(8) Nicht verhandelbar

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Poppy

Die Nacht war unruhig verlaufen. Obwohl reine Glückseligkeit durch jede Pore ihres Körpers strömte, weil sie endlich in der Lage war, die Lawsons jeden Tag zu besuchen  und wertvolle Stunden mit Rosie zu verbringen, hätte sie innerlich schreien wollen, als sie gestern Parker begegnet war. Sie wusste, dass er zu den Guten gehörte. Wann immer Levi einfach davon ging, wenn Mick während der Schulzeit jemandem dumm kam, ging Parker dazwischen, sobald er davon erfuhr.

Unglücklicherweise war Mick nicht dumm. Er hatte schnell gelernt, dass er seine Opfer am besten quälen konnte, wenn weder Levi noch Parker dabei waren. Die Mädels stellten aus seiner Sicht kein Problem dar, denn sie sagten für gewöhnlich kein Wort. Ob sie davon beeindruckt waren, wie Mick andere unterdrückte? Poppy fand allein den Gedanken daran krank.

Mick war nicht unbedingt ein handgreiflicher Tyrann, aber Poppy war mehr als einmal mit einem blauen Fleck nach Hause gekommen, den sie einer Kollision mit einem Schließfach, dem angeblichen Stolpern auf dem Schulflur oder dem ungeplanten Nahkampf während des Schulsports zu verdanken hatte. Unterm Strich hatte sie in den letzten drei Jahren beste Voraussetzungen gehabt, um eine intensive Freundschaft mit der Schulkrankenschwester Andrea zu schließen. In der Regel verbrachte sie ihre Mittagspause im Krankenzimmer.

Obwohl die entgültige Entscheidung noch nicht gefallen war, dachte Poppy immer häufiger darüber nach, nach der Schule in einem medizinischen Beruf zu arbeiten. Vor allem nach ihren Erlebnissen der letzten Monate.

Als sie ein wenig später als sonst bei den Lawsons ankam, wurde sie von Shirley an der Haustür begrüßt. Das war neu.

"Hallo Poppy, komm rein. Ich möchte dir etwas zeigen", winkte sie sie herein. "Wir haben heute viel vor. Aber eins nach dem anderen. Mir nach."

Während Poppy sich wunderte, worum es ging, folgte sie Shirley die Treppe hinauf. Normalerweise steckten die Lawsons bis zum Hals in Arbeit, besuchten landesweit ihre Büros und hatten Meetings ohne Ende. Sie wusste von den Erzählungen ihrer eigenen Eltern, dass sie kaum Zuhause waren. Sicherlich verdienten sie mit jedem Blinzeln eine Tonne Geld. Als Poppy ihnen von ihrer Verletzung berichtet hatte, hatten sie ihr unbekümmert das Versprechen abgenommen, auf die bestmögliche Behandlung zu bestehen. Koste es, was es wolle.

Und obwohl Poppy das Angebot dankbar angenommen hatte, gab sie ihnen im gleichen Atemzug zu verstehen, dass sie nicht bereit war, das Thema bei den Mahlzeiten oder überhaupt jemals beiläufig zu besprechen. Genau genommen wollte sie nicht, dass es den Menschen in ihrer Umgebung auffiel. Sie brauchte nicht noch eine Sache mehr, die sie aus der Masse herausstechen ließ.

Bereits vor dem Tod ihrer Eltern war sie ein Außenseiter gewesen und nun, da sie noch vor dem Beginn ihres letzen Schuljahres verheiratet sein würde, brauchte sie niemanden, der sie noch dazu mit ihren Verletzungen aufzog. Sie würde genug zu erklären haben, wenn sie sich eines Tages dazu entschloss, ihren Arm nicht mehr zu verstecken. Nicht, dass die den Lawsons von ihrer speziellen Situation in der Schule erzählt hätte.

Selbst ihre Eltern hatten nichts davon gewusst. Es war einfach nie der richtige Zeitpunkt gewesen und Poppy hätte immer gedacht, dass es sie auch deutlich schlechter hätte treffen können, obwohl sie wusste, dass man nicht erst jemandes Knochen brechen musste, um von Schikane zu sprechen. Doch sie hatte sich schlicht und ergreifend nie als Opfer darstellen wollen. Ihr Stolz hatte es nicht zugelassen.

Als sie vor Levis Wohnzimmer zum Stehen kamen, schob Poppy ihre Gedanken beiseite. Shirley öffnete die Tür und bedeutete ihr, einen Blick hinein zu werfen.

"Ich weiß nicht, ob ich-"
Ihr fehlten die Worte als sie sich umsah.

Es war keine Männerhöhle mehr. Obwohl die Wände die gleiche Farbe wie zuvor trugen, hatte sich alles andere verändert. Der riesige Fernseher und das Sofa waren verschwunden, genauso wie die Basketballkörbe und die gerahmten Schwimmmedaillen.

Married to a firefly - German Edition •abgeschlossen•Where stories live. Discover now