2.1 Verärgere NIE jemanden in pinken Klamotten

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Bevor ich aber meinen besagten Freund, Cousin Jayden, anrief, machte ich mich auf den Weg zur Gildenbude. Diese lag zum Glück nicht weit von meinem Zuhause entfernt, am Rande der Stadt. Da ich für einen Taxi-Gleiter kein Geld ausgeben wollte, ging ich zu Fuß. Mit dem GleitBoard wäre ich im Nullkommanichts dort gewesen, aber das Board hatte ich daheim gelassen, damit es mich bei der Jagd nicht behinderte. Daher marschierte ich die nächsten fünf Minuten durch die spärlich beleuchteten Straßen und genoss den kühlen Wind auf meiner Haut.

Jayden würde ich erst nach meinem nächsten Stopp über den gefesselten Typen informieren. Zum einen, weil das kommende Gespräch länger als fünf Minuten dauern würde, und zum anderen, um den Typen mehr Zeit zu geben, sich zu sammeln, vielleicht schon die ersten Schichten seiner Benommenheit abzuschütteln. Was Jayden später wiederum half, ihn problemloser ins Krankenhaus zu bringen.

Den Kopf in den Nacken gelegt, blickte ich einen Moment hoch zu den Sternen, die heute am Rande Montreals zu erkennen waren. Klare Nächte wie diese erinnerten mich an früher, bevor mit unserer Familie alles den Bach runtergegangen war. Oft waren mein Dad und ich abends gemeinsam durch die Gegend geschlendert, während Mum den Abwasch gemacht hatte. Rückblickend waren es nur Spaziergänge am Abend gewesen, obwohl sie sich für mich immer wie Abenteuer angefühlt hatten.

Während dieser Ausflüge hatte er mir Spurenlesen beigebracht, die Sterne erklärt oder wilde Geschichten über alle möglichen Monster erzählt – natürlich alles kinderfreundlich. Dennoch hatte ich immer über Monster unter dem Bett und in der Welt, sowie über Magie Bescheid gewusst. Gleichzeitig hatte ich die Gewissheit gehabt, dass meine Eltern auf mich aufpassten, sie starke Jäger waren, die mich und andere beschützten. In meiner kindlichen Naivität waren sie unbesiegbar gewesen. Zumindest bis zu jenem Abend.

Tief seufzend massierte ich die Stelle an meiner Brust, die bei der Erinnerung an sie schmerzte, bis der dumpfe Stich wieder verging. Gedankenverloren stapfte ich weiter und nicht einmal die Aussicht auf das Geld der Gilde konnte meine Stimmung heben, in die mich die Erinnerungen soeben gezogen hatten. Dennoch musste ich endlich aufhören, über das Vergangene zu trauern und darüber hinwegkommen.

Also streckte ich meinen Rücken durch und holte tief Luft, kurz bevor ich um die letzte Kurve zwischen den heruntergekommenen Vorstadthäusern marschierte und aus der Ferne bereits eindeutige Geräusche hörte. Musik, lautes Geplänkel und ja, ganz klar, auch irgendeine Schlägerei drang vibrierend aus dem offenen Fenster der versifften Bar „Red Conquer".

Leichtfüßig schob ich mich an mehreren betrunkenen, düster aussehenden Kerlen vorbei, die gerade von Teddy und Don, den Rausschmeißern, freundlich nach draußen befördert wurden. Ich fragte mich, warum sich keiner darüber wunderte, dass diese abgefuckte Bar überhaupt zwei Türsteher beschäftigte, die wie riesige Bullen auf zwei Beinen wirkten. Immerhin wussten nur wir Gildenjäger von dem Sold, den man sich hier holen konnte, wenn man seine Beute abgab.

Im Vorbeihuschen grüßten mich die beiden mit einem „Hey, Jess!", in brummig tiefem Tonfall und klangen dabei wie zwei Bären. „Hi, Jungs! Bye, Jungs!", winkte ich und war schon durch die Tür hineingeschlüpft.

Wie von außen anzunehmen, war das Innenleben nicht besonders einladend gestaltet. Die Bar bestand aus einem abgetretenen Parkettboden, einer angeschlagenen hölzernen Einrichtung und schlammrot gestrichenen Wänden, die von kaputten Lichtern geschmückt wurden. Die jedoch nicht mehr strahlend leuchteten und Werbung für fremde Urlaubsregionen machten oder billigen Schnaps anpriesen, sondern wie in einem schlechten Film hin und wieder zum Leben erwachten, um nervig zu flackern, bis es einem in den Augen schmerzte. Anscheinend schien das keiner außer mir zu bemerken oder sich daran zu stören, denn diese Blinklichter gehörten seit mindestens zwei Jahren zum ganz eigenen Charme dieser Bude.

MONSTER GEEK: Die Gefahr in den WäldernWhere stories live. Discover now