ende, auch wenn ich gar keinen Appetit mehr habe, da ich immer wieder an Kyles jetzige Situation denken muss.

Er ist gerade mal 20 Jahre alt, hat bestimmt noch keinen Job und auch keine Geschwister. Wie soll man weiterleben, ohne Familie? Ich könnte es mir nie vorstellen ohne meine Granni zu leben....

Granni.

Granni!

Ich muss sie anrufen!

Als hätte ich meinen Hintern verbrannt springe ich vom Stuhl, der beinahe umgefallen wäre. Savannah, die gegenüber von mir am Tisch sitzt, schaut abrupt auf von ihrer Zeitschrift, um mich verwundert anzuschauen.

"Savannah, darf ich vielleicht dein Handy benutzen, um meine Oma anzurufen? Sie macht sich sicherlich schon Sorgen. Normalerweise rufe ich sie immer an."

"Ja, ich denke schon. Aber warte, ich frage nochmal Hunter, ob es in Ordnung ist, wegen der ganzen Ortungssache." Ich nicke nur eifrig, ehe sie von ihrem Stuhl aufsteht, um zu ihrem Freund auf die andere Seite des Zimmers zu gehen.

"Hunny, darf Grace von meinem Handy ihre Oma anrufen, oder könnte sie geortet werden?"

"Wie oft hab ich dir gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst."

"Wie? Du meinst Hunny?"

"Ja! Lass das, das klingt unmännlich."

"Ach ja, hab ja vergessen, dass es deinen Badboy Image erniedrigt, sorry."

"Genau. Also, was meintest du nochmal?"

Ohne weiter zuzuhören, muss ich ein klein wenig grinsen über deren Beziehung, so wie sie miteinander umgehen. Im ersten Moment, würde ich sie niemals für ein Paar halten, sondern eher als zwei beste Freunde. Wie gerne würde ich in einer Beziehung sein und auch meinen Freund solche Kosenamen geben... I ch werde wieder schnell durch Savannahs Stimme aus meinen Gedanken geholt und schaue zu ihr.

"Grace, du kannst deine Oma anrufen. Mein Handy liegt auf der Küchenplatte." Ich nicke ihr zu und nehme mir die Schüssel vor mir in die Hand.

Savannah wirft auf einmal ihre Arme um Hunter und kuschelt sich an ihn, während er seinen Laptop abstellt und sie zurück in die Arme nimmt. Die beiden sind echt ein schönes Paar. Dazu sind sie auch noch so lange schon zusammen, während ich noch niemanden habe.

Ich wende meinen Blick von ihnen ab, um ihnen ein bisschen Privatsphäre zu geben und gehe mit dem Geschirr zum Spüler, während sie aufstehen und in ihr Zimmer gehen.

Neben dem Waschbecken stehen schon gespülte Gläser, die umgedreht stehen. Ich greife nach ihnen um sie in die Schränke einzuordnen.

Zum Glück sind die oberen Schranktüren aus Glas, so war das einfacher den richtigen Schrank zu finden. Ich öffne die Tür und steige auf die Zehenspitzen, um an das Regal anzukommen. Aber wie immer bin ich zu klein dafür, sodass ich mal wieder nicht ankomme.

Warum muss ich verdammt nochmal so klein sein?!

Diesmal versuche ich etwas hochzuspringen um anzukommen, jedoch gelingt es mir nicht im selben Moment das Glas abzustellen.

Plötzlich nehme ich ein mir sehr bekanntes raues Lachen wahr, welches mir mal wieder eine starke Gänsehaut verpasste. Ich wusste schon wer das ist, ohne mich umzudrehen. Dieses Lachen kann nur seins sein.

Langsam drehe ich mit dem Glas um und erblicke Kyle hinter der Kücheninsel stehen, der seine arme auf die Arbeitsplatte abgestützt hat. Seine Haare sind mal wieder komplett ungemacht, was einfach nur umwerfend aussieht. Anders als gestern und heute Morgen, trägt er keinen Pullover mehr, sondern ein dunkelblaues T-Shirt. Meine Augen wandern automatisch zu seinen muskelösen Oberarmen, die durch das Abstützen angespannt sind. Doch diesmal gefällt es mir was ich sehe. Es sind nicht zu viele, große und übertriebene Muskeln, wie bei einigen Bodybuildern oder bei Caleb. Ganz im Gegenteil hat er angemessene, nicht zu viel, nicht zu wenig.

