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Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, musste ich mich regelrecht von seinem Gesicht losreißen und räusperte mich. Mein Gehirn musste wohl noch immer unter Hormoneinfluss stehen, da ich das Erstbeste antwortete, das mein Geist mir eingab.

„Anga ... ähm, Anga McGyver", antwortete ich mit viel zu trockenem Mund und schob meine Hände tief in die Taschen meiner eng anliegenden Lederhose. Meine Finger waren flinke, garstige Dinger, die schnell mal mit mir durchgingen, wenn ich sie nicht einsperrte.

Der Pfarrer – Matej konnte ich einfach nicht denken, das fühlte sich viel zu persönlich an – starrte mich mit großen, dunklen Augen an. Schließlich antwortete er, erneut leicht amüsiert: „Sie meinen wie der Held Angus McGyver aus der gleichnamigen Fernsehserie?"

Nun war ich an der Reihe, große Augen zu machen, da er mich nicht nur beim Flunkern erwischt hatte, sondern auch diese uralte Serie kannte. Diese verstaubte alte Serie kannte heute sonst niemand mehr. Niemand außer mir – und natürlich meinem Dad. Wie oft hatte ich in meiner Kindheit mit ihm alte Serien geguckt – Klassiker, die heute mit den neuen Medien längst vergessen waren. Oder gemeinsam mit ihm zu 80er Jahre Musik gesungen und getanzt, auch wenn die Sänger alle schon längst nicht mehr auf der Erde weilten. Unzählige Male, und immer dachte ich mit einem kleinen Lächeln daran zurück, was ich gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Mühsam riss ich mich los von den Gedanken an meinen Vater, an die Zeit, in der er ein richtiger Dad gewesen war, und beförderte mich zurück in die Gegenwart.

„Tut ... tut mir leid. Das war ein Scherz, ich meinte natürlich Diana Winchester."
Ich klimperte mit den Wimpern und meine Stimme klang so bittersüß, wodurch sie immer jeden überzeugen konnte. Ihn anscheinend nicht. Denn statt bezaubert zu sein, hob sich einer seiner Mundwinkel. Das schiefe Lächeln passte so gar nicht zu dem Bild eines gottesfürchtigen Pfarrers. Was ihn noch verführerischer machte. Wie konnte jemand so sexy aussehen, so ein freches Lächeln aufsetzen und dann ein Gesandter Gottes sein? Die Welt war nicht nur ungerecht, es war schlichtweg zum Heulen.
„Ähm, ich kenne auch Dean Winchester aus Supernatural."

Verflixt aber auch! Was war nur los mit dem Typen? Sicher, ich hätte ihm meinen richtigen Namen nennen können, ein Name war jedoch etwas sehr Persönliches, fast schon Intimes. Und den verriet ich nicht gerne und vor allem nicht jedem, egal, wie schnuckelig dieser Jemand aussah. Bisher hatten meine Pseudonamen immer gut funktioniert, wenn ich für Aufträge unterwegs war. Nun, bis jetzt. Also änderte ich meine Taktik.

„Was muss ich also tun, um den Kanister mitnehmen zu können, ohne dass Sie die Bullen auf mich hetzen?"
„Nennen Sie mir den Grund, wofür Sie das Weihwasser brauchen."
„Kann ich nicht."
Meine Antwort kam wie eine Pistolenkugel. Seine Erwiderung war aber mindestens genauso schnell.
„Können Sie mir dann zumindest Ihren richtigen Namen nennen?"
„Will ich nicht."

Das entlockte ihm wieder ein leichtes Grinsen und ich musste mich vehement daran erinnern, dass er – bei Gott – ein Pfarrer war. Das Lächeln verschwand jedoch wieder viel zu schnell und wich einer ernsten, besorgten Miene. „Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie mir nicht sagen, was Sie vorhaben."

So schön er anzusehen war und wie gerne ich seiner Stimme lauschte, langsam wurde mir dieses Hin und Her ein wenig lästig. Außerdem hatte ich keine Zeit und wollte nicht in dieser Kirche versauern.

„Danke. Ich brauche keine Hilfe. Noch einmal: Was kann ich tun, um diesen Kanister nehmen und unbehelligt von hier verschwinden zu können?", fragte ich, hielt besagten Kanister kurz hoch, um ihn anschließend neben mir auf den Boden zu stellen.

Mit einem dezenten Hüftschwung, den er dennoch deutlich wahrnahm, was mir sein interessiert wirkender Blick und sein Kieferzucken verrieten, machte ich einige Schritte auf ihn zu. Herausfordernd sah ich zu ihm auf, als ich vor ihm stand, während er mich eingehend betrachtete. Dabei blieb sein Blick zuerst auf meinen Lippen, am Ende jedoch bei meinen Augen hängen.

„Wie flüssiges Karamell ...", hörte ich ihn leise raunen und neugierig machte ich noch einen weiteren kleinen Schritt auf ihn zu. „Wie bitte?"
„Ihre Augen ... Sie sehen aus wie flüssiges Karamell oder ... Honig. Faszinierend."
Noch immer sah er mir tief in die Augen, räusperte sich aber schließlich, als ihm vermutlich klar wurde, dass er gerade ziemlich unpassend eine Frau anschmachtete. Mir sollte es recht sein.
„Tut mir leid ... Sie haben eine sehr ungewöhnliche Augenfarbe."

Um nicht wie ein Kätzchen zu schnurren oder blöd zu grinsen und wie ein Schulmädchen zu kichern, biss ich mir fest auf die Innenseiten meiner Wangen. Erstens, um den Pfarrer nicht bloßzustellen, und zweitens, um meine harte Fassade nicht zum Bröckeln zu bringen. Immerhin hatte ich einen Ruf aufrechtzuerhalten, also hieß es immer schön cool bleiben.

Dennoch musste ich langsam wirklich los, obwohl dieses Geplänkel mehr Spaß machte, als es sollte. Lasziv schlug ich kurz die Augen nieder, sah wieder hoch und deutete ihm mit dem Zeigefinger an, näher zu kommen. Erwartungsvoll machte der Geistliche wie erhofft einen Schritt nach vorne und beugte sich zu mir hinunter. Wohl in der Annahme, ihm nun ein Geheimnis ins Ohr zu flüstern. Stattdessen schlug ich mit meiner Handkante kurz, aber fest auf einen bestimmten Punkt in seinem Nacken und fing ihn ächzend auf, als er wie ein nasser Sack in sich zusammenfiel.

Der Typ war schwerer, als ich gedacht hatte, und wie ich jetzt feststellte, gut durchtrainiert. Außerdem roch er ziemlich verführerisch und ich kam mir selbst etwas gruselig vor, weil ich das alles in den wenigen Sekunden bemerkte. Mit trockenem Mund ließ ich ihn nichtsdestotrotz vorsichtig zu Boden gleiten und konnte nicht widerstehen, ihm einmal durch das seidige, dunkle Haar zu streichen. „Besser, du weißt nichts von mir, hübscher Kerl. Schönes Leben noch."

Während meine Libido mich innerlich anschrie und mir alle erdenklichen Schimpfwörter an den Kopf warf, weil ich ihn zurückließ, drehte ich mich fort und angelte nach meiner Beute. Den Kanister tragend, stieß ich die Kirchentür auf und verschwamm mit den Schatten in der Dunkelheit.

***

MONSTER GEEK: Die Gefahr in den WäldernOnde as histórias ganham vida. Descobre agora