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Geräuschlos schlich ich um das heruntergekommene Haus, in dessen Hintergarten ich vor einer halben Stunde die ersten zwei Vampire erledigt hatte, während der dritte geflohen war. Die Farbe splitterte von der Fassade und war genauso schäbig wie der ungepflegte Rasen oder der verwitterte, schiefe Zaun. Das perfekte Bild einer leer stehenden, rattenverseuchten Bude, die kein normaler, geistig gesunder Mensch freiwillig betreten würde. Ich trat ein.

Aber erst, nachdem ich mich ein weiteres Mal überzeugt hatte, dass kein vierter Vampir direkt hinter der Tür auf mich lauerte.

Wie ich bereits angenommen hatte, war das Innere ganz anders eingerichtet, als von außen zu erwarten war: mit opulenten, gepolsterten Möbeln und einigem Schnickschnack, der von flauschigen Teppichläufern über moderne Kunst an den Wänden bis hin zu prächtigen Vasen und Statuen reichte.

Geschmeidig glitt ich von einem Raum in den nächsten, ohne noch einmal auf einen Blutsauger zu stoßen. So weit, so gut. Wäre da nicht plötzlich das Knarren eines Fußbodens in der unteren Etage zu vernehmen gewesen. Sofort erstarrte ich und schärfte alle meine Sinne. Nicht nur, dass ich extrem schnell laufen konnte, ich hatte ebenso ein gutes Gehör sowie Augen, die auch bei geringstem Licht ausreichend sahen. Schon als Kind hatte sich mein Onkel Héctor köstlich über meine Nachtsicht amüsiert. Besonders dann, wenn er mich mitten in der Nacht in der Vorratskammer vorfand: mit vollgeschlagenem Bauch im Dunkeln hockend, meist noch das Kinn mit Pudding verschmiert und mit klebrige Finger.

Ich schlich weiter zur Quelle des Geräusches und befand mich bereits auf der modrigen Treppe hinunter in den Keller. Oben war im übertragenen Sinn alles sauber gewesen, unten offensichtlich nicht. Meine Hand schloss sich fester um das Heft von Olaf. Obwohl es mitten in der Nacht war und von oben fast kein Licht nach unten drang, sah ich genug, um Umrisse und Gefahren zu erkennen. Außerdem lag deutlich der unverkennbare eiserne Geruch von Blut in der Luft – also alles ganz normal für eine Vampirzuflucht.
Aber nein, halt, da ist es schon wieder. Das typische Knarzen eines Holzbodens – kurz, aber eindeutig.

Als ich die Augen schloss, um mich noch stärker auf mein Gehör zu konzentrieren, konnte ich den Ursprung des Geräusches ausmachen. Irgendjemand oder irgendetwas befand sich hinter dieser Holztür, keine drei Treppenstufen von mir entfernt.
Das dürfte interessant werden, freute ich mich innerlich.

Beziehungsweise wartete der vierfache Sold auf mich, sollte ich richtigliegen und nicht nur mit einem Vampirgebiss, sondern gleich mit vier Schnappzähnen bei der Gilde antanzen. Statt meinem Grinsen oder einem kleinen Siegestanz nachzugeben und die Dollarzeichen in meinen Augen rotieren zu lassen, konzentrierte ich mich wieder auf die Gegenwart. Erst nachdem ich mir sicher war, dass der Verursacher der Geräusche von der Tür wegging, sprang ich kräftig mit einem ausgestreckten Bein auf die Tür zu, die laut nach innen aufkrachte. Wie ein Ninja war ich durch die Tür geflogen, was auch Jet Li nicht besser hinbekommen hätte, als ich schon wieder aus der Hocke hochschoss und mich mit gezogener Waffe kampfbereit im Raum umsah. Dann erspähte ich ihn. In der Ecke des heruntergekommenen, dunklen Kellers stand ein splitterfasernackter Typ, verängstigt wie ein kleines Schulmädchen, und starrte mich aus schreckgeweiteten Augen an.

Oh verdammt, ein Blut- und Sexsklave. Wir Jäger stießen nicht besonders oft auf ihre Sklaven, da Vampire wenig Geduld besaßen und einfach unersättlich waren, wodurch die gefangenen Menschen häufig zu schnell verbluteten. Was ich persönlich als gnädigeres Ende ansah, statt zu einem Blutsklaven zu werden, dessen Hirn in der Gefangenschaft immer mehr in Nebel gehüllt wurde. Durch das Gift ihrer Zähne konnten Vampire die Menschen willig machen und ihrer gesamten Identität berauben. Das dauerte zwar einige Tage oder gar Wochen, doch danach war ihr Gehirn nicht mehr wert als altbackenes Brot und es verschlimmerte sich, je länger sie in Gefangenschaft waren. Es gab nur zwei Möglichkeiten, sie aus diesem Dämmerzustand zu befreien: entweder durch monatelanges Warten, während dem sie aus ihrer geistigen Hölle krochen, was nicht selten eine Einweisung in die Psychiatrie zur Folge hatte. Dort fiel es nicht auf, wenn sie keine zusammenhängenden Sätze bildeten oder sich nicht einmal an den eigenen Namen erinnern konnten. Schuld daran war vor allem das Vampirgift, das sehr lange brauchte, um nicht nur aus ihrem Blutkreislauf, sondern auch aus ihren Gehirnzellen zu verschwinden.

MONSTER GEEK: Die Gefahr in den WäldernWhere stories live. Discover now