"Nicht so toll was, ein Winzling zu sein?" Ich zucke ein wenig zusammen als ich seine spöttische Stimme höre, sodass die Wut gleich darauf wieder ansteigt, als ich genau wahrnehme was er sagt.

"Winzling? Ich bin 1,67m groß. Das ist ganz sicher nicht winzig!" Er zieht eine Augenbraue hoch und fährt meinen Körper hoch und runter, sodass ich wie gewöhnlich zu einer Tomate mutiere. Gleich darauf schaut er mir wieder skeptisch in die Augen.

"Ich glaube du meinst eher 1,57m, so wie du herumspringst wie ein Affe."

Meine Mund klappt auf und ich schaue ihn entsetzt und ungläubig an. Hat er mich gerade mit einen Affen verglichen?! Dieser.

Ok, ruhig Grace.

Er will mich nur provozieren.

Er hat mich schon vorher als kindisch bezeichnet, jetzt als Affe. Was kommt als nächstes?!

"Nerv mich mal nicht, ok? Ich bin vielleicht nicht die größte, aber ein Winzling auch nicht. Und Affe? Dein Ernst? Besseres fällt dir nicht ein?"

"Doch schon, aber dann würdest du anfangen zu heulen und darauf habe ich keinen Bock."

"Schön, und ich habe keinen Bock auf deine Anwesenheit!" Mit diesen Worten drehe ich mich wieder augenrollend um und versuche noch zwei Mal das Glas hineinzustellen.

Doch schon wieder kein Erfolg. Ich will es gerade aufgeben, da es keinen Sinn hatte. Wer hängt denn die Schränke auch so hoch an?

Plötzlich spüre ich jemanden dicht hinter mir und der Geruch von Männerdeo und Rauch steigt mir augenblicklich in die Nase. Automatisch schließe ich die Augen und inhaliere den bekannten Duft. Ein heißer Atem ist an meinem Nacken zu spüren, was mir noch mehr verdeutlicht, dass die Person mir noch näher gekommen ist. Die Schmetterlinge machen sich mal wieder auf ihren Flug bereit und mein Körper erwärmt sich auf der Stelle. Die Hitze steigt mir in die Ohren, als ich eine harte und durchtrainierte Brust an meinem Rücken spüre. Es kommt mir so vor, ob wäre es ein Déjà-vu. Genau wie gestern im Auto auf dem Fahrersitz spüre ich seine Anwesenheit gefährlich nah an mir. Eine Hand streicht meinen Unterarm entlang zu meinen Händen, um mir das Glas aus der Hand zu nehmen, wobei jede seiner einzelnen Berührungen ein loderndes Feuer hinterlassen. Meine Augen sind immer noch vom Genießen und der Spannung geschlossen, jedoch nicht lange, da mich das Geräusch vom Abstellen des Glases wieder die Augen öffnen lässt.

Er steht immer noch dicht hinter mir und ich wage es nicht mich zu bewegen. Als würde es noch gehen, nähert sich sein Atem noch mehr an meinem Ohr, und ich halte komplett die Luft an, falls ich es noch nicht getan hatte.

"Immer noch sicher, dass du keinen Bock auf meine Anwesenheit hast...?"

Meine Augen weiten sich bei seiner flüsternden Stimme, als ich realisiere auf was er hinaus möchte.

"Denn dein Körper sagt was ganz anderes..."

Sofort entfernt sich sein Körper und auch gleich dazu die Wärme, als er die Küche ohne ein weiteres Wort verlässt.

Geschockt von dem was gerade passiert ist, versuche ich mich wieder zu sammeln, um dann wieder das zu machen, was ich vorher gemacht hatte.

Wirklich konzentrieren kann mich jedoch nicht, da sich die Szene von eben immer wieder abspielt.

Hat er mich gerade ernsthaft absichtlich verarscht?!

Und ich habe es auch noch zugelassen, dass er so mit mir spielt und habe Mitleid mit ihm?!

So ein Idiot...

Sowas lasse ich nicht wieder zu. Das nächste Mal ist ER das Opfer!

ESCAPE  | ✔Where stories live. Discover now