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MÜCKE

Die warmen Sonnenstrahlen der Herbstsonne bahnten sich ihren Weg durch die Fenster. Sie hüllten alles in ein goldenes Licht. Im Hintergrund lief leise eine von Marlas Playlisten. Sie liebte starke Frauen und nutzte jede noch so kleine Gelegenheit, uns diese zu präsentieren.

Mein Blick wanderte nach draussen. An den Bäumen hingen goldgelbe und rotorange Blätter, die hie und da ihren Weg nach unten auf die Strasse fanden. In der Ferne konnte man das klare blaue Wasser der Aare erkennen. Obwohl der Herbst langsam ins Land zog, nutzten Leute die letzten warmen Tage des Jahres für einen Aareschwumm. Manchmal wünschte ich, unser Treff würde sich näher an der Aare befinden, damit ich mich noch mehr an der Schönheit des Panoramas ergötzen konnte. Doch dass wir uns in der Nähe des Bahnhofes befanden, hatte für alle ihre Vorteile.

Ich mochte den Herbst von allen Jahreszeiten am liebsten. Die Welt war in buntere Farben als sonst gehüllt und niemand begann einen zu verurteilen, wenn man in Hoodie und Wollbeanie auf dem Kopf durch die Gegend rannte.

Das laute Surren der Mikrowelle zerstörte die Atmosphäre. «Dein Essen ist fertig», rief ich in die Richtung, in der ich Marla vermutete. Ich war gerade dabei, die diversen Gesellschaftsspiele auf den hölzernen Tischen, welche wir vorhin im Gruppenraum zusammen mit den Stühlen aufgestellt hatten, zu verteilen.

Die Treppenstufen zum Estrich quietschten als Marla diese hinuntergerannt kam. Ihre langen schwarzvioletten Haare hatte sie zu einem chaotischen Dutt aufgetürmt, der bei jeden ihrer Schritte auf und ab wippte. «Merci!», rief sie mir im Vorbeigehen zu.

Ich legte das letzte Spiel, die Siedler von Catan, auf den letzten Tisch, auf dem noch kein Spiel lag. Durch die Theke hindurch, beobachtete ich Marla. Sie hatte sich ihr Essen aus der Mikrowelle geholt und auf den kleinen Tisch in der Küche gestellt, an dem wir meistens zu dritt assen, wenn wir uns in den Vorbereitungen befanden. Marla war gerade dabei, sich trotz engem Kleid im Schneidersitz auf das Taburett zu setzen, als sie zu mir hinüber sah.

«Setz dich doch lieber zu mir, statt mich so creepy zu beobachten, du alter Mann», zwinkerte sie mir zu.

Leise seufzend stiess ich mich von der Stelle ab. «Ich bin nur ein Jahr älter als du», antwortete ich spitzbübisch, als ich die Küche betrat. Ich öffnete den Kühlschrank, um mein Birchermüsli rauszuholen, als das Klicken des Deckels eines Tupperware zu hören war. In der Luft hing nun der Duft von indischem Essen.

«Müssen wir die Feuerwehr rufen?», war das näherkommende, schallende Lachen Gustavs zu hören, «Ich glaub, unsere Luft brennt.»

«Keine Diskriminierung am Arbeitsplatz!», rief Marla ihm ermahnend zu, als der blonde Zwerg die Küche betrat. Gustav hielt eine Getränkekiste, sowie die Pizzabaguette, welche man für kleines Geld bei uns als Verpflegung beziehen konnte, im Arm.

Mit hochgezogener Augenbraue stellte er die Kiste auf dem Tisch ab. «Arbeitsplatz? Ich wusste nicht, dass das hier meine Kita und nicht eine Anlaufstelle für falschsexuelle junge Erwachsene ist», zwinkerte er in Marlas Richtung. Er streckte den Arm aus, um dem Mädchen durch die Haare zu wuscheln, ehe er aus seiner Sweatjacke schlüpfte und diese auf eines der freien Taburett schmiss.

Grummelnd boxte Marla mit ihrem Ellbogen in Gustavs Hüfte. Marlas Vater war gebürtiger Inder und im Gegensatz zu ihren älteren Geschwistern hatte Marla voll und ganz seine Gene abbekommen. Auch wenn sie wusste, dass Gustav seine Aussage scherzend gemeint hatte, hätte es der Blonde dennoch besser wissen müssen. Denn leider musste sich Marla sowas öfters von Leuten anhören, die damit bewusst verletzen und kränken wollten.

Ich hatte mich inzwischen Marla gegenüber an den kleinen Tisch gehockt, um mein Birchermüsli zu essen. Gustav hatte sich die Kiste mit den Pizzabaguetten vom Tisch geschnappt und das Tiefkühlfach unseres Kühlschrankes geöffnet.

in case I fall for youWhere stories live. Discover now