19. Kapitel - Teil 2

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Amara

„Streiten die immer so?", versuche ich ungeschickt die Unterhaltung auf ein anderes Thema als ihren Bruder zu lenken.

Sie bedenkt mich eines Blickes, der mir sofort zeigt, dass sie ganz genau weiß was ich versuche. Nämlich abzulenken. Trotzdem tut sie mir gnädigerweise den Gefallen und geht auf meine Frage ein.

„Oh ja. Aber wir können froh sein, dass sie sich nicht schon längst gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben. Immerhin stammen die beiden ursprünglich aus verfeindeten Rudeln."

Mein Mund öffnet sich und schnappt wortlos wieder zu. Das habe ich nun wirklich nicht erwartet.

„Aber... aber wie können sie dann überhaupt sowas wie Freunde sein? Sollten sie sich nicht abgrundtief hassen oder so?"

So kenne ich es zumindest, wenn man auf jemanden aus einem verfeindeten Rudel stößt. Verdammt, sogar bei Zusammenkünften mit befreundeten Rudeln liegt normalerweise immer irgendeine Art von Abneigung und Feindseligkeit in der Luft. Man verbündet sich eben nur, um Vorteile daraus zu ziehen und die eigenen Leute zu schützen. So wurde es mir schon seit meiner Kindheit eingebläut, auch wenn ich das Ganze natürlich nie besonders toll fand. Aber so ist es halt, als Werwolf. Dachte ich bis jetzt.

Ronda zuckt von meinem Gedankenkarussell unbeeindruckt mit den Schultern.

„Das ist eine von Masons Regeln: hier in Vallis Mortis gibt es keine Rivalitäten untereinander. Wir sind alle gleich. Rudellose. Und mein Bruder duldet keine Verstöße."

Sie durchbohrt mich mit einem vielsagendem Funkeln in den Augen. Im nächsten Moment prustet sie los.
„Da schlagen wohl die Gene durch ."

Sie unterdrückt ein erneutes Kichern und hält sich dabei den Bauch.

Beeindruckt von dem scheinbaren Durchsetzungsvermögen meines Mates hebe ich die Brauen.

Mal wieder bildet sich ein viel zu positiver Eindruck von dem Alpha in meinem Inneren, welcher mein Herz umgehend zum rasen und meinen Magen zum kribbeln bringt. Zügig verbanne ich diese Gefühle und konzentriere mich stattdessen wieder auf die sympathische Frau vor mir.

„Wie ist es eigentlich so hier zu leben?",
gehe ich der Frage auf den Grund, die mich schon seit meiner unfreiwilligen Ankunft an diesem seltsamen Ort beschäftigt.

Mein Gegenüber schenkt mir ein ehrliches Lächeln, bei dem sie ihre strahlend weißen Zähne entblößt. Zeitgleich legt sie mir freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.

„Das wirst du bestimmt schon sehr bald selbst herausfinden, Amara. Aber mach' dir keine Sorgen, ich bin mir sicher dass du dich hier bei uns schon schneller als du denkst zuhause fühlen wirst."

Beschämt über die Tatsache, dass ich vor wenigen Stunden noch von hier, vor ihrem Bruder und meinem eigenem Mate flüchten wollte, senke ich den Blick auf die leere Tasse in meiner Hand und schlucke hörbar.

Dann nehme ich einen tiefen Atemzug um mich zu sammeln und kann förmlich spüren, wie ein Teil der Anspannung beim Ausatmen aus meinem Körper weicht. Über meine sprunghaften Launen den Kopf schüttelnd, entschließe ich, wenigstens vor Ronda reinen Tisch zu machen.

„Weißt du, Ich hab wirklich keine Ahnung was ich tun soll. Alles hier ist so anders als ich jemals erwartet hätte. Und dann treffe ich deinen Bruder und...", ich beende meinen Satz nicht, da ich nicht weiß, wieviel von der Sache zwischen Mason und mir sie bereits mitbekommen hat.

Sache. So nenne ich das also, die einzigartige Verbindung zwischen zwei übernatürlichen Wesen, welche so stark miteinander verbunden sind, dass sie sich selbst dann finden werden, wenn sie an unterschiedlichen Enden der Welt leben. Wie zwei Magnete, die sich unaufhörlich anziehen bis sie aufeinanderstoßen, egal welche Hindernisse auch dazwischen liegen mögen. Und dann nie wieder voneinander loskommen.

Ist das mein Schicksal? Ein Leben bei den Rogues, schon bald selbst als Ausgestoßene? Ein Leben lang an der Seite eines Mannes, den ich mir nicht ausgesucht habe? Nicht dass er kein guter Fang wäre, um das beurteilen zu können kenne ich ihn noch nicht gut genug. Aber was ist mit mir?

Mörderin, hallt es wieder durch meinen Kopf und ich seufze verzweifelt.

Ronda schenkt mir einen mitleidigen Blick.

„Ich weiß, es muss schwer für dich sein diese Situation zu akzeptieren. Mein Bruder ist ein guter Mann und er würde dir niemals deinen Willen nehmen. Aber als seine Schwester möchte ich dich darum bitten, ihm wenigstens eine Chance zu geben. Lerne ihn kennen und wenn dir nicht gefällt was du siehst, wird er dich gehen lassen. Das verspreche ich dir."

Erstaunt suche ich in ihrem Gesicht nach Anzeichen für eine Lüge. Was mir stattdessen entgegenstrahlt ist die ehrlich besorgte Miene einer großen Schwester, welche mir klarmacht, dass es bei meiner Entscheidung nicht nur um mich selbst geht.

Eine Ablehnung würde Mason für den Rest seines Lebens zeichnen. Ich bin es ihm schuldig, ihm wenigstens die Möglichkeit zu geben, an meiner Wahl beteiligt zu sein.

Vielleicht merkt er dann ja sogar selbst, dass ich nicht die Richtige für ihn bin und schickt mich aus freien Stücken weg.

Bestätigend nicke ich.

„Du hast Recht. Morgen rede ich mit Mason", verspreche ich ihr.

Sie strahlt bis über beide Ohren und zwängt mich plötzlich in eine innige Umarmung.

„Danke", japst sie mir dabei ins Ohr. „Du wirst es nicht bereuen!"

Nach einer halben Ewigkeit lässt sie mich endlich wieder zu Atem kommen.

Immer noch grinsend sagt sie schließlich:
„Komm, Zeit ins Bett zu gehen. Du musst morgen schließlich fit sein, für dein Date mit dem Alpha."

Die Panik steht mir bei ihrer Aussage bestimmt schlagartig ins Gesicht geschrieben.

Hat sie gerade etwa Date gesagt?!

Amara & Mason ~ Alpha Der RudellosenWhere stories live. Discover now